Urteil des BVerwG vom 13.03.2003

Standort der Anlage, Raumordnung, Regionalplanung, Ausschluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 3.02
Verkündet
OVG 8 A 11089/01
am 13. März 2003
Salli-Jarosch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. L e m m e l , H a l a m a , Prof. Dr. R o j a h n
und Dr. J a n n a s c h
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom
20. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisions-
verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die diese selbst
trägt.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung zur Errichtung einer
Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 85 m im Außenbereich
der beigeladenen Gemeinde U.
Der gegenwärtig geltende Flächennutzungsplan der Verbandsge-
meinde N., zu der die Beigeladene gehört, stellt das Grund-
stück und seine Umgebung als landwirtschaftliche Nutzfläche
dar; Flächen für Windenergieanlagen sind im Flächennutzungs-
plan nicht dargestellt.
Die Teilfortschreibung des Regionalen Raumordnungsplans Region
Trier für den Teilbereich "Windkraft" vom 5. Mai 1997 enthält
dagegen Festsetzungen für Windkraftanlagen. In der den gesam-
ten Geltungsbereich umfassenden Karte sind als Ziele der Regi-
onalplanung bezeichnete Entwicklungsbereiche für die Windkraft
und Ausschlussbereiche für Windkraftanlagen ausgewiesen. Au-
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ßerdem sind Resträume, sog. "weiße Flächen", vorhanden, die zu
keinem dieser Bereiche gehören. Der Text des Plans enthält
hierzu folgenden Grundsatz: "Außerhalb der Entwicklungs- und
Ausschlussbereiche kann die Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1
BauGB nur im Rahmen der Flächennutzungsplanung erfolgen." Der
Standort der streitigen Windenergieanlage liegt im Bereich ei-
ner "weißen Fläche".
Die beigeladene Ortsgemeinde erteilte ihr Einvernehmen zu dem
Vorhaben. Gleichwohl lehnte der Beklagte den Bauantrag der
Klägerin mit Bescheid vom 19. Mai 1999 ab, weil dem Vorhaben
Belange der Landesplanung und Raumordnung entgegenstünden. Den
Widerspruch der Klägerin wies der Kreisrechtsausschuss des Be-
klagten mit Bescheid vom 21. März 2000 zurück. Zur Begründung
wurde ausgeführt: Die von der Klägerin geplante Windkraftanla-
ge sei ein raumbedeutsames Vorhaben. Sie sei nach § 35 Abs. 3
Satz 2 BauGB unzulässig, weil sie den Zielen der Raumordnung
widerspreche; der Regionale Raumordnungsplan stehe dem Vorha-
ben entgegen, weil der Standort der Anlage außerhalb des aus-
gewiesenen Entwicklungsbereichs liege. Darüber hinaus ergebe
sich die Unzulässigkeit des Vorhabens auch aus § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom
10. Januar 2001 verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung zu
erteilen. Die Berufung des Beklagten wurde mit Urteil vom
20. Februar 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Be-
rufungsgericht aus:
Das Vorhaben sei gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zulässig, weil
öffentliche Belange nicht entgegenstünden. Die in § 35 Abs. 3
Nr. 1 bis 7 BauGB aufgeführten öffentlichen Belange würden
nicht oder nicht nennenswert betroffen. Die Ablehnung könne
auch nicht auf § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB gestützt werden. Zwar
liege das Baugrundstück in einem durch den Regionalen Raumord-
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nungsplan für die Region Trier von 1985 ausgewiesenen Vorrang-
gebiet für die Erholung. Diese Vorrangfunktion stehe hier je-
doch der Zulassung einer Windkraftanlage nicht entgegen. Der
Regionale Raumordnungsplan "Teilfortschreibung für den Bereich
Windkraft" von 1997 – RROP Windkraft - enthalte für den ge-
planten Standort keine Zielaussage; vielmehr befinde er sich
in einem sog. weißen Bereich, dem in diesem Plan keine beson-
dere Funktion zugewiesen sei.
Der RROP Windkraft enthalte auch keine als Ziel der Raumord-
nung verbindliche Ausweisung von Flächen für Windenergieanla-
gen an anderer Stelle i.S. von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Es
fehle nämlich eine räumlich und sachlich bestimmte und vom
Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewoge-
ne Standortfestlegung, die die betreffende Nutzung auf be-
stimmte Bereiche konzentriere und ihre Zulässigkeit für alle
anderen Bereiche ausschließen solle. Zwar seien im Plan einer-
seits Ausschlussbereiche und andererseits Teilbereiche als be-
sonders gut geeignete Entwicklungsbereiche für die Windkraft
festgelegt worden. Eine abschließende abwägende Entscheidung
für die restlichen Gebiete ("weiße Flächen") sei aber nicht
getroffen worden. Vielmehr sollten die Träger der Flächennut-
zungsplanung befugt sein, weitere Standorte auszuweisen. Die
Festsetzung von Entwicklungsbereichen führe daher nicht gemäß
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zur Unzulässigkeit von Windenergiean-
lagen in den sog. weißen Bereichen.
Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
eingelegt. Zur Begründung hat er zunächst ausgeführt, die Auf-
fassung des Berufungsgerichts, der RROP Windkraft enthalte
keine als Ziel der Raumordnung verbindliche Ausweisung von
Flächen für Windenergieanlagen an anderer Stelle i.S. von § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB, sei mit Wortlaut und Sinn der Vorschrift
nicht vereinbar. Die Aussage im Regionalplan, dass Bau und Be-
trieb von Windkraftanlagen in den Entwicklungsbereichen Ziel
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der Regionalplanung sei, reiche aus, um die Sperrwirkung des
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in den anderen Gebieten auszulösen.
Der Ausschluss von Windenergieanlagen solle nach dem Raumord-
nungsplan grundsätzlich auch für die sog. Resträume gelten.
Später hat der Beklagte ergänzend vorgetragen: In der Sitzung
der Planungsgemeinschaft Region Trier vom 2. Juli 2002 habe
die Regionalvertretung den Beschluss zur Aufstellung einer
weiteren Teilfortschreibung "Windenergie" des Regionalplans
gefasst und gleichzeitig den Planentwurf als Anhörungsentwurf
für das Beteiligungsverfahren nach § 13 Abs. 1 LPlG RP be-
schlossen. Ziel der Teilfortschreibung sei es, die raumbedeut-
samen Windenergieanlagen auf Vorranggebiete zu konzentrieren
und die Windenergienutzung außerhalb dieser Gebiete auszu-
schließen. Mit der Beschlussfassung hätten diese in Aufstel-
lung befindlichen Ziele der Raumordnung die Rechtsqualität von
"sonstigen Erfordernissen der Raumordnung" i.S. von § 3 Nr. 4
ROG erlangt, von denen schon jetzt ein Berücksichtigungsgebot
ausgehe. Danach seien die Zielsetzungen bei Entscheidungen
über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Windenergieanlagen zu
berücksichtigen. Der Standort der streitigen Windenergieanlage
sei nicht als Vorranggebiet vorgesehen. Ferner habe die Ver-
bandsgemeinde N. am 25. Februar 2003 eine Fortschreibung des
Flächennutzungsplans, Teilbereich Windkraft, beschlossen, in
dem der Standort ebenfalls nicht als Vorrangfläche dargestellt
werde. Der Planentwurf besitze Planreife im Sinne von
§ 33 BauGB und sei deshalb ebenfalls bereits zu berücksichti-
gen.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 2002 und das Urteil des Ver-
waltungsgerichts Trier vom 10. Januar 2001 zu ändern und die
Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfswei-
se, festzustellen, dass der Beklagte bis zum 25. Februar 2003
verpflichtet war, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
Sie tritt der Revision entgegen.
Die beigeladene Gemeinde unterstützt den Beklagten, ohne einen
eigenen Antrag zu stellen.
II.
A) Die Revision ist zulässig. Zwar hat der Beklagte innerhalb
der Zwei-Monats-Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO für die Re-
visionsbegründung, zu der nach Satz 4 der Vorschrift auch die
Antragstellung gehört, keinen förmlichen Antrag gestellt. Das
Fehlen eines förmlichen Revisionsantrags ist jedoch unschäd-
lich, wenn das Ziel der Revision bereits aus der Tatsache ih-
rer Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der
Revisions(begründungs)frist abgegebenen Erklärungen ersicht-
lich ist (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 22. September
1961 - BVerwG 4 C 188.60 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 4; Ur-
teil vom 10. Dezember 1981 - BVerwG 3 C 27.80 - Buchholz 310
§ 139 VwGO Nr. 59). So ist es hier; das Ziel der Revision
konnte nur in der Abweisung der Klage bestehen.
B) Die Revision ist aber unbegründet. Das Berufungsurteil ist
bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Das neue Vorbringen des
Beklagten ist für das Revisionsverfahren unbeachtlich.
1. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Be-
rufungsgerichts, die die Revision nicht angreift, ist die
Windkraftanlage der Klägerin planungsrechtlich zulässig. Ihr
stehen keine öffentlichen Belange entgegen.
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a) Das Berufungsgericht führt aus, das nach § 35 Abs. 1 Nr. 6
BauGB privilegierte Vorhaben der Klägerin widerspreche weder
den Darstellungen des (geltenden) Flächennutzungsplans noch
den übrigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 7 BauGB aufgeführ-
ten öffentlichen Belangen. Die Revision nimmt dies hin. Ein
Rechtsfehler ist nicht erkennbar.
b) Das Berufungsgericht führt weiter aus, dass die Ablehnung
des Bauantrags auch nicht auf § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB ge-
stützt werden könne. Zu Recht akzeptiert die Revision auch
diese Beurteilung. Das Berufungsgericht verneint nämlich einen
Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung, weil der Regionale
Raumordnungsplan Windkraft aus dem Jahre 1997 (RROP Windkraft
1997) für den geplanten Standort überhaupt keine Zielaussage
enthalte; denn er befinde sich in einem sog. weißen Bereich,
dem in diesem Plan keine besondere Funktion zugewiesen sei.
Damit beruht die Beurteilung des Berufungsgerichts auf der An-
wendung von Landesrecht; an sie ist der Senat gebunden (§ 137,
§ 173 VwGO, § 560 ZPO).
c) Die Ablehnung des Bauantrags kann schließlich auch nicht
auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gestützt werden. Das Berufungsge-
richt führt im Einzelnen aus, dass die Vorschrift voraussetze,
dass der Träger der Landes- oder Regionalplanung eine umfas-
sende Abwägungsentscheidung für sämtliche Flächen des Plange-
biets getroffen habe. Daran fehle es hier. Im Hinblick auf die
restlichen Gebiete ("weiße Flächen") sollten die Träger der
Flächennutzungsplanung befugt sein, weitere Standorte auszu-
weisen. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der
Revision sind unbegründet.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom
13. März 2003 - BVerwG 4 C 4.02 -, im Anschluss an das Urteil
vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - zur Veröffentli-
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chung vorgesehen) ist bei der Auslegung und Anwendung von § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB von folgenden Grundsätzen auszugehen:
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stellt die Errichtung von Windener-
gieanlagen (sowie anderer Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis
6 BauGB) im gemeindlichen Außenbereich unter einen Planungs-
vorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flächen-
nutzungsplanung und an die Träger der Raumordnungsplanung,
insbesondere der Regionalplanung, richtet. Der Planungsvorbe-
halt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über
die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Stand-
orten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an
anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben
wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Festlegun-
gen rechtliche Ausschlusswirkung gegenüber dem Bauantragstel-
ler mit der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrations-
zonen in der Regel unzulässig sind. Die negative und die posi-
tive Komponente der festgelegten Konzentrationszonen bedingen
einander. Der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plange-
biets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur recht-
fertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffe-
nen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nut-
zungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges ge-
samträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allge-
meinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots
gerecht wird. Die Abwägung aller beachtlichen Belange muss
sich auf die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen
Standorte erstrecken. Eine normative Gewichtungsvorgabe, der
zufolge ein Planungsträger der Windenergienutzung im Sinne ei-
ner speziellen Förderungspflicht bestmöglich Rechnung zu tra-
gen habe, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen.
Eine gezielte (rein negative) "Verhinderungsplanung" ist dem
Plangeber jedoch verwehrt. Er muss die Entscheidung des Ge-
setzgebers, Windenergieanlagen im Außenbereich zu privilegie-
ren (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB), beachten und für die Windener-
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gienutzung im Plangebiet in substantieller Weise Raum schaf-
fen. Eine "Verhinderungsplanung" liegt allerdings nicht schon
dann vor, wenn die Festlegung von Konzentrationsflächen im Er-
gebnis zu einer Art Kontingentierung der Anlagenstandorte
führt.
Diesen Grundsätzen genügt der Regionale Raumordnungsplan Wind-
kraft 1997 jedenfalls hinsichtlich der weißen Flächen nicht.
Daher wird die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB
nicht ausgelöst.
Bereits nach ihrer Kennzeichnung und rechtlichen Einordnung
enthält der RROP keine Ziele (§ 3 Nr. 2 ROG) für die weißen
Flächen. Denn der sie betreffende Text wird ausdrücklich als
Grundsatz bezeichnet (§ 3 Nr. 3 ROG). Auch ihre inhaltlichen
Aussagen machen deutlich, dass ihnen noch kein die Ausschluss-
wirkung auslösender Zielcharakter zukommen soll. Zwar sollen
nach dem Willen des Plangebers auf den weißen Flächen Wind-
kraftanlagen offenbar ausgeschlossen sein. Ihre Privilegierung
soll aber im Rahmen der Flächennutzungsplanung möglich blei-
ben.
Insoweit fehlt dem Plan ferner ein gesamträumliches Planungs-
konzept, dessen Abgewogenheit gegenwärtig überprüft werden
könnte. Für die sog. "weißen Flächen" hat der Plangeber nach
seinem eigenen Selbstverständnis noch keine abschließende
raumordnerische Entscheidung getroffen. Zwar ist deutlich,
dass auch auf den "weißen Flächen" - jedenfalls zunächst -
Windkraftanlagen ausgeschlossen sein sollen. Diese Entschei-
dung des Plangebers ist jedoch nur vorläufig. Im Unterschied
zu den als Ausschlussbereich festgesetzten Flächen sollen auf
den "weißen Flächen" Windkraftanlagen im Wege der Flächennut-
zungsplanung zugelassen werden können.
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Im Übrigen sind die Aussagen des Regionalen Raumordnungsplans
Windkraft 1997 über die (Un-)Zulässigkeit von Windkraftanlagen
auf den "weißen Flächen" auch widersprüchlich. Denn nach dem
Willen des Plangebers soll einerseits die Kennzeichnung von
Entwicklungsbereichen für die Windkraft dazu dienen, die Er-
richtung von Windkraftanlagen auch auf den "weißen Flächen"
auszuschließen. Andererseits soll es aber den Gemeinden oder
Gemeindeverbänden gleichwohl gestattet sein, durch Änderungen
der Flächennutzungspläne im Bereich der "weißen Flächen" wei-
tere Konzentrationszonen für Windkraftanlagen zu schaffen. Ob
derartige Darstellungen im Flächennutzungsplan mit dem Anpas-
sungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB vereinbar wären, wenn der Aus-
schluss von Windkraftanlagen raumordnungsrechtlich wirklich
beabsichtigt wäre, ist zweifelhaft. Dem braucht aber nicht
weiter nachgegangen zu werden, weil die Festsetzung von Kon-
zentrationszonen ohne ein Gesamtkonzept für den Planbereich
die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht her-
beiführen kann.
2. Auch der neue Sachvortrag des Beklagten ist nicht geeignet,
der Revision zum Erfolg zu verhelfen.
a) Allerdings sind Rechtsänderungen, die während der Anhängig-
keit des Revisionsverfahrens eintreten, in dem gleichen Umfang
für das Revisionsgericht beachtlich, wie sie die Vorinstanz
beachten müsste, wenn sie jetzt entschiede (stRspr, vgl. z.B.
BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1972 - BVerwG 4 C 6.71 -
BVerwGE 41, 227 <230>). Für eine auf Erteilung einer Baugeneh-
migung gerichtete Klage kommt es also auch im Revisionsverfah-
ren grundsätzlich darauf an, ob im Zeitpunkt der Entscheidung
ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung besteht. Das gilt je-
doch nur für Änderungen der Rechtslage. Neue Tatsachen, die
erst während des Revisionsverfahrens entstanden sind, können
dagegen regelmäßig nicht in dieses Verfahren eingeführt werden
(vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1984 - BVerwG 4 C 43.81 -
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BVerwGE 68, 311 <317>; Urteil vom 20. Oktober 1992 - BVerwG
9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <106>). Dies gilt auch für die
Vorgänge, deren Berücksichtigung der Beklagte im vorliegenden
Revisionsverfahren wünscht.
Zum einen trägt die Revision vor, während des Revisionsverfah-
rens sei ein Beschluss zur Aufstellung einer weiteren Teil-
fortschreibung "Windenergie" des Regionalplans gefasst und
gleichzeitig der Planentwurf als Anhörungsentwurf für das Be-
teiligungsverfahren nach § 13 Abs. 1 LPlG RP beschlossen wor-
den. Ziel der Teilfortschreibung sei es, die raumbedeutsamen
Windenergieanlagen auf Vorranggebiete zu konzentrieren und die
Windenergienutzung außerhalb dieser Gebiete - auch auf dem
Grundstück der Klägerin - auszuschließen. Mit diesem Vortrag
kann der Beklagte im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
Denn er macht nicht geltend, dass sich das Recht geändert ha-
be, sondern trägt nur neue Tatsachen vor. Dass die Beschlüsse
der Regionalvertretung möglicherweise zu einer anderen recht-
lichen Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits führen könn-
ten, ändert nichts an ihrer Einordnung als Tatsachen. Dabei
kann unentschieden bleiben, ob ein - nicht als förmlicher
Rechtssatz erlassener - Regionalplan materiellen Rechtsnorm-
charakter hat oder haben kann (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom
20. Januar 1984 - BVerwG 4 C 43.81 - BVerwGE 68, 311 <317>)
und deshalb zu beachten wäre, wenn er während des Revisions-
verfahrens in Kraft tritt. Denn nach dem eigenen Vortrag der
Revision ist die Fortschreibung "Windenergie" des Regional-
plans bisher nicht in Kraft getreten, sondern befindet sich
erst im Entwurfsstadium. Das genügt nicht, um eine Rechtsände-
rung annehmen zu können.
Zum anderen macht die Revision geltend, die Verbandsgemeinde
N. habe inzwischen eine Fortschreibung des Flächennutzungs-
plans, Teilbereich Windkraft, beschlossen, in dem der Standort
ebenfalls nicht als Vorrangfläche dargestellt werde. Diese
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Fortschreibung sei zwar noch nicht in Kraft getreten, besitze
jedoch Planreife im Sinne von § 33 BauGB. Auch aus diesem Vor-
trag ergibt sich keine für das Revisionsverfahren relevante
Rechtsänderung. Dabei kann auch hier offen bleiben, ob im In-
Kraft-Treten eines Flächennutzungsplans, der nach der Recht-
sprechung des Senats nicht als Rechtsnorm anzusehen ist
(BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1990 - BVerwG 4 N 3.88 - ZfBR
1990, 296; Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 10.01 -
ZfBR 2003, 148), eine derartige Rechtsänderung liegen kann.
Der Entwurf eines Flächennutzungsplans bzw. der Entwurf einer
Änderung eines Flächennutzungsplans stellt jedenfalls keine im
Revisionsverfahren beachtliche Rechtsänderung dar.
b) Darüber hinaus ist zumindest sehr zweifelhaft, ob das neue
Vorbringen des Beklagten materiell geeignet wäre, die Versa-
gung der begehrten Baugenehmigung zu rechtfertigen.
Gegen die Annahme, dass im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB
auch Planentwürfe beachtlich sein könnten, spricht schon der
Wortlaut dieser Vorschrift. In ihr ist von Darstellungen im
Flächennutzungsplan und von Zielen der Raumordnung und nicht
- wie sinngemäß in § 33 BauGB - von Planentwürfen die Rede.
Ferner setzt die rechtliche Möglichkeit, im Außenbereich pri-
vilegierte Vorhaben gleichwohl gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB
an bestimmten Standorten auszuschließen, voraus, dass diese
Vorhaben durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder durch
Ausweisung als Ziele der Raumordnung an anderer Stelle zuge-
lassen worden sind. Hierfür bedarf es, wie bereits ausgeführt
worden ist, einer abgewogenen Planung auf der Grundlage eines
gesamträumlichen Planungskonzepts. Nur wenn durch Planung si-
chergestellt ist, dass die in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB
genannten Vorhaben in Teilbereichen des Plangebiets errichtet
werden können, lässt sich ihr Ausschluss an anderer Stelle
rechtfertigen. Deshalb folgt aus dem Sinn des § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB, dass seine Ausschlusswirkung nicht nur von einer
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materiell rechtmäßigen Planung abhängt, sondern dass die Pläne
auch formell in Kraft getreten sein müssen (im Ergebnis so
auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Januar 1999 - 1 L
5538/97 - NuR 1999, 289 - BRS 62 Nr. 111; OVG Bautzen, Urteil
vom 18. Mai 2000 - 1 B 29/98 - NuR 2002, 162 = SächsVBl. 2000,
244).
Ob die Darstellungen eines Flächennutzungsplanentwurfs einem
im Außenbereich privilegierten Vorhaben als öffentlicher Be-
lang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen kön-
nen, braucht nicht entschieden zu werden. Gegen diese Möglich-
keit spricht zwar nicht schon, dass der Entwurf eines Flächen-
nutzungsplans in dem Katalog der öffentlichen Belange des § 35
Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht ausdrücklich erwähnt wird. Denn die-
se Aufzählung ist nicht abschließend (BVerwG, Urteil vom
15. Mai 1997 - BVerwG 4 C 23.95 - ZfBR 1997, 322). Fraglich
ist aber, ob nach der Wertung des Gesetzgebers, wie sie sich
aus den Regelbeispielen der Vorschrift ergibt, nicht nur die
Darstellungen eines wirksamen Flächennutzungsplans, sondern
bereits die eines Planentwurfs für die Zulassung von Vorhaben
im Außenbereich beachtlich sein sollen. In seinem Beschluss
vom 9. August 1976 - BVerwG 4 B 153.75 - (Buchholz 406.11 § 35
BBauG Nr. 129) hat der erkennende Senat entschieden, dass sich
Flächennutzungspläne, die sich in der Aufstellung befinden,
als hinderlicher öffentlicher Belang jedenfalls dann nicht
auswirken, wenn das Anregungsverfahren nach § 2 Abs. 6 Satz 2
BBauG (= § 3 Abs. 2 BauGB) noch nicht durchgeführt worden ist.
Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, diesen Fragen weiter
nachzugehen. Denn der Entwurf eines Flächennutzungsplans kann
jedenfalls nur dann ein öffentlicher Belang im Sinne von § 35
Abs. 3 Satz 1 BauGB sein, wenn er im Sinne von § 33 BauGB
"planreif" ist. Daran fehlt es hier aber. Zwar hat die Ver-
bandsgemeinde N. am 25. Februar 2003 die Fortschreibung des
Flächennutzungsplans beschlossen und dabei die Darstellungen
über die Zulässigkeit von Windkraftanlagen für das Gebiet der
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beigeladenen Ortsgemeinde gebilligt. Nach dem eigenen Vortrag
des Beklagten hat sie jedoch auch beschlossen, den Planentwurf
für eine andere Ortsgemeinde zu ändern und ihn insoweit erneut
auszulegen. Wenn es Aufgabe der Verbandsgemeinde ist, für ihre
Mitglieder einen einheitlichen Flächennutzungsplan aufzustel-
len, so muss die Planreife für das gesamte Verbandsgebiet ge-
geben sein. Wegen der angestrebten Ausschlusswirkung nach § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB lässt sich die Planung der Windenergiean-
lagen nicht auf Teilbereiche des Verbandsgebiets beschränken.
Ob die begehrte Baugenehmigung wegen des von der Regionalver-
tretung beschlossenen neuen Entwurfs der Teilfortschreibung
des Regionalen Raumordnungsplans - Kapitel Energieversor-
gung/Teilbereich Windenergie - gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB
zu versagen wäre, ist ungewiss. Zutreffend ist allerdings der
rechtliche Ansatz der Revision. Nach § 3 Nr. 4 ROG gehören zu
den sonstigen Erfordernissen der Raumordnung auch Ziele der
Raumordnung, die sich in der Aufstellung befinden. Schon diese
in Aufstellung befindlichen Ziele sind bei behördlichen Ent-
scheidungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen
auch von Personen des Privatrechts nach Maßgabe der für diese
Entscheidungen geltenden Vorschriften zu berücksichtigen (§ 4
Abs. 4 Satz 1 ROG). Im Rahmen der Entscheidung über die Zuläs-
sigkeit einer (raumbedeutsamen) Windkraftanlage im Außenbe-
reich besitzt das in Aufstellung befindliche Ziel zwar nicht
das Gewicht, das § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB den bereits
wirksam festgesetzten Zielen der Raumordnung verleiht. Es kann
jedoch als unbenannter, durch § 4 Abs. 4 Satz 1 ROG konkreti-
sierter öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1
BauGB beachtlich sein (vgl. VG Leipzig, Urteil vom 23. August
2001 - 4 K 1798/96 – SächsVBl. 2002, 177) und sich je nach den
Umständen des Einzelfalls auch gegenüber einem im Außenbereich
privilegierten Vorhaben wie einer Windenergieanlage durchset-
zen. Darüber ist im Wege einer nachvollziehenden Abwägung zu
entscheiden. Weiterführende Hinweise kann der Senat hierzu
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nicht geben, weil es an den hierfür erforderlichen tatsächli-
chen Feststellungen fehlt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs.
3 VwGO.
Paetow
Lemmel
Halama
Rojahn
Jannasch
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren
wird auf 30 422 € festgesetzt.
Paetow
Lemmel
Halama
Rojahn
Jannasch
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Bauplanungsrecht
Fachpresse:
ja
Raumordnungsrecht
Rechtsquellen:
BauGB § 35 Abs. 3
ROG § 3 Nr. 4; § 4 Abs. 4 Satz 1
Stichworte:
Regionalplanung; Windenergienutzung; Ausschluss von Windener-
gieanlagen; gesamträumliches Planungskonzept; Rechtsänderung
im Revisionsverfahren.
Leitsätze:
1. Ist in einem Standorte für Windenergieanlagen ausweisenden
Raumordnungsplan für bestimmte Flächen noch keine abschließen-
de raumordnerische Entscheidung getroffen und fehlt es daher
an einem schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept, kann
der Raumordnungsplan die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB nicht entfalten (im Anschluss an BVerwG, Urteil
vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - und Urteil vom
13. März 2003 - BVerwG 4 C 4.02.).
2. Entwürfe von Regionalplänen und Flächennutzungsplänen sind
keine im Revisionsverfahren zu beachtenden Rechtsänderungen.
Urteil des 4. Senats vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 -
I. VG Trier vom 10.01.2001 - Az.: VG 5 K 540/00.TR -
II. OVG Koblenz vom 20.02.2002 - Az.: OVG 8 A 11089/01 -