Urteil des BVerwG vom 26.04.2006

Aufschiebende Wirkung, Anfechtungsklage, Vorrang, Wasser

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 VR 1005.06
In den Verwaltungsstreitsachen
BVerwG 4 VR 1005.06 (4 A 1053.04)
BVerwG 4 VR 1006.06 (4 A 1055.04)
BVerwG 4 VR 1007.06 (4 A 1058.04)
BVerwG 4 VR 1008.06 (4 A 1060.04)
BVerwG 4 VR 1009.06 (4 A 1062.04)
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BVerwG 4 VR 1010.06 (4 A 1065.04)
BVerwG 4 VR 1011.06 (4 A 1071.04)
BVerwG 4 VR 1012.06 (4 A 1068.04)
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Halama und Prof. Dr. Rojahn
beschlossen:
Die Verfahren BVerwG 4 VR 1005.06, 1006.06, 1007.06,
1008.06, 1009.06, 1010.06, 1011.06 und 1012.06 werden
zu gemeinsamer Entscheidung verbunden und unter dem
Aktenzeichen BVerwG 4 VR 1005.06 fortgeführt.
Der Beschluss vom 19. April 2005 - BVerwG 4 VR 1011
bis 1028.04 - wird geändert, soweit der Senat darin die
aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragstellerinnen
gegen den Planfeststellungsbeschluss des Ministeriums
für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes
Brandenburg vom 13. August 2004 angeordnet hat. Die
Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes wer-
den in vollem Umfang abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen jeweils ein Achtel der Kos-
ten des Änderungsverfahrens einschließlich der außerge-
richtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Ände-
rungsverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
Die Anträge des Antragsgegners und der Beigeladenen, den Senatsbeschluss
vom 19. April 2005 zu ändern, sind nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO statthaft
und auch sonst zulässig. Hat das Gericht der Hauptsache im Verfahren nach
§ 80 Abs. 5 VwGO eine Entscheidung getroffen, so kann jeder Beteiligte die
Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfah-
ren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Die Anträge sind begründet. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Se-
natsbeschlusses vom 19. April 2005 liegen vor. Veränderte Umstände recht-
fertigen es nicht länger, an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
Klagen der Antragstellerinnen festzuhalten.
Der Senat hat sich nach dem seinerzeitigen Erkenntnisstand außerstande ge-
sehen, eine Prognose über den Prozessausgang anzustellen. Unter Hinweis
darauf, dass im Hauptsacheverfahren eine Vielzahl zum Teil schwieriger Tat-
sachen- und Rechtsfragen unter Einschluss insbesondere der Standort- und
der Immissionsschutzproblematik sowie der raumordnungsrechtlichen Vorga-
ben und der Anforderungen des Natur-, des Wasser- und des Bodenschutz-
rechts zu klären sei, hat er die Frage, ob die Anfechtungsklage Erfolg haben
werde, als offen bezeichnet und in dieser Situation der Ungewissheit im Wege
einer Interessenabwägung dem Aufschubinteresse der Antragstellerinnen
nach Maßgabe des Tenors der Entscheidung vom 19. April 2005 den Vorrang
vor dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners und der Beigeladenen einge-
räumt.
Für eine solche Interessenbewertung ist kein Raum mehr. Die Beurteilungs-
grundlagen haben sich verändert. In den nach § 93a VwGO ausgewählten
Musterverfahren liegen inzwischen Hauptsacheentscheidungen vor. Wie aus
den Urteilen vom 16. März 2006 in den Verwaltungsstreitsachen BVerwG 4 A
1001.04, 4 A 1073.04, 4 A 1075.04 und 4 A 1078.04 zu ersehen ist, geht der
Senat davon aus, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004
zwar punktuell nachbesserungsbedürftig ist, aber weder unter spezifisch pla-
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nungsrechtlichen Gesichtspunkten noch unter den sonst rechtlich relevanten
Aspekten Mängel aufweist, die so schwer wiegen, dass sie nicht im Wege der
Planergänzung behoben werden können, sondern zu einer Planaufhebung
nötigen.
Nach dem bisherigen Vorbringen der Antragstellerinnen sind keine Anhalts-
punkte dafür vorhanden, dass in den ausgesetzten Verfahren Tatsachen- und
Rechtsfragen von Bedeutung sind, die in den Musterverfahren keine Rolle ge-
spielt haben und die es, anders als in den mit Urteilen vom 16. März 2006 ab-
geschlossenen Fällen, rechtfertigen, den angefochtenen Planfeststellungsbe-
schluss in vollem Umfang aufzuheben. Die von den Klägerinnen in ihren Kla-
gebegründungen hervorgehobene besondere Rechtsstellung als Kirchenge-
meinde mag allenfalls für Planergänzungsansprüche von Bedeutung sein kön-
nen, nicht aber für den mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf Aufhe-
bung des Planfeststellungsbeschlusses. Sollten derzeit nicht ersichtliche Um-
stände im weiteren Gang des Verfahrens zutage treten, so kann ihnen gege-
benenfalls in dem durch § 80 Abs. 7 VwGO abgesteckten Rahmen Rechnung
getragen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 1 VwGO
i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Eine weitere Erhebung von Gerichtskosten erfolgt
aufgrund Vorbemerkung 5.2. Abs. 2 Satz 2 KV des GKG nicht. Die Streitwert-
festsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Dr. Paetow
Halama
Prof. Dr. Rojahn
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