Urteil des BVerwG vom 03.03.2005

Beiladung, Flughafen, Start, Widerruf

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 VR 1008.04 (4 A 1041.04)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Prof. Dr. R o j a h n
beschlossen:
Die Beiladung des Herrn Rolf-Roland B., …, …, und 15 weiterer
Antragsteller - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Karsten
S., …, … - wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Die Antragsteller machen selbst nicht geltend, dass ein Fall notwendiger Beiladung
im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO vorliege. Auch die Voraussetzungen einer einfachen
Beiladung auf der Grundlage des § 65 Abs. 1 VwGO sind nicht erfüllt.
Der Zweck der Beiladung ist es, Dritte, die nicht zum Kreis der Hauptbeteiligten ge-
hören, deren rechtliche Interessen aber durch die gerichtliche Entscheidung unmit-
telbar berührt werden können, am Verfahren zu beteiligen, damit sie die Möglichkeit
erhalten, sich mit ihrem Rechtsstandpunkt Gehör zu verschaffen. Ferner soll da-
durch, dass die Rechtskraftwirkungen der Entscheidung auch ihnen gegenüber ein-
treten, aus Gründen der Prozessökonomie etwaigen weiteren Rechtsstreitigkeiten
vorgebeugt werden. Ein rechtliches Interesse, das eine Beiladung zu rechtfertigen
geeignet sein kann, ist gegeben, wenn der Beizuladende zu einer der Parteien oder
zu beiden oder zum Streitgegenstand so in Beziehung steht, dass sich je nach dem
Ausgang des Rechtsstreits seine Rechtsposition verbessern oder verschlechtern
kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 1995 - BVerwG 8 B 68.95 - Buchholz
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310 § 65 VwGO Nr. 119 und vom 19. November 1998 - BVerwG 11 A 50.97 -
NVwZ-RR 1999, 276). An diesem Merkmal fehlt es hier. Die Entscheidung über den
Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflugha-
fens Berlin-Schönefeld wirkt sich als solche für die Antragsteller rechtlich weder vor-
teilhaft noch nachteilig aus.
Die Antragsteller wohnen weitab vom Standort Schönefeld im Umfeld des Flughafens
Berlin-Tegel. Sie machen selbst nicht geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss
vom 13. August 2004 für sie Belastungen mit sich bringt. Beeinträchtigt werden sie
vielmehr durch den Flugbetrieb, der auf dem Flughafen Berlin-Tegel stattfindet. Der
Wegfall oder der Fortbestand der von ihnen beklagten Lärmbelästigungen steht indes
in keinem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der Bestätigung oder der
Aufhebung des zum Ausbau des Flughafens Schönefeld ergangenen Plan-
feststellungsbeschlusses, der den Gegenstand der Verfahren bildet, zu denen sie
ihre Beiladung begehren. Die Wirksamkeit dieses Planfeststellungsbeschlusses
hängt nicht zwangsläufig vom weiteren rechtlichen Schicksal des Flughafens Tegel
ab. Das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg
geht zwar davon aus, dass dieser Flughafen geschlossen wird, sobald der ausge-
baute Flughafen Schönefeld dem Flugbetrieb zur Verfügung steht. Es sieht indes
davon ab, beide Vorgänge unmittelbar aufeinander abzustimmen oder gar in Form
eines rechtlichen Automatismus miteinander zu verbinden. Vielmehr bringt es zum
Ausdruck, an seinem Planungskonzept selbst dann festhalten zu wollen, wenn das
Vorhaben, den Flughafen Tegel zu schließen, aus welchen Gründen immer, auf
Schwierigkeiten stoßen oder im äußersten Falle auch scheitern sollte (PFB S. 337).
Die von den Antragstellern herausgestrichene rechtliche Verknüpfung zwischen den
beiden Maßnahmen ist nicht eine Folge von Regelungen, die das Ministerium für
Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg im Planfeststellungsbe-
schluss vom 13. August 2004 getroffen hat. Sie beruht vielmehr ausschließlich auf
Maßgaben der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Bescheid vom
29. Juli 2004 über den Widerruf der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Tegel.
Danach wird der Widerruf "mit Ablauf von sechs Monaten wirksam, nachdem die
Verlängerung der künftigen Start- und Landebahn 07L/25 R (Nord- und heutigen
Südbahn) auf 3 600 m Länge und der Neubau der künftigen Start- und Landebahn
07R/25 L (Südbahn) des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld (SXF) mit einer Län-
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ge von mindestens 4 000 m funktionsfähig in Betrieb genommen worden ist". Hier-
durch wird den Lärmschutzinteressen der Anwohner des Flughafens Tegel Rech-
nung getragen. Der Rechtsstreit über den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau
des Flughafens Schönefeld bietet keine geeignete Grundlage dafür, als zusätzliche
Plattform für diese Interessenwahrnehmung dienstbar gemacht zu werden.
Ohne Erfolg heben die Antragsteller darauf ab, dass ihre Beiladung keine unabseh-
baren Weiterungen befürchten lasse. Ihr 16 Personen umfassender Kreis mag für
sich genommen überschaubar genug sein, um zu verhindern, dass sich die ohnehin
schon hohe Zahl an Verfahrensbeteiligten spürbar erhöht. Was ihnen gewährt würde,
könnte anderen Anwohnern des Flughafens Tegel indes schwerlich verwehrt werden.
Auch die Ankündigung, nur zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Ausbaus des
Flughafens Schönefeld Stellung nehmen zu wollen, Einzelheiten der Ausgestaltung
des Vorhabens dagegen unerörtert zu lassen, hat bei der Beurteilung der Beila-
dungsvoraussetzungen außer Betracht zu bleiben. Eine auf bestimmte Streitpunkte
beschränkte Beiladung ist unzulässig. Wird ein Dritter beigeladen, so kann er nicht
daran gehindert werden, sich zu allen aus seiner Sicht relevanten Rechtsfragen zu
äußern.
Dr. Paetow Halama Prof. Dr. Rojahn