Urteil des BVerwG vom 25.06.2014

Rechtsgrundlage, Landwirtschaft, Ausnahme, Grünfläche

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Berichtigt durch Beschluss
vom 10. September 2014
BVerwG 4 CN 4.13
Leipzig, 19. September 2014
VGH 1 N 11.1854
Renner
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Verkündet
am 25. Juni 2014
Renner
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und
Dr. Külpmann
für Recht erkannt:
Die Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Februar
2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsver-
fahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die sie jeweils selbst tragen.
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G r ü n d e :
I
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Wirksamkeit des Bebau-
ungsplans mit Grünordnung Nr. 165 der Antragsgegnerin.
Das gebäudefreie Plangebiet umfasst ca. 62 ha und besteht zu etwas mehr als
der Hälfte aus Waldfläche (Bannwald), zu etwa einem Drittel aus landwirtschaft-
licher Nutzfläche und darüber hinaus im Wesentlichen aus einem Golfübungs-
platz. Ziele des Bebauungsplans sind die bauleitplanerische Sicherung und
Konkretisierung des im Regionalplan ausgewiesenen Trenngrüns Nr. 38, die
Erhaltung und Gestaltung von attraktiven Wohnumfeldbereichen sowie die
Stärkung und Verbesserung des Plangebiets für Naherholung mit naturnahen
Freiflächen.
Durch Planzeichen werden insbesondere Flächen für „Laubmischwald“ (A.3.1)
und für die Landwirtschaft (A.3.3), eine Grün- und Sportfläche für den Golf-
übungsplatz (A.2.1) sowie zu erhaltende oder neu zu pflanzende Einzelbäume
und Hecken oder Feldgehölze (A.4.1 bis 4) festgesetzt. In textlichen Festset-
zungen wird u.a. geregelt, dass auf den Waldflächen „durch Waldumbau ein
Laubbaumanteil von mindestens 40% zu erzielen“ ist, wobei ausschließlich
standortgerechte heimische, beispielhaft genannte Baumarten zu verwenden
sind (D.4.). Auf den zeichnerisch als „Flächen für Waldrand“ (A.3.2) ausgewie-
senen Flächen ist durch Waldumbau ein Strauchgürtel mit kleineren Bäumen
und Sträuchern ausdrücklich genannter Arten zu entwickeln bzw. anzupflanzen
(D.5.). Für die zu erhaltenden oder neu zu pflanzenden Gehölze finden sich
Bepflanzungsvorgaben (D.7. bis 10.).
Auf den Normenkontrollantrag der Antragsteller, die sämtlich Eigentümer von im
Plangebiet gelegenen Grundstücken sind, hat der Verwaltungsgerichtshof den
Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Zwar entspreche er nach seiner Zielset-
zung dem Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit, wesentliche Festsetzun-
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gen litten jedoch an rechtlichen Mängeln. Die Festsetzung von „Laubmischwald“
für derzeit überwiegend aus Nadelhölzern bestehende, forstwirtschaftlich ge-
nutzte Waldflächen sei unwirksam, weil sie nicht von § 9 Abs. 1 Nr. 18
Buchst. b BauGB gedeckt sei. Diese Vorschrift ermögliche zwar Festsetzungen
für Waldflächen, nicht jedoch - wie § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB zeige - die hier
gewollte, nach Baumarten spezifizierte Steuerung des Waldaufbaus. In der
Konsequenz sei auch die Festsetzung von Waldrändern durch Planzeichen
(A.3.2) unwirksam. Die textlichen Festsetzungen D.4. und D.5. zum Waldumbau
und zur Entwicklung von Waldrändern seien als Regelungen nach § 9 Abs. 1
Nr. 20 BauGB unwirksam, weil sie keine Handlungsverpflichtungen der privaten
Grundeigentümer auslösten. Die Antragsgegnerin habe nicht aufgezeigt, dass
sie in absehbarer Zeit über die Waldflächen werde verfügen können, um dort
ihre Planung zu realisieren. Die bloße Hoffnung auf einen Gesinnungswandel
bei den zur Umsetzung nicht bereiten Grundeigentümern genüge nicht. Diese
Festsetzungen ließen sich ebenso wie die Festsetzungen zu den zu erhalten-
den oder neu anzupflanzenden Gehölzen auch nicht auf die Regelung des § 9
Abs. 1 Nr. 25 BauGB stützen, weil sie auf wie hier festgesetzte Flächen mit
landwirtschaftlicher Nutzung oder Wald keine Anwendung finde. Die Unwirk-
samkeit dieser Festsetzungen führe zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungs-
plans. Sein Hauptanliegen - die Schaffung eines ökologisch aufgewerteten
Waldbestandes und Waldrandes mit dem Ziel einer Stärkung der Naherho-
lungsfunktion - sei gescheitert, weshalb nicht davon ausgegangen werden kön-
ne, dass die Antragsgegnerin den Plan für den weniger als die Hälfte des Plan-
gebiets umfassenden Teil der landwirtschaftlichen Flächen auch ohne den un-
wirksamen Teil beschlossen hätte.
Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision der
Antragsgegnerin, der die Antragsteller entgegengetreten sind.
II
Die zulässige Revision der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das angegriffene
Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht.
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1. Die Festsetzung „Fläche für Laubmischwald“ (A.3.1) hat der Verwaltungsge-
richtshof - von den Beteiligten insoweit unwidersprochen - als Bezeichnung
einer nach Baumarten spezifizierten Art des Waldaufbaus verstanden, für die er
eine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB verneint hat. Das
ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
§ 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB ermöglicht die Festsetzung von „Wald“. Eine
Befugnis zur „Konkretisierung“ dieses Begriffs, die es rechtfertigen könnte, ihn
einzuengen und die Festsetzung auf Unterkategorien wie „Laubmischwald“ zu
begrenzen, räumt die Vorschrift dem Planungsträger entgegen der Auffassung
der Antragsgegnerin nicht ein. Hierzu bedürfte es schon im Hinblick auf die da-
mit verbundene Beschränkung von Nutzungsrechten der Grundeigentümer hin-
reichend bestimmter gesetzlicher Differenzierungen, wie sie etwa in Nr. 11 oder
Nr. 15 der Regelung enthalten sind. § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB enthält
solche Differenzierungen nicht. Sie ergeben sich auch nicht aus anderen Vor-
schriften. Eine Regelung wie § 201 BauGB, in der zur begrifflichen Klärung
Unterarten der Landwirtschaft genannt sind und aus der teilweise die Befugnis
zur Bildung entsprechender städtebaulich bedeutsamer und mithin im Bebau-
ungsplan festsetzbarer Untergruppen abgeleitet wird (Gaentzsch, in: Berliner
Kommentar zum BauGB, Stand Mai 2014, § 9 Rn. 47; ausdrücklich offengelas-
sen im Beschluss vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 4 NB 4.97 - juris Rn. 10),
existiert für die Nutzungsart „Wald“ im Baugesetzbuch nicht. Soweit den Vor-
schriften der §§ 1 und 11 ff. BWaldG in Verbindung mit landesrechtlichen Rege-
lungen (hier: insbesondere §§ 10 bis 12 BayWaldG) unterschiedliche Zweckbe-
stimmungen des Waldes als Nutz-, Schutz- oder Erholungswald zu entnehmen
sind, die, wie Nr. 12.2 der Anlage zur Planzeichenverordnung zeigt, Gegen-
stand bauplanerischer Festsetzungen sein können, lassen sich hieraus jeden-
falls keine Befugnisse zur Festsetzung bestimmter Baumarten ableiten.
Ein anderes Ergebnis widerspräche im Übrigen dem vom Verwaltungsgerichts-
hof zutreffend hervorgehobenen systematischen Zusammenhang von § 9
Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB mit Nr. 25 dieser Vorschrift, wonach u.a. für ein-
zelne Flächen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald
festgesetzten Flächen das Anpflanzen von Bäumen und Bindungen für Be-
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pflanzungen festgesetzt werden können. Die Ausnahmeregelung zugunsten der
Land- und Forstwirtschaft liefe leer, wenn der nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB
nicht regelbare Waldaufbau über Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 18
Buchst. b BauGB gesteuert werden könnte. Dass, wie die Antragsgegnerin
meint, der Festsetzung eines „Laubmischwaldes“ ein vom Regelungsbereich
des § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB noch nicht erfasster Generalisierungs- und (Un-)
Verbindlichkeitsgrad zukommt, vermag der Senat insbesondere vor dem Hin-
tergrund der in den konkretisierenden textlichen Festsetzungen enthaltenen
zwingenden qualitativen und quantitativen Vorgaben für den zu erreichenden
Laubholzanteil (D.4.) nicht zu erkennen.
Für eine in der Literatur vertretene Eingrenzung der in § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB
enthaltenen Ausnahme mit dem Ziel, solche Bepflanzungsvorgaben zuzulas-
sen, die nicht dem „Normalfall“ der Regulierung der land- oder forstwirtschaftli-
chen Nutzung der festgesetzten Flächen dienen, sondern mit denen - etwa
durch Festsetzungen mit Schutz-, Pflege- und Entwicklungszielen für Natur und
Landschaft - bestimmte städtebauliche Gründe verfolgt werden (so Gaentzsch,
in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Mai 2014, § 9 Rn. 67; vgl. auch
Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, 12. Aufl. 2014, § 9 Rn. 152), sieht
der Senat keinen Raum. Abgesehen davon, dass Bepflanzungsvorgaben wie
alle Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB stets nur aus städtebaulichen
Gründen zulässig sind, widerspräche eine solche Reduktion der Ausnahmere-
gelung dem erklärten Willen des Gesetzgebers: Mit seinem Gesetz gewordenen
Änderungsvorschlag zum (jetzigen) § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB hat der zuständi-
ge Bundestagsausschuss (BTDrucks 7/4793 S. 28) zum Ausdruck gebracht,
dass städtebauliche Gründe zur Anordnung von Bepflanzungsvorgaben auf
Flächen, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB für landwirtschaftliche
Nutzungen oder Wald festgesetzt sind und damit der Förderung der Land- und
Forstwirtschaft dienen sollen (vgl. zu diesem Erfordernis bereits Urteil vom
14. Juli 1972 - BVerwG 4 C 8.70 - BVerwGE 40, 258 <262 f.>), entgegen der
Stellungnahme des Bundesrates (BTDrucks 7/2496 S. 70) zur Regierungsvor-
lage (BTDrucks 7/2496 S. 40; vgl. auch S. 84) generell nicht bestehen; für
Waldflächen hat er insoweit Regelungsmöglichkeiten nach dem Waldgesetz als
ausreichend angesehen.
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Die Antragsgegnerin meint, der Verwaltungsgerichtshof hätte die Festsetzung
einer „Fläche für Laubmischwald“ zumindest als Kombination von Waldfläche
und textlichen Bepflanzungsvorgaben verstehen müssen, die ihre Rechtsgrund-
lage in § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 25 oder Nr. 20
BauGB finde. Das trifft nicht zu. Zwar schließt das Baugesetzbuch Kombinatio-
nen oder Überlagerungen verschiedener Festsetzungen nach § 9 Abs. 1
BauGB nicht aus (Beschluss vom 2. April 2008 - BVerwG 4 BN 6.08 - BRS 73
Nr. 20). Das gilt aber nicht für miteinander unvereinbare Festsetzungen (vgl.
auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar
2014, § 9 Rn. 14 m.w.N.). Deswegen kommt eine Kombination einer Waldfläche
nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB mit Bepflanzungsvorgaben nach § 9
Abs. 1 Nr. 25 BauGB wegen der darin enthaltenen Ausnahmeregelung für nach
§ 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB festgesetzte Flächen von vornherein nicht in
Betracht. Diese Inkompatibilität darf durch eine Kombination von Festsetzungen
nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB mit Bepflanzungsvorgaben nach
Nr. 20 dieser Vorschrift nicht umgangen werden. Das steht einer Kombination
von Bepflanzungsvorgaben nach den genannten Vorschriften und Flächen mit
einer hiermit vereinbaren Nutzungsart wie insbesondere Grünflächen nach § 9
Abs. 1 Nr. 15 BauGB nicht entgegen. Einer solchen Möglichkeit musste der
Verwaltungsgerichtshof aber nicht nachgehen, weil eine entsprechende Ausle-
gung der nach seinen bindenden Feststellungen eindeutigen Festsetzung A.3.1
ausscheidet und deren Einordnung als „Grünfläche mit Bepflanzungsbindun-
gen“ deswegen nur im Wege der Umdeutung zu erreichen wäre, die - abge-
sehen von ihrer vom Senat bei Bebauungsplänen offengelassenen Zulässigkeit
(Urteil vom 27. Oktober 2011 - BVerwG 4 CN 7.10 - Buchholz 406.11 § 9
BauGB Nr. 105 Rn. 20) - hier schon im Hinblick auf die unterschiedlichen und
abwägungsrelevanten Entschädigungspflichten der jeweiligen Flächenfestset-
zungen (vgl. § 40 Abs. 1 Nr. 8 und 14 BauGB einerseits und § 41 Abs. 2 BauGB
andererseits) nicht in Betracht kommt.
2. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof als Konsequenz der Unwirksam-
keit der Festsetzung der „Fläche für Laubmischwald“ auch die Festsetzung
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„Waldrand“ (A.3.2) für unwirksam erklärt, weil letztere als Annexregelung not-
wendigerweise das rechtliche Schicksal der Waldfestsetzung teilt.
3. Ebenfalls ohne Bundesrechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof die sich
auf die Wald- und Waldrandflächen beziehenden und den Waldumbau konkreti-
sierenden textlichen Festsetzungen D.4. und D.5. beanstandet. Er hat für sie in
§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB keine Rechtsgrundlage gesehen, weil die Realisierung
dieser Festsetzungen auf absehbare Zeit ausgeschlossen sei, so dass es an
der von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB geforderten städtebaulichen Erforderlichkeit
dieser Regelungen fehle.
Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin ein, die Vollzugsunfähigkeit von Fest-
setzungen mit der Folge ihrer Unwirksamkeit müsse strengeren Anforderungen
unterworfen werden. Soweit sie sich hierzu auf den Beschluss des Senats vom
5. November 2002 - BVerwG 4 BN 8.02 - (BRS 66 Nr. 54) bezieht, ist darauf
hinzuweisen, dass sich die dort verwendete Formulierung, die Realisierbarkeit
müsse auf „unabsehbare“ Zeit ausgeschlossen sein, auf den Fall der nachträg-
lichen Funktionslosigkeit zunächst rechtswirksamer Festsetzungen bezieht, an
deren Eintritt das Bundesverwaltungsgericht insbesondere im Hinblick auf das
Vertrauen der Normadressaten in die Fortgeltung der Regelung seit jeher hohe
Anforderungen gestellt hat (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 22. Juli 2013
- BVerwG 7 BN 1.13 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 187 Rn. 6 m.w.N.). Dieser
Gesichtspunkt spielt bei der Prüfung der Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1
BauGB keine Rolle. Der insoweit nach der Rechtsprechung des Senats gebote-
ne Maßstab, ob der Realisierung eines Bebauungsplans dauerhafte Hindernis-
se tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen (so etwa Urteil vom
30. August 2001 - BVerwG 4 CN 9.00 - BVerwGE 115, 77 <85> m.w.N.), ver-
langt als Prognose keine letzte Gewissheit, dass der Vollzug der Regelung
unter allen Umständen ausgeschlossen sein wird, sondern die von den konkre-
ten Einzelfallumständen abhängige Prüfung, ob auf der Grundlage der Darle-
gungen des Planungsträgers in der Planbegründung die Annahme gerechtfer-
tigt ist, dass der Bebauungsplan bzw. einzelne seiner Festsetzungen realisti-
scherweise umgesetzt werden können. Dabei ist nicht zuletzt die Art der in Re-
de stehenden Festsetzungen von Bedeutung. Flächenfestsetzungen tragen in
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aller Regel schon dadurch eine Vollzugswahrscheinlichkeit in sich, weil die Zu-
lässigkeit neuer Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) an ihnen zu messen ist (§ 30
BauGB) und sich so zumindest langfristig ein Gebietswandel einstellen wird.
Deswegen können und müssen unter Umständen auch auf längere Dauer an-
dere als die festgesetzten Nutzungen hingenommen werden (so schon Urteil
vom 2. März 1973 - BVerwG 4 C 40.71 - BVerwGE 42, 30 <38>). Demgegen-
über ist die Vollzugsfähigkeit festgesetzter Maßnahmen davon abhängig, ob
eine gesetzliche Durchsetzungsmöglichkeit besteht oder zumindest Vorhaben
zu erwarten sind, die eine Umsetzung dieser Maßnahmen etwa in Form belas-
tender Auflagen ermöglichen, die einer Baugenehmigung beigefügt werden.
Andernfalls verfehlt der Planungsträger die Anforderungen des § 1 Abs. 3
Satz 1 BauGB, wenn er nicht darlegen kann, wie der Vollzug solcher Festset-
zungen zumindest langfristig erfolgreich bewirkt werden kann. Der Senat hat
zwar - wie von der Antragsgegnerin betont, allerdings wiederum im Zusammen-
hang mit der nachträglichen Funktionslosigkeit von Festsetzungen und bezogen
auf eine Flächenfestsetzung - darauf hingewiesen, dass allein der Wille eines
Grundeigentümers, die Realisierung einer bestimmten Festsetzung zu verhin-
dern, regelmäßig nicht geeignet ist, diese Festsetzung außer Kraft treten zu
lassen (Beschluss vom 5. November 2002 - BVerwG 4 BN 8.02 - BRS 66
Nr. 54). Er ist aber im Fall einer Festsetzung landschaftspflegerischer Maß-
nahmen ohne Weiteres davon ausgegangen, dass sie bei fehlender Bereit-
schaft der betroffenen Eigentümer und fehlenden Zwangsmöglichkeiten wegen
dauerhafter Vollzugsunfähigkeit unwirksam sein kann (Beschluss vom 3. Juni
2003 - BVerwG 4 BN 26.03 - BRS 66 Nr. 218). Daran ist festzuhalten.
Nach diesen Maßstäben hat der Verwaltungsgerichtshof die Anforderungen an
die städtebauliche Erforderlichkeit der Festsetzungen D.4. und D.5. nicht über-
spannt. Allein auf den fehlenden Willen der Grundstückseigentümer hat er sich
bei seiner Einschätzung der Vollzugsfähigkeit nicht gestützt. Er hat vielmehr
zutreffend auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt und ausgeführt, die An-
tragsgegnerin habe nicht aufgezeigt, dass sie in absehbarer Zeit über die Wald-
flächen werde verfügen können, um dort ihre Planungen zu realisieren (UA
Rn. 26). Damit schließt der Verwaltungsgerichtshof auch ein Vorgehen im We-
ge der Umlegung oder Enteignung aus. Dass die Vorinstanz insoweit von unzu-
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treffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, macht die Revision
nicht geltend. Auf dieser Grundlage und unter Einbeziehung des Umstandes,
dass nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB festgesetzte Maßnahmen nicht im Wege
des Pflanzgebotes nach § 178 BauGB und hier realistischerweise nicht als Ge-
nehmigungsauflagen umgesetzt werden können, fehlt jeder Anknüpfungspunkt
für die Annahme der Vollzugsfähigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof bean-
standeten Regelung. Darin offenbart sich das Versäumnis der Antragsgegnerin,
auf der Ebene des Bebauungsplans ein geeignetes rechtliches Instrumentarium
vorzusehen, das die Vorgaben der nächsthöheren Planungsebene (Regional-
plan) nicht lediglich wiederholt, sondern entsprechend der Funktion der Bauleit-
planung konkretisiert und vollzugsfähig macht.
4. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof auch die in den Festsetzungen
A.4.1 bis 4 und D.7. bis 10. enthaltenen Bepflanzungsvorgaben zu Recht we-
gen fehlender Rechtsgrundlage für unwirksam erklärt. Dass die einzig in Be-
tracht kommende Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB bei nach § 9 Abs. 1
Nr. 18 Buchst. a BauGB festgesetzten landwirtschaftlichen Flächen keine An-
wendung findet - was auch die Revision nicht mit einer Sachrüge in Frage ge-
stellt hat -, ergibt sich bereits aus dem oben unter 1. Gesagten. Der Senat sieht
auch bei nur punktuellen Bepflanzungsvorgaben (Einzelgehölze, Ortsrandbe-
grünung) im Hinblick auf das mit der Vorschrift zum Ausdruck gebrachte Ziel
einer uneingeschränkten Förderung der Land- und Forstwirtschaft im Falle von
Flächenfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB weder Anlass noch
Rechtfertigung zu einer Einschränkung der in § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB enthal-
tenen Ausnahmeregelung. Auch solche Vorgaben führen wegen der entstehen-
den Flächenverluste für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung oder der Er-
schwernisse für die Bewirtschaftung zu Beeinträchtigungen, die dem genannten
Ziel entgegenwirken. Verfolgt der Planungsträger wie hier landschaftsgestalteri-
sche Ziele, ist ihm der Weg zu Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB
versperrt. Er ist darauf verwiesen, die betroffenen Flächen teilweise oder insge-
samt für eine Nutzung etwa als Grünfläche oder Fläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 20
BauGB auszuweisen und auf dieser Grundlage Bepflanzungsvorgaben nach
Nr. 20 oder 25 der genannten Vorschrift festzusetzen.
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5. Dass der Verwaltungsgerichtshof aus der Unwirksamkeit der genannten
Festsetzungen die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans hergeleitet hat,
lässt keinen Grund für eine revisionsgerichtliche Beanstandung erkennen. Auch
die Revision hat insoweit keine Einwände geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz
Dr. Decker
Dr. Külpmann
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen
Entscheidung für beide Rechtszüge auf jeweils 30 000 Euro (10 000 Euro je An-
tragsteller bzw. Erbengemeinschaft) festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Streitwert ist - auch für die Vorinstanz - gemäß § 39 Abs. 1 GKG angesichts
der Mehrheit von Klägern auf das Dreifache des vom Verwaltungsgerichtshof
erkennbar (vgl. den Hinweis auf Nr. 9.8.1. des Streitwertkatalogs) als Einzel-
streitwert zugrunde gelegten und insoweit objektiv angemessenen Betrages
festzusetzen.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz
Dr. Decker
Dr. Külpmann
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18
1
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Baurecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
BauGB
§ 1 Abs. 3 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a und b,
Nr. 20, Nr. 25, § 40 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 14, § 41 Abs. 2
§ 178, § 201
PlanzV
Anlage Nr. 12.2
Stichworte:
Laubmischwald; Laubholzanteil; Wald; Waldfläche; Waldumbau; Waldrand;
Baumarten; Landwirtschaft; Bepflanzungsvorgaben; Grünfläche; Schutz-, Pfle-
ge- und Entwicklungsziele; Ortsrandbegrünung; städtebauliche Gründe; Funk-
tionslosigkeit; Vollzugsfähigkeit.
Leitsatz:
Die Festsetzung einer Fläche als „Laubmischwald“ findet in § 9 Abs. 1 Nr. 18
Buchst. b BauGB keine Rechtsgrundlage.
Auf Flächen für die Landwirtschaft oder Wald nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB
können wegen der Sperrwirkung des § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB keine land-
schaftspflegerischen Maßnahmen festgesetzt werden.
Urteil des 4. Senats vom 25. Juni 2013 - BVerwG 4 CN 4.13
I. VGH München vom 07.02.2013 - Az.: VGH 1 N 11.1854 -