Urteil des BVerwG vom 16.02.2012

Rechtliches Gehör, Beiladung, Gemeinde, Stadt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 C 2.10
VGH 11 C 359/08.T
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:
Die Anträge
1. der Gemeinde E., …,
2. der Stadt G., …,
3. der Gemeinde Gr., …,
4. der Gemeinde R., …,
5. der Stadt W., …,
6. der Frau Dr. Ursula F., …,
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7. der Frau Pamela B., …,
8. des Herrn Dr. Stefan G., …,
9. der Frau Elli K., …,
10. des Herrn Michael M., …,
11. des Herrn Dr. Georg N., …,
12. des Herrn Dr. Burkhart R., …,
13. der Frau Barbara S., …,
14. der Frau Kristine von L., …,
15. des Herrn Michael W., …,
16. der Frau Dr. Ingrid S., …,
17. des Herrn Dr. Timm-Peter S., …
auf Beiladung werden abgelehnt.
G r ü n d e :
I
Die Kläger haben neben einer Vielzahl anderer klagender Kommunen, Unter-
nehmen und Privatpersonen Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des
Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom
18. Dezember 2007 für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main erhoben.
Von diesen Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof insgesamt zwölf Verfah-
ren - unter anderem dasjenige der Kläger - als Musterverfahren vorab durchge-
führt und die restlichen Klageverfahren gemäß § 93a Abs. 1 Satz 1 VwGO bis
zum rechtskräftigen Abschluss der Musterverfahren ausgesetzt. Soweit die Klä-
ger mit ihrer Klage in erster Instanz unterlegen sind, haben sie neben anderen
Musterklägern Revision eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012 haben Kläger, deren Verfahren ausge-
setzt worden sind, beantragt, im vorliegenden Revisionsverfahren beigeladen
zu werden. Hilfsweise wollen sie sichergestellt wissen, dass sie die Möglichkeit
erhalten, von ihrem Recht auf „passive“ Teilnahme an der mündlichen Verhand-
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lung im Revisionsverfahren Gebrauch zu machen, indem ein entsprechend
großer Verhandlungsraum gewählt oder die Verhandlung audiovisuell in einen
oder mehrere geeignete Räume übertragen wird.
II
Die Anträge auf Beiladung sind abzulehnen.
Offen bleiben kann, ob einer Beiladung der Kläger in den ausgesetzten Verfah-
ren bereits der Zweck des § 93a VwGO entgegensteht. Die Beiladung ist jeden-
falls gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig. Ein Fall der notwendigen
Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO), die gemäß § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch in
der Revisionsinstanz beschlossen werden kann, liegt nicht vor.
Grundrechtliche Positionen der Kläger in den ausgesetzten Verfahren wie ins-
besondere deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder das
Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zwingen nicht zu einer
einschränkenden Auslegung des § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ob der Anspruch
der Kläger in den ausgesetzten Verfahren auf rechtliches Gehör und auf effekti-
ven Rechtsschutz gewahrt wird, hängt insbesondere von der konkreten Gestal-
tung der sich an die Musterverfahren anschließenden Nachverfahren ab (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1188/10 - NVwZ 2011, 611
Rn. 11, m.w.N.). Es unterliegt der Entscheidungskompetenz des Gerichts, ob es
in den Nachverfahren zum „normalen“ Urteilsverfahren oder zum vereinfachten
Beschlussverfahren des § 93a Abs. 2 VwGO übergeht. Im vereinfachten Be-
schlussverfahren hat es darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in wel-
chem Maße es von den in § 93a Abs. 2 Satz 2 und 3 VwGO ermöglichten Er-
leichterungen bei der Beweisaufnahme Gebrauch macht. Im Rahmen dieser
Möglichkeiten zur Verfahrensgestaltung hat das Gericht auch den verfassungs-
rechtlichen Ansprüchen auf rechtliches Gehör und auf Gewährung effektiven
Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Verkürzt es diese Ansprüche, kann dies
im Rahmen der gegen die Entscheidung im Nachverfahren eröffneten Rechts-
mittel gerügt werden. Einer Beiladung der Kläger in den ausgesetzten Verfah-
ren in den Musterverfahren bedarf es nicht.
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Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er keine Veranlassung sieht,
den als Anregungen zur Verfahrensgestaltung auszulegenden „Hilfsanträgen“
näherzutreten, den Klägern der ausgesetzten Verfahren die Möglichkeit auf
„passive“ Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in den Muster-Revisions-
verfahren durch Bereitstellung eines noch größeren Verhandlungsraums oder
eine audiovisuelle Übertragung der Verhandlung zu ermöglichen.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz
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