Urteil des BVerwG vom 16.04.2015

Raumordnung, Satzung, Bindungswirkung, Landwirtschaft

BVerwGE: ja
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Recht der Raumordnung
Rechtsquelle/n:
VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 2, § 42
ROG 1998 § 7 Abs. 7 Satz 2
Stichworte:
Antragsbefugnis; Regionalplan; Raumordnung; Grundsätze; Zielfestlegung;
Raumordnungsklausel; Bindungswirkung; Vorwirkung; Grundstückseigentümer;
Außenbereich.
Leitsatz:
Zur Begründung der Antragsbefugnis eines Antragstellers gemäß § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO genügt es, dass seine Grundstücke im räumlichen
Geltungsbereich einer Zielfestlegung mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 2
Halbs. 1 BauGB liegen.
Urteil des 4. Senats vom 16. April 2015 - BVerwG 4 CN 6.14
I. VGH Mannheim vom 12. Dezember 2013
Az: VGH 8 S 3024/11
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 CN 6.14
VGH 8 S 3024/11
Verkündet
am 16. April 2015
Salli-Jarosch
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz, Dr. Decker und Dr. Külpmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
12. Dezember 2013 aufgehoben, soweit es den Antrag
abgelehnt hat, den Plansatz 3.1.1 (Z) in Verbindung mit
der Raumnutzungskarte des Regionalplans des Verban-
des Region Stuttgart vom 22. Juli 2009 für die Flächen der
Flurstücke 2835 und 2837 der Gemarkung Alfdorf für un-
wirksam zu erklären. Insoweit wird die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsge-
richtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller ist Eigentümer von Grundstücken im bauplanungsrechtlichen
Außenbereich. Seine Normenkontrolle wendet sich gegen den als Satzung er-
lassenen Regionalplan des Antragsgegners, soweit seine Grundstücke in Vor-
behaltsgebiete für die Landwirtschaft (Plansatz 3.2.2 ) und für Landschafts-
entwicklung (Plansatz 3.2.4 ) sowie in Vorranggebiete für den Regionalen
Grünzug Abschnitt G 20 (Plansatz 3.1.1 ) einbezogen worden sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag wegen fehlender
Antragsbefugnis als unzulässig abgewiesen. Die angegriffenen regionalplaneri-
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schen Festlegungen könnten sich nicht unmittelbar belastend auf Rechte des
Antragstellers auswirken. Sie entfalteten auch keine Bindungswirkung, die ge-
eignet sein könne, Eingriffe in subjektive Rechte des Antragstellers bereits jetzt
zu determinieren. Es sei ausgeschlossen, dass der Antragsteller durch die Fest-
legung von Vorbehaltsgebieten für die Landwirtschaft und Landschaftsentwick-
lung - als Grundsätze der Raumordnung - in eigenen Rechten verletzt sein kön-
ne. Denn die Festlegung raumordnungsrechtlicher Grundsätze wirke nicht un-
mittelbar auf das Grundeigentum ein und führe bei keiner das Grundeigentum
betreffenden Entscheidung zu einer Vorabbindung. Eine mögliche Rechtsver-
letzung durch die Einbeziehung seiner Flurstücke in die Zielfestlegung „Regio-
naler Grünzug“ habe der Antragsteller nicht dargelegt. Zur Darlegung der An-
tragsbefugnis müsse ein Antragsteller geltend machen können, dass er in ab-
sehbarer Zukunft ein raumbedeutsames Vorhaben beabsichtige, das dem fest-
gelegten Ziel der Raumordnung widerspreche. Allein aus der Festlegung von
Zielen der Raumordnung und der damit verbunden Eröffnung des Regelungs-
bereichs der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB könne ein
Planbetroffener eine mögliche Verletzung in eigenen Rechten und damit seine
Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht ableiten.
II
Die Revision des Antragstellers ist begründet, soweit er sich gegen die Festset-
zung des Ziels der Raumordnung "Regionaler Grünzug Abschnitt G 20" für sei-
ne Grundstücke wendet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Reichweite der
Bindungswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB verkannt und damit
unter Verletzung von Bundesrecht die Anforderungen an die Darlegung der An-
tragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt. Insoweit ist die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
1. Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4
AGVwGO BW statthaft. Der vom Antragsteller angegriffene Regionalplan ist
nach § 12 Abs. 10 LplG BW als Satzung festgestellt worden. Seine Festlegun-
gen - Grundsätze und Ziele der Raumordnung - sind damit Rechtsvorschriften
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im formellen Sinn. Das genügt, um die Statthaftigkeit einer Normenkontrolle
gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, die landesrechtlich gemäß § 4 AGVwGO BW
eröffnet ist, zu begründen. Denn zu den von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erfassten
Rechtsvorschriften gehören "zweifelsfrei Satzungen und Rechtsverordnungen"
(BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 - 4 CN 6.03 - BVerwGE 119, 217
<220>). Ziele der Raumordnung sind darüber hinaus auch nach ihrem materiell-
rechtlichen Gehalt eine Rechtsvorschrift. Dass nicht förmlich als Rechtsverord-
nung oder Satzung beschlossene Grundsätze der Raumordnung keine Rechts-
vorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sind, ist angesichts der hier
vorliegenden förmlichen Festsetzung durch Satzung ohne Bedeutung (BVerwG,
Beschluss vom 15. Juni 2009 - 4 BN 10.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 176
Rn. 8).
2. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die An-
tragsbefugnis des Antragstellers verneint, soweit dieser sich gegen Grundsätze
der Raumordnung wendet, die für seine Grundstücke Vorbehaltsgebiete für die
Landwirtschaft (Plansatz 3.2.2 ) und Landschaftsentwicklung (Plansatz
3.2.4 ) ausweisen. Es ist von vornherein ausgeschlossen, dass diese Aus-
weisung Rechte des Antragstellers verletzt.
Grundsätze der Raumordnung enthalten Vorgaben für nachfolgende Abwä-
gungs- oder Ermessensentscheidungen (§ 3 Nr. 3 ROG 1998/§ 3 Abs. 1 Nr. 3
ROG 2008). Sie sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in der
Abwägung oder bei der Ermessensausübung nach Maßgabe der dafür gelten-
den Vorschriften zu "berücksichtigen" (§ 4 Abs. 2 ROG 1998/§ 4 Abs. 1 Satz 1
Halbs. 2 ROG 2008). Dies gilt auch für Vorbehaltsgebiete. Gemäß § 7 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 ROG 1998/§ 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 ROG 2008 sind Vorbehaltsge-
biete Gebiete, in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nut-
zungen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen
besonderes Gewicht beigemessen werden soll oder beizumessen ist. Der Ge-
setzgeber ordnet Vorbehaltsgebiete den Grundsätzen und nicht den Zielen der
Raumordnung zu (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2009 - 4 BN 10.09 - Buch-
holz 310 § 47 VwGO Nr. 176 Rn. 9). Vorbehaltsgebiete wirken als Gewich-
tungsvorgaben auf nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen
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ein und dürfen - anders als Ziele der Raumordnung - durch öffentliche oder pri-
vate Belange von höherem Gewicht überwunden werden (BVerwG, Urteil vom
13. März 2003 - 4 C 4.02 - BVerwGE 118, 33 <47 f.>). Die in der Festlegung
eines Vorbehaltsgebiets enthaltene Vorgabe, den im Raumordnungsplan be-
stimmten Funktionen oder Nutzungen bei der Abwägung ein besonderes Ge-
wicht beizumessen, ist zwar geeignet, die gemeindliche Planungshoheit einzu-
schränken; das gilt in geringerem Ausmaß auch für sonstige Grundsätze der
Raumordnung. Sie sind - wie bereits dargelegt - bei nachfolgenden Abwä-
gungsentscheidungen jedenfalls zu berücksichtigen. Auch dies ist eine Rechts-
pflicht; sie erweitert die in die Abwägung einzustellenden Belange. Ob der
raumbedeutsamen Funktion oder Nutzung in einem Vorbehaltsgebiet der Vor-
rang gegenüber anderen Belangen zukommt, hängt von der konkreten Pla-
nungssituation ab. Das gilt ebenso für die Frage der Gewichtung, die sich nicht
abstrakt im Voraus bestimmen lässt. Der Antragsteller kann daher nicht geltend
machen, bereits durch die Festlegung der Grundsätze im Sinne von § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt zu werden. Dass die Grundsätze der
Raumordnung in künftigen Entscheidungen zu berücksichtigen sind, ist auch
keine Anwendung dieser Grundsätze im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgegangen.
Der Antragsteller wird hierdurch nicht rechtsschutzlos gestellt, da ihm die Mög-
lichkeit einer inzidenten Kontrolle verbleibt. Wird das besondere Gewicht der im
Raumordnungsplan bestimmten Funktion oder Nutzung bei der Entscheidung
über die Zulassung eines Vorhabens berücksichtigt, kann im Rahmen der ge-
richtlichen Überprüfung der Zulassungsentscheidung als Vorfrage geprüft wer-
den, ob die Festlegung des Vorbehaltsgebiets wirksam ist. Gleiches gilt, wenn
über die Wirksamkeit eines Bebauungsplans mit Blick auf Vorgaben in Form
eines Vorbehaltsgebiets zu entscheiden ist.
3. Nicht in Einklang mit Bundesrecht steht dagegen die Annahme des Verwal-
tungsgerichtshofs, der Antragsteller habe eine mögliche Rechtsverletzung im
Hinblick auf die Einbeziehung seiner Grundstücke in die Zielfestlegung "Regio-
naler Grünzug" nicht in einer die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO begründenden Weise geltend gemacht.
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Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungsobliegenheit nach § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest
als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Regelung in ei-
nem Recht verletzt wird (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN
2.98 - BVerwGE 107, 215 <217>). Vorliegend ist eine Verletzung des durch
Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums jedenfalls möglich für die Grundstü-
cke, für welche der Regionalplan als Ziel der Raumordnung den Regionalen
Grünzug ausweist. Denn mit dieser Zielfestlegung gestaltet der Regionalplan
unmittelbar Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1
Satz 2 GG.
Nach § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben
Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Nach der im Schrifttum mittler-
weile vorherrschenden Meinung (Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, 12. Aufl. 2014, § 35 Rn. 106; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl.
2015, § 35 Rn. 156 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 35
Rn. 242; Hendler, NuR 2004, 485 <488>) hat sich diese Vorschrift zu einer ech-
ten Raumordnungsklausel entwickelt, welche den raumordnungsrechtlichen
Zielfestlegungen nach dem Raumordnungsgesetz 1998 strikte Verbindlichkeit
verleiht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 19. Juli 2001 - 4 C 4.00 -
(BVerwGE 115, 17 <29 f.>) dem § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BauGB 1987 noch
keine eindeutige Abkehr von dem zu § 35 BBauG entwickelten Regime der
"nachvollziehenden Abwägung" entnommen, aber die Rechtslage in Hinblick
auf das hier nach § 28 Abs. 1 ROG 2008 maßgebliche Raumordnungsgesetz
1998 bereits offen gelassen.
Die Auslegung des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB bestätigt, dass sich die Norm zu
einer echten Raumordnungsklausel entwickelt hat, die nachfolgende Planungs-
träger bindet. Während mit der Regelung in § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BauGB
1987 noch keine eindeutige Abkehr von dem zu § 35 BBauG entwickelten Re-
gime der "nachvollziehenden Abwägung" zu erkennen war, hat der Gesetzge-
ber mit der Neufassung des Raumordnungsgesetzes 1998 eine Bindungswir-
kung der raumordnungsrechtlichen Zielfestlegung geschaffen. Schon der Wort-
laut des § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB streitet dafür, dass kein Raum für
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eine nachvollziehende Abwägung mit den Zielen der Raumordnung besteht,
soweit Ziele der Raumordnung nach dem Raumordnungsgesetz 1998 festge-
setzt worden sind. Mit der Anordnung, nunmehr auch private Belange bei der
Zielfestlegung abzuwägen (§ 7 Abs. 7 Satz 2 ROG 1998) und die Öffentlichkeit
zu beteiligen (§ 7 Abs. 6 Satz 1 ROG 1998), stehen auch die rechtlichen Be-
denken des Senats aus seinem Urteil vom 19. Juli 2001 - 4 C 4.00 - (BVerwG
115, 17 <29 f.>) einem solchen Verständnis nicht mehr entgegen. Mit der Fest-
setzung eines Ziels der Raumordnung wird bewirkt, dass der Bau eines raum-
bedeutsamen Vorhabens, das im Widerspruch zu diesem Ziel steht, unzulässig
ist (§ 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB). Eine nachvollziehende Abwägung
scheidet aus. Ob daneben bereits die Beachtenspflicht des § 4 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 ROG 1998/§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG 2008 geeignet sein könnte, die
Antragsbefugnis zu begründen, bedarf keiner Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteil
vom 20. November 2003 - 4 CN 6.03 - BVerwGE 119, 217 <223>).
Die Festlegung eines Ziels der Raumordnung nach dem Raumordnungsgesetz
1998 beschränkt damit für ein Grundstück im Außenbereich die generell mit ihm
verbundenen Nutzungsbefugnisse und wirkt als Inhalts- und Schrankenbestim-
mung des Eigentums (vgl. auch Kment, NVwZ 2003, 1047 <1049>; für den Be-
bauungsplan BVerwG, Urteil vom 27. August 2009 - 4 CN 5.08 - BVerwGE 134,
355 Rn. 13 m.w.N.).
Dass § 35 BauGB nur in beschränktem Umfang Nutzungsmöglichkeiten eröff-
net, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Allerdings sind Vorhaben im Au-
ßenbereich nicht ohne Weiteres zulässig, sondern stehen unter dem Vorbehalt
der Nichtbeeinträchtigung (§ 35 Abs. 2 BauGB) bzw. des Nicht-Entgegen-
stehens (§ 35 Abs. 1 BauGB) öffentlicher Belange. § 35 BauGB vermittelt auch
keinen Schutz gegen neu auftretende öffentliche Belange (BVerwG, Urteil vom
17. Februar 1984 - 4 C 56.79 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 211 zu § 35
Abs. 2 BauGB). Die Nutzungsmöglichkeiten des Außenbereichs weisen daher
nicht die in § 42 BauGB vorausgesetzte Qualität einer eigentumsrechtlichen
Rechtsposition auf (BVerwG, Urteil vom 11. April 2013 - 4 CN 2.12 - Buchholz
406.11 § 35 BauGB Nr. 391 Rn. 12). Dass das Eigentum an einem Außenbe-
reichsgrundstück damit schwächer ausgestaltet ist als das Eigentum an Grund-
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stücken im bauplanerischen Innenbereich, führt indes nicht dazu, dass der je-
weilige Eigentümer eine Veränderung seiner baulichen Möglichkeiten durch die
Ausweisung eines Ziels der Raumordnung nicht auf den Prüfstand stellen kann.
Welches Gewicht seiner Eigentumsposition konkret zukommt, ist vielmehr eine
Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrags.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs setzt die Antragsbefug-
nis nicht voraus, dass der betroffene Grundeigentümer darlegt, auf seinen
Grundflächen in absehbarer Zukunft raumbedeutsame Vorhaben verwirklichen
zu wollen, die im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB Zielen der
Raumordnung voraussichtlich widersprechen werden. Denn die Rechtsverlet-
zung durch eine rechtswidrige Ausgestaltung der Eigentümerbefugnisse tritt mit
der Zielfestlegung auch dann ein, wenn sie von dem jeweiligen Eigentümer zu-
nächst nicht wahrgenommen wird, weil er ein zielwidriges Vorhaben einstweilen
nicht beabsichtigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 1993 - 4 NB 38.92 -
Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 73 S. 119). Dies gilt insbesondere in Hinblick auf
die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Angesichts des Anspruchs der
Regionalplanung, deren Leitvorstellung eine nachhaltige Raumentwicklung ist,
die zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt (§ 1 Abs. 2
Satz 1 ROG 1998/§ 1 Abs. 2 ROG 2008), wäre es sachwidrig, eine Antragsbe-
fugnis nur solchen Grundeigentümern zuzuerkennen, die gerade innerhalb der
Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein raumbedeutsames Vorhaben aus-
reichend konkret in den Blick nehmen. Ein Sachgrund für eine zeitliche Diffe-
renzierung, die die Wirkung einer verkappten Präklusion hätte, ist nicht zu er-
kennen.
Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Erfordernis eines
Rechtsschutzbedürfnisses soll nur verhindern, dass Gerichte in eine Normprü-
fung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Es ist aber nicht
erforderlich, dass die begehrte Erklärung einer Norm als unwirksam unmittelbar
zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt (BVerwG, Urteil vom 23. April 2002
- 4 CN 3.01 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156 S. 87). Der Antragsteller möch-
te erkennbar verhindern, dass die Möglichkeit einer Ausweisung seiner Grund-
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stücke als Wohnbauflächen an § 1 Abs. 4 BauGB scheitert. Dies reicht aus, um
sein Rechtsschutzbedürfnis zu begründen.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Bumke
Petz
Dr. Decker
Dr. Külpmann
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 €
festgesetzt.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Bumke
Petz
Dr. Decker
Dr. Külpmann