Urteil des BVerwG vom 30.06.2004
Die Post, Privatisierung, Universaldienst, Öffentliche Aufgabe
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 3.03
Verkündet
VGH 1 B 01.2220
am 30. Juni 2004
Oertel
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n , G a t z ,
Dr. J a n n a s c h und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
für Recht erkannt:
Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. April 2003 wird
zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau und
die Änderung der Nutzung des Schalterraums eines Postgebäudes.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die ... AG, beantragte im November 1998 die
Baugenehmigung für die "Umgestaltung und Modernisierung der Schalterhalle" eines
Postgebäudes auf dem Gebiet der beigeladenen Gemeinde. Nach den Bauvorlagen
sollen die bestehenden geschlossenen Schalter verlegt und "durch eine offene, mo-
derne Einrichtung" ersetzt sowie "weitere Verkaufsregale für Papier- und Schreibwa-
ren aufgestellt werden, um ein breiteres postspezifisches Angebot zu offerieren".
Hilfsweise wurde die Erteilung einer Genehmigung zum Betreiben der Postfiliale
"einschließlich eines reduzierten postspezifischen Papier-, Büro- und Schreibwaren-
sortiments" beantragt.
Der am 15. März 1982 in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 12 a der Beigeladenen
weist das Baugrundstück, das im Eigentum der Deutschen Post AG steht, als "Post-
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dienstgebäude, Gemeinbedarfsfläche" aus. Die Beigeladene verweigerte ihr Einver-
nehmen, weil das Vorhaben in beiden Varianten dieser Festsetzung widerspreche.
Der Beklagte lehnte die Anträge ab, weil es sich bei der geplanten Nutzung um eine
"auf Gewinnerzielung ausgerichtete Dienstleistung" und damit um eine mit der Fest-
setzung "Gemeinbedarfsfläche" nicht zu vereinbarende reine Verkaufstätigkeit han-
dele.
Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Verpflich-
tungsklage der Vorgängerin der Klägerin hinsichtlich des Hauptantrages (großes
Sortiment) stattgegeben: Die Festsetzung "Postdienstgebäude, Gemeinbedarfsflä-
che" sei infolge der Privatisierung der Post im Zuge der Postreformen I und II funkti-
onslos und damit unwirksam geworden. Die Umgebung des Baugrundstücks sei als
Mischgebiet einzustufen, in dem das Vorhaben als Einzelhandelsbetrieb zulässig sei.
Die Beigeladene legte Berufung ein und machte geltend, die umstrittene Festsetzung
sei nicht obsolet geworden und stehe der geplanten Verkaufstätigkeit als reiner La-
dennutzung entgegen. Im Berufungsrechtszug trat die jetzige Klägerin, ein Unter-
nehmen der Deutschen Post AG, in das Verfahren ein und verteidigte das erstin-
stanzliche Urteil im Ergebnis.
Das Berufungsgericht hat das "Postgebäude" und dessen Umgebung in Augenschein
genommen und die Berufung der Beigeladenen mit Urteil vom 11. April 2003
zurückgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung:
Das Bauvorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig, weil es den Festsetzungen des
Bebauungsplans Nr. 12 a entspreche. Die Festsetzung "Postdienstgebäude, Ge-
meinbedarfsfläche" sei nicht funktionslos geworden. Sie finde ihre Rechtsgrundlage
nach wie vor in § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG. Einen "Gemeinbedarf Post" im Sinne dieser
Vorschrift gebe es weiterhin, weil die zur Grundversorgung erforderlichen Postdienst-
leistungen (sog. Universaldienst) noch eine Aufgabe des Gemeinbedarfs erfüllten.
Eine Postfiliale, in der - wie in der streitgegenständlichen Filiale - diese Dienstleis-
tungen erbracht würden, sei eine der Allgemeinheit dienende Einrichtung. Im Zuge
der Privatisierung sei das Postwesen nicht vollständig dem durch die allgemeinen
Gesetze geregelten "freien Spiel der Kräfte" überlassen worden. Nach Art. 87 f
Abs. 1 GG müsse der Staat im Postsektor weiterhin mit hoheitlichen Mitteln für die
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Sicherung der Infrastruktur sorgen. Ihn treffe insoweit eine "Infrastrukturverantwor-
tung", die durch das Postgesetz und die Post-Universaldienstleistungsverordnung
ausgefüllt und konkretisiert werde. Hieraus ergebe sich, dass die Belange des Post-
wesens im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB noch einen Allgemeinwohlbe-
zug hätten, der die Darstellung und Festsetzung von Flächen für einen entsprechend
konkretisierten Gemeinbedarf rechtfertige. Für die Deutsche Post AG gelte dies in
besonderem Maße, weil ihr bis zum 31. Dezember 2007 das ausschließliche Recht
zur Beförderung bestimmter Briefsendungen und adressierter Kataloge zustehe (sog.
befristete gesetzliche Exklusivlizenz). Soweit der Bebauungsplan den überholten
Begriff "Dienstgebäude" verwende, sei dies unschädlich. Das Vorhaben der Klägerin
sei mit der umstrittenen Festsetzung vereinbar. Die Festsetzung schließe eine über
den Gemeinbedarf hinausgehende ("postfremde") gewerbliche Nutzung der
Posteinrichtung nicht aus, soweit sie von untergeordneter Bedeutung sei und die
Postdienstleistungen weiterhin die prägende Nutzung darstellten. Die Beweisauf-
nahme habe ergeben, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt seien. Hilfsweise sei
festzustellen, dass das Vorhaben der Klägerin nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6
Abs. 2 Nr. 3 BauNVO auch dann zulässig sei, wenn die umstrittene Festsetzung un-
wirksam geworden wäre. Der Augenschein habe bestätigt, dass die Umgebung des
Baugrundstücks ein "faktisches" Mischgebiet darstelle. Das Vorhaben widerspreche
der Eigenart dieses Gebiets nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO).
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beigeladene das
Begehren, die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben und die Verpflichtungs-
klage der Klägerin abzuweisen. Sie teilt den rechtlichen Ausgangspunkt des Beru-
fungsgerichts, dass die Festsetzung der Gemeinbedarfsfläche im Bebauungsplan
Nr. 12 a durch die Privatisierung der Post nicht funktionslos geworden sei, und rügt
der Sache nach die Verletzung von § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB: Mit der Festsetzung ei-
ner Gemeinbedarfsfläche für die Post sei eine "postfremde" Nutzung wie der Verkauf
von Artikeln des Büro- und Schreibwarensortiments nicht vereinbar. Von einer Fest-
setzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB könne zwar im Einzelfall nach § 31 Abs. 2
BauGB befreit werden. Vorliegend könne die Klägerin jedoch keine Befreiung bean-
spruchen.
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Die Klägerin hält das Berufungsurteil im Ergebnis für zutreffend, vertritt jedoch die
Auffassung, dass es sich bei der Erbringung von Postdienstleistungen nach der Post-
reform nicht mehr um die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe handele. Die Festset-
zung einer Gemeinbedarfsfläche "Postdienstgebäude" sei daher funktionslos gewor-
den.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil steht in Einklang mit Bundes-
recht. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht entschieden, dass das Umbau- und
Nutzungsänderungsvorhaben der Klägerin mit der Festsetzung "Postdienstgebäude,
Gemeinbedarfsfläche" im Bebauungsplan Nr. 12 a der Beigeladenen vereinbar ist.
1. Diese Festsetzung, welche die Beigeladene im Jahr 1982 für das Postamt der
damals öffentlich-rechtlich organisierten Deutschen Bundespost getroffen hat, fand
ihre rechtliche Grundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG. Zu jener Zeit stand der Ge-
meinbedarfscharakter der in einem Postamt erbrachten Dienstleistungen außer Fra-
ge. Diese Festsetzung ist infolge der Privatisierung der Post im Zuge der Postre-
form II (Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation
- Postneuordnungsgesetz - vom 14. September 1994, BGBl I S. 2325) nicht "funkti-
onslos" und damit unwirksam geworden. Eine bauplanerische Festsetzung tritt erst
dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der
tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der
Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offen-
sichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient
(BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 - BVerwG 4 C 39.75 - BVerwGE 54, 5; stRspr).
Das gilt auch für Gemeinbedarfsflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB. Sie
können ihre städtebauliche Steuerungsfunktion nicht mehr erfüllen, wenn der Ge-
meinbedarfscharakter, den die planende Gemeinde mit der Festsetzung verbunden
hat, auf Grund einer Änderung der Rechtslage entfällt und die Festsetzung damit
ihren Gegenstand oder ihren Adressaten verliert. Dem Berufungsgericht ist darin zu-
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zustimmen, dass eine solche Entwicklung auf dem Gebiet des Postwesens nicht
stattgefunden hat. Es gibt nach wie vor einen "Gemeinbedarf Post".
Das Berufungsgericht sieht in dem Zusatz "Postdienstgebäude" für das Grundstück
der Deutschen Post AG eine durch die Privatisierung der Post zwar überholte, aber
unschädliche Falschbezeichnung, die nach dem Abschluss der Postreform II im Kern
auf die Erbringung von Post-Universaldienstleistungen im Sinne des Postgesetzes
vom 22. Dezember 1997 (BGBl I S. 3294, mit späteren Änderungen) und der Post-
Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl I
S. 2418) ziele und entsprechend den geänderten Rahmenbedingungen im Sinne von
"Filiale" verstanden werden könne. An diese Auslegung des Bebauungsplans, der
dem irrevisiblen Landesrecht angehört, ist der erkennende Senat gebunden (§ 173
VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Mit diesem Inhalt erfüllt die umstrittene Festsetzung noch
die städtebauliche Ordnungsfunktion, welche die Beigeladene der Gemeinbedarfs-
fläche für ein "Postdienstgebäude" ursprünglich beigemessen hat.
1.1 "Flächen für den Gemeinbedarf" legen die Art der baulichen Nutzung fest. Sie
sind mit einer konkretisierenden Zweckbestimmung zu versehen, um die Mindestan-
forderungen eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 BBauG, § 30 Abs. 1 BauGB)
an die Festlegung der Nutzungsart zu erfüllen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli
1989 - BVerwG 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1). Der in § 9 Abs. 1
Nr. 5 BauGB verwendete Begriff des Gemeinbedarfs wird in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB
näher bestimmt und durch Beispiele erläutert (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1994
- BVerwG 4 NB 15.94 - NVwZ 1994, 1004). Entsprechendes galt auch für § 9 Abs. 1
Nr. 5 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 BBauG. Danach sind Gemeinbedarfsanlagen solche
baulichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen. Beispielhaft
werden Schulen und Kirchen sowie sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen
und kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen aufgezählt. Der All-
gemeinheit dient eine Anlage, wenn sie, ohne dass die Merkmale des Gemein-
gebrauchs erfüllt zu sein brauchen, einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil
der Bevölkerung zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG
4 NB 15.94 - a.a.O., S. 1005; Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 -
BVerwGE 102, 351 <356>). Aus § 5 Abs. 2 Nr. 2 BBauG/BauGB und den Geset-
zesmaterialien ergibt sich ferner, dass Gemeinbedarfsanlagen Einrichtungen der
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Infrastruktur darstellen, die der Gesetzgeber dem Oberbegriff der "Einrichtungen und
Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und priva-
ten Bereichs" zugeordnet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG
4 C 17.95 - a.a.O., S. 354).
§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG ermächtigte die Gemeinde (ebenso wie nunmehr § 9 Abs. 1
Nr. 5 BauGB), durch Standortvorsorge die gemeindliche Infrastruktur zu gestalten
und auf diese Weise eine auf die örtlichen Verhältnisse zugeschnittene Infrastruktur-
politik zu betreiben. Mit der standortgenauen Festsetzung von Gemeinbedarfsanla-
gen kann die Gemeinde ihre Infrastruktur wirksamer steuern als mit der Ausweisung
von Baugebieten (§§ 2 bis 11 BauNVO), die zwar je nach Gebietscharakter auch
Gemeinbedarfsanlagen (z.B. Anlagen für Verwaltungen, Anlagen für kirchliche, kultu-
relle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke) umfassen, den einzelnen Ge-
bietstypen jedoch eine Vielzahl von Nutzungsarten zuordnen und den Standort ein-
zelner Einrichtungen und Anlagen nicht festlegen. Die Ermächtigung zur standortge-
nauen Festsetzung von Gemeinbedarfsanlagen trägt einem besonderen Nutzungsin-
teresse der Allgemeinheit und dem gesteigerten Gemeinwohlbezug dieser Anlagen
Rechnung. Auf die Rechtsform des Einrichtungsträgers kommt es nicht entscheidend
an. Die Trägerschaft kann auch in der Hand einer natürlichen oder juristischen Per-
son des Privatrechts liegen. In früheren Entscheidungen hat der erkennende Senat
den erforderlichen Gemeinwohlbezug einer Anlage oder Einrichtung daher bejaht,
"wenn mit staatlicher oder gemeindlicher Anerkennung eine öffentliche Aufgabe
wahrgenommen wird, hinter der etwaiges privatwirtschaftliches Gewinnstreben ein-
deutig zurücktritt" (Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG 4 NB 15.94 - a.a.O.,
S. 1005; ebenso Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 - a.a.O.,
S. 356). Auf dieser Grundlage ist der Gemeinbedarfscharakter des Verwaltungsge-
bäudes eines Sozialversicherungsträgers (Beschluss vom 23. Dezember 1997
- BVerwG 4 BN 23.97 - NVwZ-RR 1998, 538), eines "unabhängigen selbst verwalte-
ten Kultur- und Begegnungszentrums" (Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG 4 NB
15.94 - a.a.O., S. 1004) und einer (gemeinnützigen) ambulanten Einrichtung der Dro-
genhilfe (Beschluss vom 16. Dezember 2000 - BVerwG 4 B 4.00 - NVwZ-RR 2001,
217) bejaht worden. Arztpraxen stellen dagegen keine Gemeinbedarfsanlagen im
Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB dar; ihre Zulässigkeit
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richtet sich vielmehr nach § 13 BauNVO (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996
- BVerwG 4 C 17.95 - a.a.O., S. 356).
Die vom Senat bisher herangezogenen Kriterien zur Bestimmung von Gemeinbe-
darfsanlagen im Städtebaurecht sind jedoch nicht abschließend. Die Wahrnehmung
"einer dem bloßen privatwirtschaftlichen Gewinnstreben entzogenen öffentlichen
Aufgabe" (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 - a.a.O.) ist
zwar ein herkömmliches und typisches, aber kein zwingendes Merkmal von Gemein-
bedarfsanlagen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB. Es ist als Abgren-
zungskriterium entwickelt worden, bevor mit der Liberalisierung und Privatisierung
ehemaliger Verwaltungsmonopole etwa in den Bereichen der Bahn, der Post und der
Telekommunikation neue Formen der Grundversorgung der Allgemeinheit mit
Dienstleistungen entstanden sind, die das Modell privatwirtschaftlicher Leistungs-
erbringung zur Sicherung des Allgemeinwohls mit einer besonderen staatlichen Infra-
strukturverantwortung verbinden, die marktwirtschaftlich bedingte Nachteile für die
Bevölkerung verhindern soll. Die staatliche "Gewährleistungs- und Überwachungs-
verantwortlichkeit" (vgl. Gersdorf, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III,
4. Auflage 2001, Rn. 21 zu Art. 87 f GG) kann geeignet sein, den in § 9 Abs. 1 Nr. 5
BBauG/BauGB vorausgesetzten Gemeinwohlbezug auch solcher Anlagen und Ein-
richtungen herzustellen, deren Leistungserbringung sich nach privatwirtschaftlichen
Grundsätzen vollzieht und auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist.
1.2 Post-Universaldienstleistungen nach §§ 11 ff. PostG, deren Qualitätsmerkmale
und Rahmenbedingungen seit der Liberalisierung des Postmarktes durch die Postre-
form II unter dem Vorbehalt des Gewährleistungsauftrags in Art. 87 f Abs. 1 GG ste-
hen, besitzen jenen Gemeinbedarfscharakter, der Anlagen und Einrichtungen auf
"Flächen für den Gemeinbedarf" im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG auszeichnet.
Entsprechendes gilt für den Anwendungsbereich von § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB.
Art. 87 f GG verbindet die Grundentscheidung für die Aufgabenprivatisierung auf
dem Postsektor (Absatz 2) mit dem an den Bund gerichteten Auftrag, im Bereich des
Postwesens flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu
gewährleisten (Absatz 1). Der Gewährleistungsauftrag enthält auch eine Befugnis zur
Regulierung. Der Infrastruktursicherungsauftrag soll verhindern, dass es bei und
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nach der Privatisierung des Postwesens zu einer Unterversorgung mit Dienstleistun-
gen kommt, weil der Wettbewerb (noch) nicht funktioniert oder sich auf lukrative Be-
reiche beschränkt (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 1712/01 - BVerf-
GE 108, 370 <393>). Die staatliche Infrastrukturverantwortung wird durch das
Postgesetz und die Post-Universaldienstleistungsverordnung einfach-rechtlich um-
gesetzt. Für den Vollzug wurde die Regulierungsbehörde für Post und Telekommuni-
kation errichtet (§§ 71 ff. des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996, BGBl I
S. 1120).
Die Regulierung des Postwesens ist eine hoheitliche Aufgabe des Bundes (Art. 87 f
Abs. 2 Satz 2 GG). Die staatliche Regulierung soll nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 PostG
einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb sowie eine flächende-
ckende Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen si-
cherstellen. Universaldienstleistungen sind nach § 11 PostG ein Mindestangebot an
lizenzpflichtigen Postdienstleistungen (insbesondere die Beförderung von Briefsen-
dungen und adressierten Paketen), die flächendeckend in einer bestimmten Qualität
und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden. Der Universaldienst umfasst
nur solche Dienstleistungen, "die allgemein als unabdingbar angesehen werden"
(§ 11 Abs. 1 Satz 3 PostG). Eine optimale Infrastruktur ist nicht gefordert. Die Ge-
währleistungspflicht greift gerade dort ein, wo eine Grundversorgung auf längere
Sicht im Wettbewerb nicht abzudecken ist (vgl. Uerpmann, in: von Münch/Kunig
Die Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung legt § 2 Nr. 1 PUDLV fest. Bundesweit
müssen bis zum 31. Dezember 2007 mindestens 12 000 stationäre Einrichtungen
vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen abgeschlossen
und abgewickelt werden können. In allen Gemeinden mit mehr als 2 000 Einwohnern
muss mindestens eine stationäre Einrichtung vorhanden sein. In zusammenhängend
bebauten Wohngebieten von Gemeinden mit mehr als 4 000 Einwohnern muss eine
stationäre Einrichtung in maximal 2 000 m für die Kunden erreichbar sein (vgl. § 2
Nr. 1 Sätze 4 und 5 PUDLV i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des PostG,
BGBl I 2002 S. 572). § 2 Nr. 2 bis 5 PUDLV enthält weitere Anforderungen an das
Briefkastennetz und an die Betriebsabläufe. § 13 PostG sieht die Auferlegung von
Universaldienstleistungspflichten vor, wenn feststeht oder zu besorgen ist, dass eine
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Universaldienstleistung nicht ausreichend oder angemessen erbracht wird. Vorschrif-
ten über die Entgeltregulierung (Genehmigungspflicht) enthalten §§ 19 ff. PostG.
Die Einbeziehung von Postfilialen für den Universaldienst in den Anwendungsbereich
von § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB rechtfertigt sich letztlich aus der besonderen
städtebaulichen Zielsetzung, die der Gesetzgeber diesem Festsetzungsmittel beige-
messen hat. Wie bereits ausgeführt stellt die Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 5
BBauG/BauGB ein Mittel der Standortvorsorge und der Flächensicherung für Infra-
struktureinrichtungen dar, die der Allgemeinheit dienen und einen gesteigerten Ge-
meinwohlbezug aufweisen. Darunter fällt auch die Grundversorgung mit Postdienst-
leistungen (Universaldienst), auf die ein Großteil der Bevölkerung nach wie vor an-
gewiesen ist. Der gesteigerte Gemeinwohlbezug, der die "Flächen für den Gemein-
bedarf" seit jeher kennzeichnet, zeigt sich nunmehr in der staatlichen Infrastruktur-
verantwortung und ihrer einfach-rechtlichen Ausgestaltung. Der staatliche Gewähr-
leistungsauftrag (Art. 87 f Abs. 1 GG) ermöglicht in Hinblick auf § 9 Abs. 1 Nr. 5
BBauG/BauGB zugleich die Abgrenzung der Postzwecken dienenden Gemeinbe-
darfsanlagen von sonstigen Anlagen und Einrichtungen des Postsektors sowie von
anderen privatwirtschaftlichen Dienstleistungen (etwa im Gesundheitswesen: Ärzte,
Apotheker, sonstige Heilberufe) und Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung
mit Gebrauchsgütern des täglichen Lebens (Einzelhandel, Einkaufszentren), die zwar
auch in einem weiteren Sinne dem öffentlichen Interesse (dem "allgemeinen Wohl")
dienen, von § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB aber eindeutig nicht erfasst werden.
1.3 Zur Klarstellung sei angemerkt:
Der Gemeinbedarfscharakter einer "Gemeinbedarfsfläche" mit dem Zusatz "Post"
ergibt sich nicht bereits daraus, dass § 33 Abs. 1 PostG jeden Lizenznehmer, der
Briefzustelldienstleistungen erbringt, verpflichtet, Schriftstücke unabhängig von ihrem
Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen (z.B. §§ 175 ff. ZPO) und der
Gesetze, welche die Verwaltungszustellung regeln (§ 41 VwVfG, § 3 VwZG), förmlich
zuzustellen. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 PostG ist der Lizenznehmer im Umfang dieser
Verpflichtung zwar mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet und wird als beliehener Un-
ternehmer tätig. Die förmliche Zustellung setzt jedoch einen Lizenznehmer, der
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Briefzustelldienstleistungen gewerbsmäßig erbringt, voraus und ist für den Post-
Universaldienst nicht prägend.
Der Gemeinwohlbezug einer Postfiliale für den Universaldienst besteht im Übrigen
unabhängig davon, dass der Deutschen Post AG nach der Übergangsvorschrift des
§ 51 Abs. 1 Satz 1 PostG (i.V.m. dem Ersten Gesetz zur Änderung des PostG vom
2. September 2001, BGBl I S. 2271) bis zum 31. Dezember 2007 das ausschließliche
Recht zusteht, Briefsendungen und adressierte Kataloge bis zu einem bestimmten
Einzelgewicht gewerbsmäßig zu befördern. Der Gemeinwohlbezug der Post-
Universaldienstleistungen ist insbesondere nicht an die Fortdauer dieser gesetzlichen
Exklusivlizenz geknüpft. Die Lizenzregelung, die durch Art. 143 b Abs. 2 Satz 1 GG
abgesichert wird und den stufenweisen Strukturwandel im Postsektor erleichtern soll
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 1712/01 - a.a.O., S. 397 ff.),
suspendiert zwar (übergangsweise) den Wettbewerb in den von ihr erfassten
Bereichen. Sie lässt jedoch die staatliche Infrastrukturverantwortung, die den Ge-
meinwohlbezug des Post-Universaldienstes herstellt, unberührt. Das gilt für die
Dauer der Exklusivlizenz ebenso wie für die Zeit nach ihrem Auslaufen.
Eine andere Frage ist, ob der Plangeber mit der Bezeichnung "Postamt" oder "Post-
dienstgebäude" eine Festsetzung zugunsten eines bestimmten Trägers, nämlich der
(ehemaligen) Deutschen Bundespost oder (nach Abschluss der Postreform) der
Deutschen Post AG, hat treffen wollen. Auch das betrifft zunächst die Auslegung von
Landesrecht und beurteilt sich nach der konkreten Planungssituation. Festsetzungen
einer Gemeinbedarfsanlage zugunsten eines bestimmten Trägers setzen aber vor-
aus, dass der jeweilige Bedarf dem Grunde oder seinem wesentlichen Umfang nach
nur von diesem Träger gedeckt werden kann, die Festsetzung mit ihm also "steht
oder fällt" (vgl. hierzu Bielenberg, in: Ernst/Zinkhahn/ Bielenberg/Krautzberger,
BauGB, Rn. 64 zu § 9 BauGB). Das trifft bis zum Ablauf der Exklusivlizenz für den
Universaldienst der Deutschen Post AG zu. Eine derart "individualisierte" Festset-
zung zugunsten der (ehemaligen) Deutschen Bundespost oder nunmehr der Deut-
schen Post AG wird jedoch in dem Maße fragwürdig, in dem nach Ablauf der gesetz-
lichen Exklusivlizenz auch andere private Anbieter auf den Postmarkt drängen und in
der Lage sein werden, Universaldienstleistungen ordnungsgemäß zu erbringen. Es
kann sich daher insbesondere bei der Anwendung älterer Pläne als klärungsbedürftig
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erweisen, ob die bauplanungsrechtliche Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche für
die "Post" auch andere private Anbieter von Postdienstleistungen erfassen soll, die
später auf der festgesetzten Fläche an die Stelle der zunächst in Aussicht ge-
nommenen (ehemaligen) Deutschen Bundespost oder der Deutschen Post AG treten
wollen.
1.4 Mit Urteil vom 30. Juni 2004 in dem Normenkontrollverfahren BVerwG 4 CN 7.03
(zur Veröffentlichung in BVerwGE bestimmt) hat der erkennende Senat verfassungs-
rechtliche Einwände der Deutsche Post AG, die sich auf Art. 87 f GG stützen und
gegen die Einbeziehung von Post-Universaldienstleistungen (§§ 11 ff. PostG) in den
Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerichtet sind, zurückgewiesen. Der
vorliegende Streitfall gibt keinen Anlass, diese Ausführungen hier zu wiederholen. In
der vorgenannten Entscheidung hat der Senat auch betont, dass die kommunale
Bauleitplanung sich dem Strukturwandel im Postwesen nicht verschließen darf, und
hieraus Folgerungen für die Festsetzung von Gemeinbedarfsflächen für die "Post"
nach dem Abschluss der Postreformen gezogen, die bei der planerischen Abwägung
zu berücksichtigen sind. Auch hierauf wird verwiesen.
2. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu
dem Ergebnis gelangt, das umstrittene Vorhaben der Klägerin werde von der Fest-
setzung "Postdienstgebäude, Gemeinbedarfsfläche" gedeckt. Das ist revisionsge-
richtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
2.1 Der Verwaltungsgerichtshof stellt den Rechtssatz auf, dass auf einer "Gemein-
bedarfsfläche Post", die nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG für ein Postamt der (ehemali-
gen) Deutschen Bundespost festgesetzt worden ist, eine gewerbliche Nutzung (hier:
postspezifisches Angebot von Schreib- und Papierwaren) zulässig sei, soweit sie die
Post-Universaldienstleistungen ergänze und sich der Gemeinbedarfsnutzung unter-
ordne; die Postdienstleistungen müssten die prägende Nutzung der Einrichtung blei-
ben.
Eine solche Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG ist auch nach Auffassung des
erkennenden Senats zutreffend; sie ist auf § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB übertragbar. Sinn
und Zweck der Festsetzung von "Flächen für den Gemeinbedarf" stehen diesem er-
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weiterten Normverständnis nicht entgegen. Die Festsetzung einer Gemeinbedarfsflä-
che und der ihren Nutzungszweck verdeutlichende Zusatz umschreiben das typische
Erscheinungsbild der geplanten Anlage oder Einrichtung. Der den Gemeinwohlbezug
herstellende primäre Nutzungszweck bleibt erhalten, wenn eine "Nebenleistung" hin-
zutritt, die in einem inneren Zusammenhang mit der "Hauptleistung" steht, diese je-
doch nur abrundet und von untergeordneter Bedeutung bleibt. Ob der Verkauf be-
stimmter Waren dem Hauptzweck einer Gemeinbedarfsanlage als "Nebenleistung"
zugerechnet werden kann, beurteilt sich auch nach den in der Bevölkerung vorherr-
schenden Gewohnheiten und Erwartungen sowie nach der allgemeinen Verkehrsan-
schauung. In diesem beschränkten Umfang kann die Nutzung von Gemeinbedarfs-
anlagen einem Wandel unterliegen. § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG hat sich solchen Ent-
wicklungen nicht verschlossen. Das gilt auch für Postämter der (ehemaligen) Deut-
schen Bundespost, deren standortgenaue Ausweisung auf dieser Vorschrift beruht.
Es kann inzwischen als allgemeinkundig gelten und entspricht der Lebenserfahrung,
dass ein postspezifisches Angebot an Papier- und Schreibwaren und ähnlichen Arti-
keln einen Bedarf der Postkunden erfüllt und einer allgemeinen Erwartungshaltung
beim Aufsuchen einer Postfiliale entspricht.
Unter welchen Voraussetzungen die Grenze für das "Mitziehen" einer zusätzlichen
gewerblichen "Nebennutzung" in einer Postfiliale überschritten ist, beurteilt sich nach
den Umständen des Einzelfalls. Das Berufungsgericht nennt als Beurteilungskriterien
vor allem das Verhältnis der Flächen für die Gemeinbedarfsnutzung zu den Flächen
für die sonstige Nutzung, die Verteilung der Kunden auf die beiden Nutzungsarten
und das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes. Dem ist zuzustimmen. Die Um-
wandlung eines herkömmlichen Postamtes in ein Einzelhandelsgeschäft, in dem als
stationäre Nebeneinrichtung auch Leistungen des Post-Universaldienstes (sog.
Postagenturen) angeboten werden, wäre auf einer nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/
BauGB festgesetzten Gemeinbedarfsfläche mit dem Zusatz "Post" allgemein unzu-
lässig. Daran hat die auf der Privatisierung der Post beruhende Vorschrift des § 2
Nr. 1 PUDLV, nach der sog. Postagenturen etwa auch in Lebensmittelgeschäften,
Apotheken oder Tankstellen untergebracht sein können (vgl. von Danwitz, in:
Badura, von Danwitz, Herdegen, Sedemund, Stern, Beck’scher PostG-Kommentar,
2. Auflage 2004, Rn. 6 zu § 2 PUDLV im Anhang zu § 11 PostG m.w.N.), nichts ge-
ändert.
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2.2 Die Bedenken, die die Revision aus der Sicht der betroffenen Grundeigentümer
gegen ein erweitertes Verständnis des § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB vorbringt, sind
unberechtigt. Diesen Einwänden liegt die Vorstellung zugrunde, dass die "eigentliche
Gemeinbedarfsnutzung" mit einem "weiten Spektrum möglicher Nutzungen"
verbunden werden dürfe, die inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und für plan-
unterworfene wie planexterne Grundeigentümer nicht erkennbar seien. Das trifft nicht
zu. Eine zusätzliche gewerbliche Nutzung ist wie ausgeführt in einer Postfiliale
("Postamt") auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB nur zulässig,
wenn sie die Postdienstleistungen inhaltlich ergänzt und räumlich von untergeordne-
ter Bedeutung bleibt. Insbesondere das Erfordernis eines inneren Zusammenhangs
schränkt den Kreis der "postfremden" Nutzungen, die auf einer "Gemeinbedarfsflä-
che Post" zulässig sein können, erheblich ein. Der Verkauf von Papier- und Schreib-
waren (und ähnlichen Artikeln des Bürobedarfs) dürfte heute jedenfalls für die
Grundeigentümer in der Nachbarschaft einer Postfiliale nicht mehr überraschend
sein. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im Falle einer nach § 9
Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB unzulässigen gewerblichen Nutzung in einer Postfiliale
die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommt, kommt es
daher hier nicht an.
2.3 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts werden in der hier streitbefan-
genen Postfiliale die zur Grundversorgung erforderlichen Postdienstleistungen (sog.
Universaldienst) erbracht. Die Vorinstanz hat ferner im Wege der Augenscheinsein-
nahme festgestellt, dass diese Postdienstleistungen auch nach dem Umbau und der
von der Klägerin in erster Linie geplanten umfangreicheren Nutzungsänderung
("großes Sortiment") die prägende Nutzung der Postfiliale bleiben werden:
Das Vorhaben verändere das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes nicht und be-
rühre nur einen untergeordneten Teil der Gebäude- und Freiflächen. Nach den Bau-
vorlagen sei nur der Schalterraum betroffen, der weniger als ein Drittel der Gesamt-
nutzfläche des Gebäudes umfasse. Die anderen Räume sollten weiterhin für Post-
dienstleistungen genutzt werden (vor allem für die "Packkammer", den "Briefein- und
Briefabgang" sowie für "Postfächer, Kundenentnahme"). Das gelte auch für die gro-
ßen Stellflächen auf der Rückseite des Gebäudes. Im Schalterraum selbst sollten
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zwar etwa zwei Drittel der Fläche für den Verkauf von Schreibwaren und ähnlichen
Artikeln genutzt werden. Nach Beobachtungen des Berufungsgerichts bei in ähnli-
cher Weise umgebauten Postfilialen sei aber zu erwarten, dass der deutlich über-
wiegende Teil der Kunden die Filiale weiterhin für Postdienstleistungen aufsuchen
und das zusätzliche Angebot allenfalls bei dieser Gelegenheit nutzen werde. Die
Nutzung des Gebäudes werde somit auch in Zukunft durch den Postlieferverkehr,
das Kommen und Gehen der Briefträger sowie durch Kunden, die Postdienstleistun-
gen in Anspruch nehmen, geprägt sein.
Die Revision greift diese Sachverhaltswürdigung nicht mit Verfahrensrügen an. Sie
ist das Ergebnis einer Beweisaufnahme, an das der erkennende Senat gebunden ist
(§ 137 Abs. 2 VwGO), und wird den Anforderungen, die § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/
BauGB nach den vorstehenden Ausführungen an die Festsetzung einer Gemeinbe-
darfsfläche für die "Post" und deren Fortgeltung stellt, gerecht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Gatz
Dr. Jannasch
Richterin am BVerwG
Dr. Philipp ist wegen
Urlaubs gehindert zu
unterschreiben.
Dr. Paetow
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 112,92 €
festgesetzt.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Gatz
Dr. Jannasch
Richterin am BVerwG
Dr. Philipp ist wegen
Urlaubs gehindert zu
unterschreiben.
Dr. Paetow
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Bauplanungsrecht
Fachpresse:
ja
Verfassungsrecht
Rechtsquellen:
BBauG
§ 9 Abs. 1 Nr. 5
BauGB
§ 9 Abs. 1 Nr. 5, § 1 Abs. 6
GG
Art. 87 f
PostG
§§ 11 ff.
Stichworte:
Nutzungsänderung in Postgebäude; Flächen für den Gemeinbedarf; Festsetzung als
"Postdienstgebäude"; Funktionslosigkeit der Festsetzung; Privatisierung der Post;
Infrastrukturverantwortung des Staates; Post-Universaldienst; gewerbliche Neben-
nutzung; Verkauf von Papier- und Schreibwaren.
Leitsätze:
1. Eine nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG getroffene Festsetzung einer Gemeinbedarfs-
fläche für ein "Postdienstgebäude" der (ehemaligen) Deutschen Bundespost ist durch
die Privatisierung der Post im Zuge der Postreform II nicht funktionslos geworden,
soweit sie nunmehr der Erbringung von Post-Universaldienstleistungen im Sinne von
§§ 11 ff. PostG dient.
2. Auf einer Gemeinbedarfsfläche, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG/BauGB für ein
Postamt der (ehemaligen) Deutschen Bundespost oder nach Abschluss der Postre-
form für eine Postfiliale der Deutschen Post AG festgesetzt wurde, ist eine gewerbli-
che "Nebennutzung" (hier: postspezifisches Angebot von Papier- und Schreibwaren)
zulässig, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit den Post-Universaldienst-
leistungen steht und im Verhältnis zu diesen von untergeordneter Bedeutung bleibt.
Urteil des 4. Senats vom 30. Juni 2004 - BVerwG 4 C 3.03
I. VG München vom 14.03.2001 - Az.: VG M 9 K 00.2389 -
II. VGH München vom 11.04.2003 - Az.: VGH 1 B 01.2220 -