Urteil des BVerwG vom 11.10.2012

Landwirtschaftlicher Betrieb, Nachhaltigkeit, Bewirtschaftung, Rentabilität

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 9.11
VGH 14 B 09.2291
Verkündet
am 11. Oktober 2012
Jakob
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
für Recht erkannt:
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
14. Juli 2011 wird geändert.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Ansbach vom 22. Oktober 2008 wird zu-
rückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revi-
sionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger, der von Beruf Schlosser ist und seit mehr als 30 Jahren eine Schaf-
zucht betreibt, begehrt eine Baugenehmigung für eine landwirtschaftliche Mehr-
zweckhalle, die auf einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück errichtet
werden soll. Das Grundstück liegt im Außenbereich sowie im Bereich der Ver-
ordnung über den „Naturpark A.“. Die Mehrzweckhalle soll der Unterbringung
der Maschinen, die der Kläger zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen
Nutzflächen benötigt, und der Lagerung des von ihm hergestellten Futters für
seine Schafzucht dienen. Die Maschinen stehen derzeit im Freien oder sind in
angemieteten Gebäuden untergebracht, deren baulicher Zustand teilweise sehr
schlecht ist. Die Schafzucht umfasst ungefähr 45 Mutterschafe, soll in Zukunft
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aufgestockt werden und wird auf 2,5 ha Eigenflächen und 9,6 ha Pachtland
ausgeübt. Die im Verfahren beteiligte Naturschutzabteilung erklärte, dass ge-
gen das Vorhaben aus naturschutzfachlicher Sicht keine Einwände bestünden.
Das Amt für Landwirtschaft und Forsten vertrat die Auffassung, bei dem kläge-
rischen Betrieb handle es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb.
Die Beklagte lehnte den Antrag unter anderem mit der Begründung ab, dem Be-
trieb des Klägers fehle die erforderliche Nachhaltigkeit eines privilegierten
landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Als sons-
tiges Vorhaben widerspreche es den Darstellungen des Flächennutzungsplans,
der für das Grundstück eine landwirtschaftliche Nutzung vorsehe.
Mit Urteil vom 22. Oktober 2008 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Be-
klagte zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Mit Urteil vom 14. Juli
2011 hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts aufge-
hoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen aus-
geführt: Die Schafzucht des Klägers falle unter den Begriff der Landwirtschaft
im Sinne des § 201 BauGB. Es handele sich aber nicht um einen „Betrieb“ im
Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Es fehle jedenfalls derzeit am Nachweis für
ein nachhaltiges, ernsthaftes, auf Dauer angelegtes und lebensfähiges Unter-
nehmen mit einer gewissen Organisation. Zwar sei die Betriebsnachfolge als
gesichert anzusehen. Auch verfüge der Kläger über zahlreiche landwirtschaftli-
che Maschinen, die er zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen
benötige. Der Tierbestand mit im Durchschnitt 45 Mutterschafen bewege sich
im Rahmen eines regulären auf Schafzucht spezialisierten Betriebes. Gleich-
wohl könne nicht von einer für die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
erforderlichen Nachhaltigkeit der Betätigung des Klägers ausgegangen werden.
Mittels langfristiger Pacht könne zwar ein dauerhafter Zugriff auf die für den
landwirtschaftlichen Betrieb erforderlichen Flächen sichergestellt werden. Das
ändere aber nichts daran, dass der geringe Anteil an Eigenflächen jedenfalls
ein gewisses Indiz gegen die Nachhaltigkeit der klägerischen Betätigung dar-
stelle. Auf der Grundlage der vom Kläger im Verfahren gemachten Angaben sei
derzeit nicht zu erkennen, ob die klägerische Schafhaltung rentabel sei. Der
Kläger habe nicht überzeugend dargelegt, dass aus der Schafhaltung Einnah-
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men erzielt würden, die geeignet seien, seine Existenz zusätzlich wirtschaftlich
abzusichern. Die vom Kläger vorgelegten „Betriebskonzepte“ und „Rentabili-
tätsberechnungen“ seien nicht aussagekräftig. Nicht auszuschließen sei, dass
der Betrieb bei einer entsprechenden Erweiterung dauerhaft Gewinn erzielen
werde und mit Blick auf die Tochter des Klägers als Betriebsnachfolgerin dann
ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierter Betrieb gegeben sei. Auch hier-
für bedürfe es aber konkreter Angaben. Als sonstiges Vorhaben beeinträchtige
das Vorhaben öffentliche Belange; es sei nicht mit den Darstellungen des Flä-
chennutzungsplans gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB vereinbar.
Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision rügt
der Kläger eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes und macht geltend,
er habe den Nachweis der Rentabilität und Nachhaltigkeit seines landwirtschaft-
lichen Nebenerwerbsbetriebes erbracht. Die Beklagte verteidigt das angefoch-
tene Urteil. Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentli-
chen Interesses im Revisionsverfahren beteiligt.
II
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von
Bundesrecht, weil ihm ein fehlerhaftes Verständnis des § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB zugrunde liegt. Der Verwaltungsgerichtshof überspannt die Anforderun-
gen, die an einen „landwirtschaftlichen Betrieb“ im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB zu stellen sind. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen
im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch
auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig,
wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die Erschließung gesichert ist
und wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen
untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Dass es sich bei der Schaf-
zucht des Klägers um Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB handelt, ist
unter den Beteiligten unstreitig. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auch der
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Auffassung des Verwaltungsgerichts angeschlossen, dass dem Vorhaben eine
dienende Funktion nicht abgesprochen werden könne und ihm am geplanten
Standort öffentliche Belange nicht entgegenstünden, und ausgeführt, die we-
gemäßige Erschließung des Vorhabens werde als gesichert angesehen. Die
Entscheidung über den Bauantrag des Klägers hängt damit allein von der Frage
ab, ob das Vorhaben für einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35
Abs. 1 Nr. 1 BauGB bestimmt ist.
1. Die landwirtschaftliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt
voraus, dass dem Eingriff in den zumeist naturhaft geprägten Außenbereich ein
auf Dauer angelegter Betrieb gegenübersteht, dem das geplante Vorhaben zu
dienen bestimmt ist. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats,
dass ein landwirtschaftlicher Betrieb durch eine spezifisch betriebliche Organi-
sation gekennzeichnet ist, dass er Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung erfordert
und dass es sich um ein auf Dauer gedachtes und auf Dauer lebensfähiges Un-
ternehmen handeln muss (Urteil vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 4 C 7.04 -
BVerwGE 122, 308 <310> m.w.N.). Auch eine landwirtschaftliche Neben-
erwerbsstelle kann ein Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sein
(Urteil vom 27. Januar 1967 - BVerwG 4 C 41.65 - BVerwGE 26, 121).
1.1 Ob sich ein Betrieb auf Dauer als lebensfähig erweist, ist im Wege einer
Prognose zu beantworten. Notwendig ist eine Gesamtbetrachtung unter Be-
rücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei sind die Umstände, die für
oder gegen die Annahme der Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit des Betriebes
sprechen, ihrerseits zu gewichten und ins Verhältnis zueinander zu setzen. Es
handelt sich um Hilfstatsachen, die im Rahmen einer Gesamtschau zu bewer-
ten sind. Zu den Merkmalen zur Bestimmung der Dauerhaftigkeit und Nachhal-
tigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs, denen indizielle Bedeutung zukommt,
zählt auch die Möglichkeit der Gewinnerzielung. Der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB privilegierte landwirtschaftliche Betrieb muss nach Art und Umfang
grundsätzlich geeignet sein, wirtschaftlich, d.h. mit Gewinnerzielungsabsicht
geführt zu werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass stets und in allen Fällen die
Betriebseigenschaft und damit die Privilegierung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB zu verneinen ist, wenn (bisher) ein Gewinn nicht erzielt und auch in ab-
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sehbarer Zeit (noch) nicht zu erzielen ist (Urteil vom 11. April 1986 - BVerwG
4 C 67.82 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 234 - juris Rn. 17). Die Gewinn-
erzielung ist nur ein Indiz, dem allerdings bei kleiner Nutzfläche und geringem
Tierbestand erhöhte Bedeutung zukommt. In diesem Fall wird mit besonderer
Aufmerksamkeit zu prüfen sein, ob eine nicht privilegierte Hobbytierhaltung aus
Liebhaberei vorliegt. Fehlt es an dem Nachweis eines Gewinns, können durch-
aus andere Indizien für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit für die
Betriebseigenschaft im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sprechen. Hierzu
zählen die Größe der landwirtschaftlichen Nutzflächen, der Bestand an Tieren
und Maschinen sowie die Betriebsform und Betriebsorganisation. Auch eine
geplante Vergrößerung der Betriebsflächen oder Erhöhung der Zahl der zu hal-
tenden und verkaufenden Tiere kann Anhaltspunkt für die Dauerhaftigkeit des
Betriebes sein. Darüber hinaus ist zu unterscheiden, ob es sich um eine be-
stehende Landwirtschaft oder eine Neugründung handelt. Geht es um die Er-
weiterung eines bereits seit etlichen Jahren bestehenden landwirtschaftlichen
Betriebes mit niedriger Rentabilität, hat die Gewinnerzielung einen geringeren
Stellenwert als im Fall der beabsichtigten Neugründung einer Nebenerwerbs-
stelle (Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. S. 312 f.). Handelt es sich um eine
Betätigung, der nach Art und Umfang von fachkundiger Stelle attestiert wird,
dass es sich um einen „regulären“, also generell lebensfähigen Betrieb handelt,
indiziert bereits dieser Umstand, dass von einem nach erwerbswirtschaftlichen
Grundsätzen geführten Betrieb auszugehen ist. In diesem Fall reduzieren sich
die Nachweispflichten des mitwirkungspflichtigen Bauherrn (vgl. dazu Be-
schluss vom 17. November 1998 - BVerwG 4 B 100.98 - juris Rn. 13). Allein der
Umstand, dass keine konkreten Zahlen zur Rentabilität vorgelegt werden, ver-
mag die Annahme, dass der langjährig geführte Betrieb nach Art und Umfang
generell lebensfähig und geeignet ist, Gewinn zu erzielen, nicht zu erschüttern.
Nachweise werden in Zweifelsfällen zu fordern sein, wenn nachvollziehbare
Anhaltspunkte vorliegen, dass dem Betrieb die Möglichkeit der Gewinnerzielung
abzusprechen ist. So wird der Gewinnerzielung bei Neugründungen ein beson-
deres Gewicht zukommen. Die Missbrauchsgefahr ist bei Vorhaben, bei denen
der Außenbereich erstmals für eine behauptete landwirtschaftliche Betätigung
in Anspruch genommen werden soll, besonders hoch. In solchen Fällen sind an
die Betriebseigenschaft strenge Anforderungen zu stellen. Aus diesem Grund
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hat der Senat die Gewinnerzielungsabsicht als ein für die Nachhaltigkeit „wich-
tiges“ Indiz bezeichnet.
1.2 Die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäbe hat der Ver-
waltungsgerichtshof zwar abstrakt zutreffend wiedergegeben. Bei der Gewich-
tung wird jedoch offenbar, dass er Anforderungen stellt, die diesen Maßstäben
widersprechen. Das Berufungsurteil wird erkennbar von der Vorstellung getra-
gen, dass es zwingend eines Rentabilitätsnachweises an Hand konkreter Zah-
len bedarf, um die für einen landwirtschaftlichen Betrieb geforderte Dauerhaftig-
keit und Nachhaltigkeit bejahen zu können. Der Verwaltungsgerichtshof stellt
damit überzogene Anforderungen an die Nachweispflicht. Er verneint die Be-
triebseigenschaft allein deswegen, weil der Kläger nicht den Nachweis erbracht
habe, dass sein Betrieb aktuell Gewinn erwirtschaftet. Die Annahme, dass es
sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB handelt, wird indes nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger keine
Rentabilitätsberechnung vorgelegt hat. Es bestand kein Anlass, konkrete Zah-
len zur aktuellen Einnahmen- und Ausgabensituation zu fordern. Ein derartiger
Nachweis mag in Zweifelsfällen veranlasst sein. Ein solcher Fall liegt hier je-
doch nicht vor.
Soweit der Verwaltungsgerichtshof als „gewisses Indiz“ gegen die Privilegierung
auf den Umstand verweist, dass der Kläger nur über relativ geringe Eigenflä-
chen verfüge, unterläuft ihm ein Gewichtungsfehler, der auf einer Verkennung
des bundesrechtlichen Maßstabs beruht. Beständigkeit der Betätigung setzt
voraus, dass der Zugriff auf die landwirtschaftlich nutzbare Fläche dauerhaft
gesichert ist. Die vorausgesetzte planmäßige und eigenverantwortliche Bewirt-
schaftung darf nicht dadurch in Frage gestellt sein, dass dem Landwirt die für
seine Ertragserzielung benötigte Fläche nicht dauernd zur Verfügung steht (Be-
schluss vom 22. Dezember 1993 - BVerwG 4 B 206.93 - juris Rn. 2). Der Senat
hat aber nicht ausgeschlossen, dass die Dauerhaftigkeit eines landwirtschaftli-
chen Betriebes auch auf gepachteten Flächen gewährleistet sein kann (Be-
schluss vom 19. Juli 1994 - BVerwG 4 B 140.94 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB
Nr. 301 - juris Rn. 2). Liegen langfristige Pachtverhältnisse vor, kann davon
ausgegangen werden, dass ein dauerhafter Zugriff auf die erforderlichen Flä-
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chen sichergestellt ist. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsge-
richtshofs handelt es sich bei dem Pachtland um langfristig gepachtete Flächen,
die für die Schafhaltung geeignet sind (UA Rn. 45). Eine nachvollziehbare Be-
gründung, warum dieser Umstand gleichwohl als „Indiz“ gegen die Privilegie-
rung in die Gesamtschau einzustellen ist, gibt der Verwaltungsgerichtshof nicht
und ist auch nicht zu erkennen. Die Feststellung, dass der Zugriff langfristig ge-
sichert ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht - etwa durch Angaben zur Lauf-
zeit - relativiert. Ebenso wenig hat er festgestellt, dass die Dauerhaftigkeit der
landwirtschaftlichen Nutzung bestimmter Flächen - z.B. aufgrund sich wandeln-
der Subventionsbedingungen - nicht mehr gesichert wäre (vgl. dazu Beschluss
vom 19. Juli 1994 a.a.O. juris Rn. 4). Vor diesem Hintergrund vermag allein der
Umfang des Pachtlands den gesicherten Zugriff darauf nicht in Frage zu stellen.
Damit beruht die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs allein auf der un-
zutreffenden Annahme, der Kläger müsse einen Nachweis erbringen, dass der
Betrieb derzeit mit Gewinn bewirtschaftet werde. Gründe dafür, von dem Kläger
einen Nachweis der Rentabilität zu fordern, zeigt der Verwaltungsgerichtshof
nicht auf.
2. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO
aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig. Auf der Grundlage der für die re-
visionsgerichtliche Beurteilung bindenden Feststellungen des Verwaltungsge-
richtshofs gibt es - abgesehen von dem zu Unrecht verlangten Rentabilitäts-
nachweis - keinen Anhaltspunkt dafür, dass der klägerische Betrieb nicht auf
Dauer angelegt ist und ernsthaft mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben
wird. Es liegen hinreichend gewichtige Umstände vor, die in der Gesamtschau
die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB geforderte Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit
der Betriebsführung belegen. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die zwi-
schen den Beteiligten streitige Frage, ob die Einnahmen aus der Mitarbeit der
Tochter des Klägers in anderen landwirtschaftlichen Betrieben dem Betrieb des
Klägers zugerechnet werden können, nicht an. Ebenso wenig ist der Aufklä-
rungsrüge des Klägers nachzugehen.
Bereits der Umstand, dass der Kläger die Schafzucht über mehr als 30 Jahre
hat am Leben halten können, ist ein gewichtiges Indiz für Dauerhaftigkeit und
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Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Betätigung. Zwar wird nicht jede Schaf-
haltung das Merkmal eines landwirtschaftlichen Betriebes aufweisen. Insbeson-
dere wird die Haltung weniger Schafe in der Regel nicht ausreichen, um die
Betriebseigenschaft zu bejahen (Urteil vom 13. April 1983 - BVerwG 4 C 62.78 -
Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 200 - juris Rn. 20). Nach den Feststellungen
des Verwaltungsgerichtshofs bewegt sich der Tierbestand mit im Durchschnitt
45 Mutterschafen nach der Stellungnahme u.a. des Landesverbandes B. Schaf-
halter e.V. aber im Rahmen eines regulären auf Schafzucht spezialisierten Be-
triebes. Der Umstand, dass es dem Kläger gelungen ist, über mehrere Jahr-
zehnte eine nach fachkundiger Einschätzung professionelle Schafzucht im Ne-
benerwerb zu betreiben, indiziert, dass es sich um einen lebensfähigen Betrieb
handelt, dem die wirtschaftliche Grundlage nicht abgesprochen werden kann.
Zu einem „regulären“ Betrieb gehört - wie dargelegt - die Erwartung, dass der
Betrieb auch Gewinn erwirtschaften wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine
besonderen Umstände vorliegen, die der Annahme entgegenstehen, es hande-
le sich um einen herkömmlichen, wirtschaftlich funktionierenden Betrieb. Der
Bestand soll zudem erweitert werden. Selbst der Verwaltungsgerichtshof geht
davon aus, dass der Betrieb gewinnbringend geführt werden kann. Das zeigt
der Hinweis, es sei nicht auszuschließen, dass der klägerische Betrieb bei einer
entsprechenden Erweiterung dauerhaft Gewinn erzielen werde.
Die Dauerhaftigkeit der klägerischen Betätigung wird durch den Umstand bestä-
tigt, dass der Verwaltungsgerichtshof auch die Betriebsnachfolge in der Person
der Tochter des Klägers als gesichert ansieht, der Betrieb also weiter geführt
werden wird (vgl. dazu Urteil vom 3. November 1972 - BVerwG 4 C 9.70 -
BVerwGE 41, 138 <145> - juris Rn. 26). Die Tochter, der der Verwaltungsge-
richtshof fundierte Kenntnisse über den Betrieb attestiert, arbeitet zudem bereits
derzeit in dem Betrieb des Klägers mit. Auch das belegt die Nachhaltigkeit der
Schafzucht. Die Ernsthaftigkeit ihres Engagements mit Blick auf die Fortführung
der Schafzucht offenbart sich auch darin, dass die Tochter nicht in einem land-
wirtschaftsfremden Beruf arbeitet, sondern sich - soweit es die Mitarbeit im klä-
gerischen Betrieb erlaubt - auf Vermittlung des sog. Maschinenringes als Be-
triebshelferin in anderen landwirtschaftlichen Betrieben einsetzen lässt und da-
mit ihr für die Betriebsnachfolge erforderliches Erfahrungswissen vertieft und
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erweitert. Auch damit zeigt sie, dass es ihr mit der landwirtschaftlichen Betäti-
gung und der Betriebsnachfolge ernst ist.
Mit einer Größe von insgesamt ca. 12 ha handelt es sich zudem um einen
durchaus ansehnlichen Nebenerwerbsbetrieb. Die Größe der landwirtschaftli-
chen Nutzfläche steht auch in Relation zum Tierbestand. Der Kläger erzeugt
das Futter für seine Tiere fast ausschließlich auf den zum landwirtschaftlichen
Betrieb gehörenden Flächen. Er verfügt zudem über zahlreiche landwirtschaftli-
che Maschinen, die er zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen
benötigt. Darin zeigt sich der für die Nachhaltigkeit des Betriebes geforderte
Kapitaleinsatz. Dabei ist hervorzuheben, dass der Verwaltungsgerichtshof von
„zahlreichen“ landwirtschaftlichen Maschinen spricht. Nach den Feststellungen
des Verwaltungsgerichtshofs stehen die Maschinen derzeit zum Teil im Freien,
zum Teil sind sie in angemieteten Gebäuden untergebracht, deren baulicher
Zustand teilweise sehr schlecht ist. Auch dieser Umstand spricht für das Be-
streben des Klägers, seinen Betrieb funktionsfähig zu halten, weil - wie auch
das Verwaltungsgericht ausgeführt hat (VG UA S. 10) - die Maschinen dringend
einer geschützten Unterbringung bedürfen. Jeder vernünftige Landwirt wird un-
ter diesen Umständen bemüht sein, das geplante Vorhaben zu verwirklichen.
Nach den Feststellungen des Berufungsurteils liegt auch die Besorgnis fern,
dass hier in rechtsmissbräuchlicher Weise unter dem Vorwand, Schafe zu züch-
ten, in Wahrheit nur der Wunsch verwirklicht werden soll, im Außenbereich zu
wohnen. Ebenso wenig hat der Verwaltungsgerichtshof Tatsachen festgestellt,
aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben könnten, dass der Bau der Mehr-
zweckhalle nur vorgeschoben wird, um eine nach § 35 Abs. 4 BauGB begüns-
tigte Umnutzung zu nichtprivilegierten Zwecken zu erreichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Philipp
Dr. Bumke
Petz
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 €
festgesetzt.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Philipp
Dr. Bumke
Petz
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Baurecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
BauGB
§ 35 Abs. 1 Nr. 1
Stichworte:
Außenbereich; landwirtschaftlicher Betrieb; Nebenerwerbsbetrieb; Schafzucht;
Dauerhaftigkeit; Nachhaltigkeit; Nachweis; Gewinnerzielung; Gesamtschau.
Leitsatz:
Der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierte landwirtschaftliche (Neben-
erwerbs-)Betrieb muss nach Art und Umfang grundsätzlich geeignet sein, wirt-
schaftlich, d.h. mit Gewinnerzielungsabsicht geführt zu werden. Nachweise
werden in Zweifelsfällen zu fordern sein, wenn nachvollziehbare Anhaltspunkte
dafür vorliegen, dass dem Betrieb die Möglichkeit der Gewinnerzielung abzu-
sprechen ist.
Urteil des 4. Senats vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 4 C 9.11
I. VG Ansbach vom 22.10.2008 - Az.: VG AN 9 K 08.1189 -
II. VGH München vom 14.07.2011 - Az.: VGH 14 B 09.2291 -