Urteil des BVerwG vom 27.10.2011

Typenzwang, Bebauungsplan, Umdeutung, Wohnhaus

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 CN 7.10
OVG 1 KN 129/07
Verkündet
am 27. Oktober 2011
Renner
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Jannasch,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
für Recht erkannt:
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 8. September 2010 wird geändert.
Der Bebauungsplan „Sprötze-Lohbergen“ der Antrags-
gegnerin ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des Bebauungsplans „Sprötze-
Lohbergen“ der Antragsgegnerin vom 26. April 2005.
Das Plangebiet umfasst ein ca. 115 ha großes Waldgebiet, in dem im Verlauf
vergangener Jahrzehnte eine regellose Bebauung entstanden ist. Zu Beginn
der Planung war es mit etwa 200 überwiegend nicht genehmigten Wohnhäu-
sern, Wochenendhäusern und sonstigen Anlagen verschiedener Größen und
verschiedenen Alters bebaut. Der Plan verfolgt das Ziel, dem Gebiet den ange-
nommenen Außenbereichscharakter zu nehmen und den darin „oft schon seit
vielen Jahrzehnten lebenden Menschen Rechtssicherheit zu geben“, gleichzei-
tig aber auch den Charakter des Gebiets als „Waldsiedlung“ zu erhalten. Er
enthält folgende textliche Festsetzungen:
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Art der Bodennutzung
§ 1 Als Art der Bodennutzung auf den in § 2 der textlichen Festsetzungen
angeführten Grundstücken wird „Wald“ festgesetzt.
(§ 9 Abs. 1 Nr. 18 b BauGB)
Art und Maß der baulichen Nutzung
§ 2 Auf den in der Tabelle angeführten Flurstücken sind folgende bauliche
Anlagen zulässig:
1.) ein Hauptgebäude mit der in der Tabelle angegebenen Nutzung
(Wohnhaus oder Wochenendhaus) und der angegebenen zulässigen
Grundfläche. Das Gebäude ist nur auf dem mit einer Nummer festgesetz-
ten Standort und unter Einschluss des bereits vorhandenen Gebäudes
zulässig.
2.) ein Nebengebäude ohne Aufenthaltsräume mit der angegebenen zu-
lässigen Grundfläche.
(§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 21 BauNVO)
In der Tabelle sind, geordnet nach Flurstücken, ergänzend nach Straße und
Hausnummer, für jedes Flurstück die zulässigen Grundflächen für das Haupt-
und das Nebengebäude einzeln angegeben. Die §§ 3 ff. des Bebauungsplans
enthalten flankierende Regelungen zu den §§ 1 und 2.
Der Antragsteller ist Miteigentümer des Grundstücks D., auf dem nach dem Be-
bauungsplan ein Wohnhaus mit einer Grundfläche von 90 m² und ein Nebenge-
bäude mit einer Grundfläche von 35 m² zulässig sind. Tatsächlich bebaut ist
das Grundstück u.a. mit einem Wohnhaus mit einer Grundfläche von 260 m².
Eine Baugenehmigung für das Wohnhaus hat der Antragsteller nicht.
Dem Normenkontrollantrag des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht
teilweise stattgegeben und mehrere Festsetzungen des Bebauungsplans für
unwirksam erklärt. Die §§ 1 und 2 hat die Vorinstanz dagegen für wirksam er-
achtet und den Normenkontrollantrag insoweit abgelehnt. Sie hat der Antrags-
gegnerin bescheinigt, das Plangebiet in § 1 wirksam als Waldgebiet ausgewie-
sen zu haben, und auch die Kombination mit der Zulassung baulicher Anlagen
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in § 2 nicht beanstandet. In der Kombination liege kein Verstoß gegen den pla-
nungsrechtlichen Typenzwang. Allerdings werde durch § 9 BauGB und die Vor-
schriften der Baunutzungsverordnung der festsetzungsfähige Inhalt eines Be-
bauungsplans abschließend geregelt. Weiche die Gemeinde bei der Aufstellung
von Bebauungsplänen von diesen Vorgaben ab, so sei die von diesem Fehler
betroffene Festsetzung wegen Verstoßes gegen den bauplanungsrechtlichen
Typenzwang nichtig. Für die Festsetzung von Baugebieten nach den §§ 2 bis 9
BauNVO weiche § 1 Abs. 10 BauNVO den Typenzwang indes auf, soweit da-
durch in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und
sonstige Anlagen unzulässig würden („Fremdkörperfestsetzung“). Die hier ge-
wählten textlichen Festsetzungen verwendeten praktisch diese Festsetzungs-
technik, wenn auch außerhalb der Ermächtigungsgrundlage. Das sei nicht von
vornherein schädlich, weil die Baunutzungsverordnung selbst nur einen be-
schränkten Regelungsbereich habe. Zu Festsetzungsarten wie derjenigen nach
§ 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB äußere sich die Baunutzungsverordnung
nicht. Das erlaube die Annahme, dass das Bestehen einer bestimmten Rege-
lung für Baugebiete nicht notwendig eine mehr oder weniger vergleichbare Mo-
difikation sonstiger Festsetzungsarten von vornherein ausschließe. Hier sei die-
se Modifikation noch nicht so gravierend, dass sie im Hinblick auf den Typen-
zwang zu beanstanden wäre. Auch bei einer „schlichten“ Waldfestsetzung blie-
be ebenso wie sonst im Außenbereich weitere Bebauung möglich, nämlich
durch nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Vorhaben sowie durch Vorhaben
nach § 35 Abs. 4 Nr. 2, 3 oder 5 BauGB. Die textliche Festsetzung des § 2 bilde
dies im Ansatz nach, allerdings mit der für § 1 Abs. 10 BauNVO eigentümlichen
Besonderheit, dass es sich um anlagenbezogene Festsetzungen im Sinne einer
Einzelfallregelung handele, bei der der an sich abstrakte Normencharakter des
Bebauungsplans verlassen werde und sich die Festsetzungen konkret auf be-
stimmte vorhandene Nutzungen bezögen. Sie beziehe ausdrücklich auch be-
standsuntersuchte „Schwarzbauten“ mit ein. Das höhle die Waldfestsetzung
aber noch nicht in einem Maße aus, dass ein Verstoß gegen den Typenzwang
angenommen werden müsste. Gerade die teilweise Schaffung maßvoller Erwei-
terungsmöglichkeiten komme einer größeren Zahl von Grundstückseigentümern
oder Pächtern zugute, die die eigentumsrechtliche Schutzwirkung des Typen-
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zwangs in ihr Gegenteil verkehren würde, wollte man ihretwegen die Festset-
zung für unwirksam halten.
Gegen das Normenkontrollurteil hat der Antragsteller die vom Oberverwal-
tungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er wendet sich hauptsächlich ge-
gen die textliche Festsetzung in § 2. Die Antragsgegnerin verteidigt das Nor-
menkontrollurteil.
II
Die Revision ist begründet. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die
textlichen Festsetzungen in § 2 des Bebauungsplans seien wirksam, verstößt
gegen Bundesrecht (1.). Die Unwirksamkeit des § 2 führt zur Unwirksamkeit
des gesamten Plans (2.). Eine Umdeutung in einen wirksamen Plan ist nicht
möglich (3.).
1. Die Gemeinde bestimmt durch den Bebauungsplan Inhalt und Schranken des
im Planbereich gelegenen Grundeigentums. Hierfür bedarf sie gemäß Art. 14
Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Sie ist in § 9 BauGB und den
ergänzenden Vorschriften der nach § 9a BauGB (und den ihm entsprechenden
früheren Regelungen) erlassenen Baunutzungsverordnung enthalten. Durch sie
wird der festsetzungsfähige Inhalt eines Bebauungsplans abschließend geregelt
(Beschlüsse vom 15. August 1991 - BVerwG 4 N 1.89 - Buchholz 406.12 § 1
BauNVO Nr. 14, vom 25. August 1997 - BVerwG 4 BN 4.97 - Buchholz 406.11
§ 1 BauGB Nr. 94 und vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 4 NB 4.97 - BRS 60
Nr. 20).
Auch das Oberverwaltungsgericht hat diesen rechtlichen Ansatz gewählt. Eine
Rechtsgrundlage, auf die die Festsetzung in § 2 des Bebauungsplans zurück-
geführt werden kann, hat das Gericht jedoch nicht benannt. Es gibt sie auch
nicht.
Auf § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB, der Rechtsgrundlage für § 1 des Be-
bauungsplans, lässt sich § 2 nicht stützen. § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB
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nimmt mit dem Begriff „Wald“ Bezug auf die Begriffsbestimmung in § 2 Bun-
deswaldgesetz (BWaldG) (BRDrucks 575/85 S. 68 zu Doppelbuchstabe dd
; Bracher, in: Bracher/Gelzer/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl.
2004, Rn. 310). § 2 Abs. 1 Satz 1 BWaldG definiert als Wald jede mit Forst-
pflanzen bestockte Grundfläche. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG gelten als
Wald auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Wald-
einteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen,
Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene
und ihm dienende Flächen. Da die Art der baulichen Nutzung nicht nur durch
die Festsetzung von Baugebieten im Sinne des § 1 Abs. 2 BauNVO, sondern
auch durch Festsetzungen aufgrund einzelner Tatbestände des § 9 Abs. 1
BauGB bestimmt werden kann (Beschlüsse vom 23. Dezember 1997 - BVerwG
4 BN 23.97 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 86 und vom 10. Oktober 2005
- BVerwG 4 B 56.05 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 102), dürfen gemäß § 9
Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB in einem Waldgebiet auch Flächen für bauliche
Nutzungen festgesetzt werden, die im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG mit
dem Wald verbunden sind und ihm dienen. Die Festsetzung von Flächen für
eine Bebauung, die mit der Zweckbestimmung „Wald“ nicht übereinstimmt, ist
dagegen von § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB nicht gedeckt (Gaentzsch, in:
Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Mai 2011, § 9 Rn. 47). Für die Auswei-
sung von Wald gilt insoweit nichts anderes als für die Ausweisung von Flächen
für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a BauGB, die dazu dient,
die Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung zu sichern und damit zugleich
landwirtschaftsfremde Nutzungen auszuschließen (Beschluss vom 17. Dezem-
ber 1998 a.a.O.).
Die Festsetzung von Flächen für Wohnbebauung ist mit der Zweckbestimmung
„Wald“ unvereinbar. Gleiches gilt für Wochenendhäuser, auch wenn der Wald
nach § 1 BWaldG neben der Nutzfunktion für die Forstwirtschaft und der
Schutzfunktion für verschiedene Naturgüter auch Erholungsfunktion für die Be-
völkerung hat (vgl. § 1 Nr. 1 BWaldG). Wochenendhäuser dienen nicht dem
Erholungsinteresse der Allgemeinheit, sondern den individuellen Erholungs-
wünschen ihrer Nutzer.
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§ 1 Abs. 10 BauNVO ist ebenfalls keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für
die Festsetzungen in § 2. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lässt
sich § 1 Abs. 10 BauNVO nicht mit § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB „kombi-
nieren“. Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen
vorhandener Fremdkörper dürfen nach § 1 Abs. 10 BauNVO im Bebauungsplan
zugelassen werden, wenn sie bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2
bis 9 BauNVO in überwiegend bebauten Gebieten unzulässig wären. Diese Vo-
raussetzungen erfüllt ein festgesetztes Waldgebiet schon deshalb nicht, weil es
kein Baugebiet nach den §§ 2 bis 9 BauNVO ist. Dem Oberverwaltungsgericht
ist deshalb darin beizupflichten, dass sich die Antragsgegnerin mit ihrer Fest-
setzungstechnik außerhalb der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 10
BauNVO bewegt.
Aus dem Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2005 (a.a.O.) ergibt sich
nichts Gegenteiliges. Die darin enthaltene Aussage, die Zulässigkeit von Fest-
setzungen über das Maß der baulichen Nutzung nach den §§ 16 ff. BauNVO sei
nicht auf Bebauungspläne zu beschränken, die ein Baugebiet im Sinne der
Baunutzungsverordnung ausweisen, sondern gelte auch für Bebauungspläne,
die die Art der baulichen Nutzung aufgrund einzelner Regelungen des § 9
Abs. 1 BauGB bestimmen, ist auf § 1 Abs. 10 BauNVO nicht übertragbar. Wäh-
rend sich eine Beschränkung der Vorschriften über das Maß der baulichen Nut-
zung auf Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung weder aus § 9
Abs. 1 Nr. 1 BauGB noch aus den §§ 16 ff. BauNVO herleiten lässt, ist der An-
wendungsbereich des § 1 Abs. 10 BauNVO nach dem unmissverständlichen
Wortlaut auf Baugebietsfestsetzungen nach den §§ 2 bis 9 BauNVO be-
schränkt.
Eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 10 BauNVO auf ausgewiesene Waldge-
biete scheitert bereits am Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke. Die Be-
schränkung auf Baugebiete im Sinne der §§ 2 bis 9 BauNVO entspricht dem
Willen des Verordnungsgebers. Nach seiner Einschätzung ist die Aufstellung
von Bebauungsplänen in Bestandsgebieten für die Innenentwicklung von erheb-
licher Bedeutung. Weil sich die vorhandenen Strukturen oft anders entwickelt
haben, als Baugebietsvorschriften dies im Ergebnis vorsehen (Gemengelagen),
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hat er mit § 1 Abs. 10 BauNVO eine Regelung erlassen, die es erlaubt, mit der
Festsetzung eines Baugebiets auch Festsetzungen zugunsten baulicher Nut-
zungen zu verbinden, die nach der Baugebietsvorschrift nicht vorgesehen sind
(BRDrucks 354/89 S. 24). Der Verordnungsgeber will den erweiterten Be-
standsschutz nicht auch baulichen „Fremdkörpern“ zuteil werden lassen, die in
Gebieten stehen, für die das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung
im Grundsatz keine bauliche Nutzung vorsehen. Der Senat verkennt nicht, dass
die Planung der Antragsgegnerin zur Entschärfung eines städtebaulichen Miss-
standes und zum Rechtsfrieden beigetragen haben mag. Dieser Umstand so-
wie die - unterstellt richtige - Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die Über-
planung von „Waldsiedlungen“ städtebaulich nicht befriedigend geregelt ist,
rechtfertigen es indes nicht, die Voraussetzungen zu erweitern, unter denen § 1
Abs. 10 BauNVO entsprechend angewandt werden kann.
Die Festsetzung in § 2 lässt sich schließlich nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
stützen. Art der baulichen Nutzung im Sinne der Vorschrift ist nur die allgemein-
gebietliche Nutzungsweise, wie sie in § 1 Abs. 2 BauNVO - abschließend - be-
stimmt ist (Beschluss vom 15. August 1991 - BVerwG 4 N 1.89 - Buchholz
406.12 § 1 BauNVO Nr. 14). § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ermächtigt nicht dazu, ei-
genständige Arten der baulichen Nutzung zu „erfinden“.
Zu Festsetzungen, die nicht auf § 9 BauGB oder auf die Baunutzungsverord-
nung gestützt werden können, ist die Gemeinde nicht ermächtigt (Beschluss
vom 23. Dezember 1997 a.a.O.). Diese Rechtsfolge überspielt das Oberverwal-
tungsgericht, indem es die - behauptete - Vereinbarkeit von Festsetzungen mit
dem „Typenzwang“ offensichtlich als Ersatz für die fehlende Rechtsgrundlage
ansieht. Das Gericht misst dem Typenzwang eine Bedeutung bei, die er nicht
hat. Der Typenzwang nötigt zwar nicht dazu, in den Bebauungsplänen regel-
mäßig oder vorrangig Baugebiete entsprechend den Baugebietstypen der Bau-
nutzungsverordnung festzusetzen. Er verlangt aber, dass sich die gemeindliche
Bauleitplanung des gesetzlich zur Verfügung gestellten Instrumentariums be-
dient (Beschluss vom 23. Dezember 1997 a.a.O.), und erlaubt nicht, wie dem
Oberverwaltungsgericht vorzuschweben scheint, Nutzungsarten auch ohne ge-
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setzliche Grundlage zu kombinieren, wenn sie - wie hier allerdings nicht - städ-
tebaulich miteinander verträglich sind.
2. Die Unwirksamkeit des § 2 des Bebauungsplans führt dazu, dass der Bebau-
ungsplan insgesamt unwirksam ist. Die Ausweisung des Plangebiets allein als
Wald, wie in § 1 geregelt, ohne die in § 2 zugelassene Bebauung entspricht
nicht dem Planungswillen der Antragsgegnerin, die sich das Ziel gesetzt hat, im
geregelten Umfang die Existenz von Wohn- und Wochenendhäusern rechtlich
zu sichern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Vertreter der
Antragsgegnerin nochmals hervorgehoben, dass es ihr darum gehe, die An-
wohner, die zum Teil schon mehrere Jahrzehnte im Plangebiet leben, „aus der
Illegalität zu holen“. Ohne Regelung zum Bestandsschutz vorhandener bauli-
cher Anlagen, die auch „Schwarzbauten“ erfasst, ist der Planung der Antrags-
gegnerin die Grundlage entzogen.
3. Die von der Antragsgegnerin zur Diskussion gestellte Umdeutung der §§ 1
und 2 des Bebauungsplans in ein Sondergebiet nach § 11 BauNVO scheidet
aus. Ob Bebauungspläne, die als Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB) Rechts-
normen sind, überhaupt der Umdeutung zugänglich sind, kann offenbleiben.
Denn die Umdeutung scheitert hier jedenfalls daran, dass sie dem Planungswil-
len der Antragsgegnerin widerspräche. Die Antragsgegnerin hat im Revisions-
verfahren sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung vortra-
gen lassen, dass die Festsetzung eines Baugebiets - und um ein solches han-
delt es sich bei einem Sondergebiet (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 10 BauNVO) - nicht be-
absichtigt sei. Sie wolle nicht im Wege der Angebotsplanung die Möglichkeit
eröffnen, das Plangebiet mit zusätzlichen Wohn- und Wochenendhäusern zu
bebauen. Vielmehr solle die vorhandene Bebauung nur festgeschrieben und
gesichert und eine weitere Bebauung verhindert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Jannasch
Dr. Philipp
Petz
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 40 000 €
festgesetzt.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Jannasch
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Bauplanungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
BauGB
§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b
BauNVO
§ 1 Abs. 10, § 11 Abs. 1
BWaldG
§ 1, § 2
Stichworte:
Waldsiedlung; Wohnnutzung; Wochenendhausnutzung; Überplanung; Festset-
zung „Wald“; Baubestand; Sicherung des ~s; Fremdkörperfestsetzung; Sonder-
gebiet; Umdeutung.
Leitsatz:
Auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB können in einem
ausgewiesenen Waldgebiet nur Flächen für bauliche Nutzungen festgesetzt
werden, die mit den Funktionen des Waldes (Nutz-, Schutz-, Erholungsfunktion)
verbunden sind und ihnen dienen. Wohn- und Wochenendhausnutzungen erfül-
len diese Voraussetzungen nicht. Sie können auch nicht nach § 1 Abs. 10
BauNVO (direkt oder analog) zugelassen werden.
Urteil des 4. Senats vom 27. Oktober 2011 - BVerwG 4 CN 7.10
I. OVG Lüneburg vom 08.09.2010 - Az.: OVG 1 KN 129/07 -