Urteil des BVerwG vom 26.04.2007

Anwohner, Grundstück, Überwiegendes Öffentliches Interesse, Schutz der Gesundheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 4 C 12.05
am 26. April 2007
OVG 2 Bf 345/02
Oertel
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn, Gatz und
Dr. Jannasch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgi-
schen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Juni 2005 wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens ein-
schließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigelade-
nen.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschuss „DA-Erweite-
rung A3XX“ vom 8. Mai 2000. Der Planfeststellungsbeschluss soll es der Beige-
ladenen ermöglichen, in ihrem Werk in Hamburg-Finkenwerder das Großraum-
flugzeug A380 zu fertigen. Er gestattet u.a., eine Teilfläche des Mühlenberger
Lochs zu verfüllen, um dort eine Baufläche für die Erweiterung des Werks her-
zurichten, die Start- und Landebahn des Werksflugplatzes zu verlängern und
den Flugbetrieb auszuweiten.
Das Mühlenberger Loch ist eine gering durchströmte Bucht der Elbe mit tidebe-
einflussten Vorland- und Süßwasserwattflächen. Das Gebiet wurde durch die
Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Mühlenberger Loch vom 25. Mai
1982 (GVBl S. 188) als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Es ist spätes-
tens seit 1998 gegenüber der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
als Europäisches Vogelschutzgebiet im Sinne des § 19a Abs. 2 Nr. 4
BNatSchG a.F. und der Vogelschutz-Richtlinie (VRL) der EG gemeldet. Ferner
ist es dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
als potenzielles Gebiet nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) be-
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nannt. Durch eine am 4. Mai 2000 in Kraft getretene Änderungsverordnung vom
23. November 1999 (GVBl S. 264) wurde der Landschaftsschutz für die in Streit
stehende Teilfläche des Mühlenberger Lochs aufgehoben.
Das Flugzeugwerk der Beigeladenen besteht seit den dreißiger Jahren des
vorigen Jahrhunderts. Der zum Werk gehörende Flugplatz wird als Sonderlan-
deplatz mit beschränktem Bauschutzbereich geführt. Die in südwestlicher/nord-
östlicher Richtung (Betriebsrichtungen 23/05) verlaufende Start- und Lande-
bahn wurde zuletzt auf der Grundlage eines Planfeststellungsbeschlusses vom
8. März 1993 auf 2 321 m verlängert.
Im Oktober 1998 beantragte die Wirtschaftsbehörde der Beklagten, Bereich
Planung, nach den Vorschriften des Wasserrechts bei der Planfeststellungsbe-
hörde die Feststellung eines Plans u.a. für die Verfüllung einer etwa 170 ha
großen Teilfläche des Mühlenberger Lochs, um dort eine Baufläche für die Er-
weiterung des Werks zu schaffen, und für die Herrichtung einer etwa 150 m in
die Elbe ragenden Halbinsel als Fläche für die Verlängerung der Start- und
Landebahn. Gemeinsam damit beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigela-
denen die Feststellung eines Plans gemäß § 8 Abs. 1 LuftVG u.a. für die Ver-
längerung der Start- und Landebahn auf insgesamt 2 684 m und die Auswei-
tung des Flugbetriebs.
Der Kläger erhob Einwendungen gegen die Pläne. Er wandte sich u.a. gegen
die teilweise Zuschüttung des Mühlenberger Lochs und die zusätzlichen Lärm-
immissionen auf seinem Grundstück. Er ist Eigentümer eines ca. 120 m
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gro-
ßen Grundstücks am nördlichen Elbufer im Bereich Teufelsbrück, das am Ran-
de des nördlichen Einflug- bzw. Abflugsektors liegt. Das Grundstück ist mit ei-
nem ca. 1880 errichteten Einfamilienhaus bebaut.
Am 19. April 2000 nahm die Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gemäß Art. 6 Abs. 4 FFH-RL zu dem Projekt Stellung. Sie hielt die negativen
Auswirkungen des Projekts zur Gewährleistung der Endmontage des A3XX auf
einem für Natura 2000 bestimmten Gebiet aus zwingenden Gründen des über-
wiegenden öffentlichen Interesses für gerechtfertigt. Ob die vorgesehenen
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Ausgleichsmaßnahmen und deren Timing die Kohärenz von Natura 2000 ge-
währleisteten, konnte sie nicht umfassend beurteilen.
Die Planfeststellungsbehörde fasste das wasserrechtliche und das luftverkehrs-
rechtliche Planfeststellungsverfahren nach § 78 HmbVwVfG zusammen und
stellte am 8. Mai 2000 gemäß § 31 Abs. 2 WHG und § 48 Abs. 1, § 55 HWaG
sowie § 8 Abs. 1 LuftVG den vorgelegten Plan fest. Zur Begründung führte sie
aus, dass eine Fertigung des A3XX im Werk der Beigeladenen sowohl deren
privaten Interessen als auch wegen der großen arbeitsmarktpolitischen und
regionalwirtschaftlichen Bedeutung des Vorhabens den öffentlichen Interessen
der Freien und Hansestadt Hamburg diene.
Wegen der zu erwartenden Fluglärmbelastungen ordnet der Planfeststellungs-
beschluss Schallschutzmaßnahmen für Wohn- und Schlafräume an. Die
Schallschutzmaßnahmen sollen sicherstellen, dass in Wohnräumen bei ausrei-
chender Belüftung der Dauerschallpegel L
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von 40 dB(A) nicht überschritten
wird und im Jahresdurchschnitt höchstens fünf Maximalpegel je Werktag zwi-
schen 60 und 75 dB(A) auftreten. Nach einem Änderungsbeschluss vom
28. Februar 2002 sind 27 Flugbewegungen pro Tag jahresdurchschnittlich, je-
doch nicht mehr als 35 Flugbewegungen täglich, verteilt nach den Witterungs-
bedingungen und aufgeteilt nach Start und Landung innerhalb der Betriebszeit
an sechs Werktagen zugelassen. Die Betriebszeit des Sonderlandeplatzes ist
festgesetzt auf montags bis samstags 06:00 bis 22:00 Uhr, ausgenommen an
gesetzlichen Feiertagen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 27. August 2002 statt-
gegeben und den Planfeststellungsbeschluss aufgehoben. Es war der Auffas-
sung, dass der Kläger Fluglärmimmissionen, die Schallschutzmaßnahmen für
Wohn- und Schlafräume erforderten, nicht hinnehmen müsse, weil dem Vorha-
ben die hierfür erforderliche Planrechtfertigung fehle. Es diene nicht unmittelbar
einem das Gemeinwohl fördernden Ziel. Für die Berücksichtigung der im Plan-
feststellungsbeschluss genannten mittelbaren Gemeinwohlziele fehle es an der
dafür erforderlichen bundesgesetzlichen Grundlage im Luftverkehrsgesetz.
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Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen hat das Oberverwal-
tungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Urteil vom 2. Juni 2005
(ZUR 2006, 44 = NVwZ-RR 2006, 97) geändert und die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt:
Der wasserrechtliche Teil des Planfeststellungsbeschlusses verletze den Kläger
nicht in seinen subjektiven Rechten; auch im Übrigen könne er insoweit keine
Rechtsverstöße rügen. Durch die auf der Grundlage des Wasserrechts geneh-
migten Baumaßnahmen, insbesondere durch die teilweise Verfüllung des
Mühlenberger Lochs und die Herrichtung der in die Elbe ragenden Halbinsel,
werde er nicht betroffen. Aus der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie könne er
eigene Rechte nicht herleiten. Ungeachtet der gemäß § 78 Abs. 1 HmbVwVfG
erfolgten Verbindung könne er durch den wasserrechtlichen Teil der Planfest-
stellung schließlich nicht deshalb in seinen Rechten verletzt sein, weil er vom
luftrechtlichen Teil betroffen sei. Unabhängig davon, wie die Abwägungen in-
haltlich miteinander verknüpft seien, gewährleiste das Recht auf Abwägung
dem Kläger nur die fehlerfreie Berücksichtigung seiner wehrfähigen Belange;
solche Belange seien hinsichtlich der wasserbaulichen Maßnahmen nicht er-
kennbar.
Der Kläger werde auch durch den luftrechtlichen Teil des Planfeststellungsbe-
schlusses jedenfalls in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 28. Feb-
ruar 2002 nicht in seinen Rechten verletzt. Das Vorhaben der Beigeladenen
verfüge über die erforderliche Planrechtfertigung. Nach dem Luftverkehrsgesetz
planfeststellungsbedürftige Vorhaben bedürften einer Planrechtfertigung auch
dann, wenn sie ausschließlich privatnützigen Zwecken dienten. Das Luftver-
kehrsgesetz gehe erkennbar von der Zulässigkeit derartiger Vorhaben aus. Es
biete auch eine rechtliche Grundlage dafür, bei dem unmittelbar nur privatnützi-
gen Zwecken dienenden Werkflugplatz eines Flugzeugwerks die mittelbaren
Auswirkungen einer Flugplatzerweiterung für das Gemeinwohl (Schaffung und
Sicherung von Arbeitsplätzen sowie Stärkung der regionalen Wirtschaftsstruktur
durch Ausweitung der Produktion) in der Planfeststellung zu berücksichtigen,
sofern auch unter diesem Gesichtspunkt eine Planrechtfertigung gegeben sei.
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Das luftrechtliche Vorhaben der Beigeladenen sei nach der Zielsetzung des
Luftverkehrsrechts „vernünftigerweise geboten“. Die Verlängerung der Start-
und Landebahn auf 2 684 m reiche aus, um die im Zeitpunkt der Planfeststel-
lung projektierten Flugzeugmuster des Typs A380 grundsätzlich sicher starten
und landen zu lassen. Selbst wenn - wie der Kläger behaupte - die Ansiedlung
eines Auslieferungszentrums auch für die Basisversion des A3XX nur erfolgen
sollte, wenn die Startbahn nochmals auf 3 035 m verlängert werde, lasse dies
die Verwirklichungsabsicht für das planfestgestellte Vorhaben nicht entfallen.
Sollte es nicht zu dem Auslieferungszentrum kommen, würde als hinreichende
Planrechtfertigung bestehen bleiben, dass die Flugzeuge des Typs A380 im
Rahmen der Produktionsflüge würden starten und landen sollen und dazu die
jetzt planfestgestellten Anlagen erforderlich blieben. Auch unter dem Blickwinkel
des Wohls der Allgemeinheit sei die Planrechtfertigung vorhanden. Die
Planfeststellungsbehörde habe die positiven Auswirkungen einer Produktion
des A380 auf den Arbeitsmarkt, den Luftfahrtstandort Hamburg und die gesam-
te regionale Wirtschaftsstruktur als Interesse der Allgemeinheit an der Erweite-
rung des Sonderlandeplatzes als Planrechtfertigung zugrunde legen dürfen.
Mittelbare Gemeinwohlzwecke könnten es rechtfertigen, von Fluglärm betroffe-
ne Anwohner auf die Inanspruchnahme von passivem Lärmschutz für ihre Häu-
ser und auf eine Entschädigung für die Beeinträchtigung von Außenwohnberei-
chen zu verweisen. Der im Planfeststellungsbeschluss gemäß § 9 Abs. 2
LuftVG angeordnete passive Lärmschutz gewährleiste, dass im Wohnhaus des
Klägers unzumutbare Immissionsbelastungen nicht aufträten.
Der Planfeststellungsbeschluss sei in seiner Fassung vom 8. Mai 2000 rechts-
widrig, soweit er für Lärmbeeinträchtigungen von Außenwohnbereichen keine
Entschädigungsregelungen vorsehe. Die durch einen Dauerschallpegel zu be-
stimmende Grenze, bis zu der Fluglärm im Außenwohnbereich entschädigungs-
los hingenommen werden müsse, liege bei einem Flugplatz, der nur mittelbar
dem gemeinen Wohl diene, niedriger als bei einem unmittelbar gemeinnützigen
Verkehrsflughafen. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde
gelegte Zumutbarkeitsgrenze von 65 dB(A) sei, soweit nicht besondere Um-
stände vorlägen, auf 62 dB(A) zu mindern. Auf der Grundlage der dem Plan-
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feststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000 zugrunde liegenden Immissionsprog-
nose wäre diese Grenze auf dem Grundstück des Klägers überschritten wor-
den. Ob sein Grundstück einen Außenwohnbereich habe, müsse jedoch nicht
ermittelt werden. Denn auf der Basis der durch den Änderungsbeschluss vom
28. Februar 2002 nur noch zugelassenen Zahl von durchschnittlich 27 Flug-
bewegungen pro Werktag werde der Dauerschallpegel die Grenze der Ent-
schädigungspflicht nicht mehr erreichen. Er werde 60,4 dB(A) voraussichtlich
nicht überschreiten. Gegen das den Immissionsprognosen zugrundeliegende
Berechnungsverfahren bestünden keine Bedenken.
Rechtsfehler zu Lasten des Klägers seien auch im Rahmen der weiteren fach-
planerischen Abwägung nicht erkennbar. Die besonders schwerwiegenden Be-
lastungen durch nächtliche An- und Abflüge sowie durch den Flugbetrieb an
Sonn- und Feiertagen seien durch die Änderung des Planfeststellungsbe-
schlusses vom 28. Februar 2002 gänzlich entfallen. Die Beklagte sei von den
geltend gemachten positiven Auswirkungen des Vorhabens auf den Arbeits-
markt und die regionale Wirtschaftsstruktur nicht ohne eine hinreichende prog-
nostische Basis ausgegangen; sie habe ihre Abwägung auf nicht zu beanstan-
dende gutachtliche Bewertungen des Vorhabens gestützt. Sollte eine deutlich
geringere Zahl von Flugzeugen produziert werden und deshalb erheblich weni-
ger Arbeitsplätze als angenommen entstehen, würde sich auch die Belastung
des Klägers im vergleichbaren Umfang verringern. Die Bedeutung einer dauer-
haften Sicherung der das Gemeinwohlinteresse bestimmenden Vorteile für Be-
schäftigungs- und Wirtschaftsstruktur trete damit jedenfalls im Verhältnis zu den
Belangen des Klägers stark zurück.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Oberverwaltungsgericht zugelasse-
ne Revision eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Entgegen der Auffassung
des Oberverwaltungsgerichts könne er rügen, dass die Planfeststellung gegen
europäisches Vogelschutz- und Habitatschutzrecht verstoße. Die das betroffene
Schutzgebiet zum Zwecke der Erholung und des Naturgenusses nutzenden
Anwohner - zu denen auch er gehöre, da er am nördlichen Elbufer wohne -
könnten einen nachvollziehbaren Bezug zu den (auch) anthropozentrisch orien-
tierten Normen des europäischen Naturschutzrechts nachweisen. Sollte für die
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Rügebefugnis neben der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie unter dem
Gesichtspunkt des „effet utile“ bereits die tatsächliche Betroffenheit genügen,
wäre er ebenfalls rügeberechtigt. Folge man dieser Auffassung nicht, sei dem
Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob es den durch das Urteil des
Gerichtshofs vom 7. September 2004 (C-127/02) zur fünften Vorlagefrage be-
reits konkretisierten Mindestanforderungen an die effektive Durchsetzung des
gemeinschaftlichen Habitatschutzrechts (hier: Art. 4 Abs. 4 VRL) genüge, wenn
ein Mitgliedstaat die Möglichkeit zur Rüge der Verletzung der Norm nach der
nationalen Prozessordnung auf diejenigen Betroffenen beschränke, deren
Grundstücke vom beeinträchtigenden Vorhaben unmittelbar in Anspruch ge-
nommen werden.
Die Planfeststellung sei zudem aus wasserrechtlichen Gründen zu versagen
(§ 31 Abs. 5 Satz 3 WHG). Insbesondere erhöhe sie die Hochwassergefahr.
Auch dies könne er rügen. Die Planfeststellungsbehörde treffe gemäß § 78
Abs. 1 VwVfG eine einheitliche Gesamtentscheidung. Gebe es im Wasserrecht
eine unüberwindbare Planungsschranke, begründe dies die Rechtswidrigkeit
des einheitlichen Planfeststellungsbeschlusses. Er könne verlangen, dass die
der Abwägung vorgelagerten Voraussetzungen der Planfeststellung erfüllt sei-
en. Für den Umfang der Überprüfung der Gesetzmäßigkeit eines Eingriffs kön-
ne es entgegen der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. März 1983
- BVerwG 4 C 80.79 - BVerwGE 67, 74) keinen Unterschied machen, ob der
Eingriff auf eine Enteignung gerichtet sei oder eine Schranke des Eigentums
konkretisiere.
Privatnützige Planungen wie die der Beigeladenen scheiterten an entgegenste-
henden Rechten Dritter und bedürften deshalb in Richtung auf solche Rechte
keiner Rechtfertigung. Mit Blick auf die Anforderungen an die Regelungsdichte
von Gesetzen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sei es nicht gerechtfertigt,
eine privatnützige Planfeststellung, die gleichzeitig im mittelbaren öffentlichen
Interesse liege, allein der Abwägungsverantwortung der Verwaltung zu überlas-
sen.
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Jedenfalls verletze die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass er
im Außenwohnbereich Fluglärm bis zu 62 dB(A) entschädigungslos hinnehmen
müsse, Bundesrecht. Auf seinem Grundstück sei im Übrigen ein höherer Dau-
erschallpegel als 60,4 dB(A) zu erwarten. Die vom Oberverwaltungsgericht als
vorgegeben zugrunde gelegten Emissionswerte einzelner Flugzeugklassen sei-
en nachweislich falsch. Den zum Beweis hierfür gestellten Antrag auf Einholung
eines Sachverständigengutachtens habe das Oberverwaltungsgericht nicht ab-
lehnen dürfen.
Im Rahmen der allgemeinen fachplanerischen Abwägung habe sich das Ober-
verwaltungsgericht nicht mit seiner Rüge befasst, dass die Beklagte wegen un-
zulässiger Vorabbindungen zu einer ergebnisoffenen Abwägung nicht in der
Lage gewesen sei. Durch die Verlängerung der Piste auf zunächst nur 2 684 m
habe die Beklagte ihre wahre Planungsabsicht, die Bahn auf die für ein Auslie-
ferungszentrum erforderliche Länge von 3 035 m zu verlängern, verschleiert.
Dies sei in grober Weise rechtsstaatswidrig und die Planung damit nichtig.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Hamburgischen
Oberverwaltungsgerichts vom 2. Juni 2005 die Beru-
fung der Beklagten und der Beigeladenen gegen das
Urteil des Verwaltungsgerichtes Hamburg vom
27. August 2002 zurückzuweisen,
2. hilfsweise
den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom
8. Mai 2000 in der geänderten Fassung für nichtig zu
erklären,
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, über die - wegen der mit
den festgestellten Plänen verbundenen Eingriffe - er-
forderlichen Schutzmaßnahmen sowie über Ansprüche
auf Entschädigung erneut unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
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3. hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbe-
schluss wie folgt zu ergänzen:
Ziff. 1.1.5.1.1 - Absatz 1 ab Zeile 7
Der Dauerschallpegel L
eq3
ist dabei nach Maßgabe ei-
ner Schalltechnischen Untersuchung zu ermitteln, die
die Fehler der Schalltechnischen Untersuchung in den
Gutachten Müller-BBM zur Berechnung des äquivalen-
ten Dauerschallpegels und der Maximalpegel korrigiert.
Ziff. 1.1.5.1.2 ist wie folgt zu formulieren:
Antrag/Kosten
Schallschutzmaßnahmen sind nur auf Antrag bei der
Antragstellerin DA zu gewähren. Bestehende Rechts-
verhältnisse (z.B. Mietverhältnisse) bleiben unberührt.
Der Antrag ist bis zum 31.12.2006 zu stellen. Die An-
tragstellerin DA ist verpflichtet, die Kosten des laufen-
den Betriebes und der Unterhaltung der Schallschutz-
maßnahmen zu tragen. Sind die Schallschutzmaßnah-
men nicht effektiv oder nicht mehr effektiv, so ist die
Antragstellerin DA jeweils verpflichtet, neue Schall-
schutzmaßnahmen zu gewähren.
Ziff. 1.1.5.1.5 - Anspruchsausschluss (vorletzter Punkt)
„Wenn die zu gewährende Schutzmaßnahme schon in
der Wohnung vorhanden ist“ entfällt.
Ziff. 1.1.5.1.6 - Kontrolle
Die Antragstellerin wird verpflichtet, jeweils im Abstand
von 24 Monaten ein Lärmmedizinisches Gutachten
über die Auswirkungen des Fluglärms vorzulegen. Die
Antragstellerin wird verpflichtet, die Flugbewegungen
monatlich zu ermitteln und den Klägern unaufgefordert
zur Kenntnis zu geben.
Ziff. 1.1.5.2.1
Die Anzahl der Überflüge des Grundstückes des Klä-
gers zu 3 darf die Zahl von 9 Flugbewegungen pro Tag
jahresdurchschnittlich, jedoch nicht mehr als 18 Flug-
bewegungen pro Tag, nicht übersteigen. Dabei dürfen
Spitzenpegel von 92 dB(A) nicht überschritten werden
und der äquivalente Dauerschallpegel für das Grund-
stück des Klägers darf 55 L
eq3
dB(A) nicht übersteigen.
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Abweichungen hiervon sind nur bei nachweisbaren
Notsituationen mit gegenwärtiger Gefahr für Leben und
Gesundheit von Menschen zulässig.
4. die Beigeladene zu verpflichten, den Kläger für die
Nutzungsbeeinträchtigung seines Grundstückes, ins-
besondere des Außenwohnbereiches zu entschädigen.
Die Beklagte, die Beigeladene und der Vertreter des Bundesinteresses beim
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat
das Urteil des Verwaltungsgerichts zu Recht geändert und die Klage abgewie-
sen. Der Kläger kann weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses
verlangen (A) und noch stehen ihm die mit den Hilfsanträgen geltend gemach-
ten Ansprüche zu (B).
A. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, de-
ren Verletzung der Kläger mit der Folge einer Aufhebung des Beschlusses gel-
tend machen könnte.
1. Dass der Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage des Wasserrechts
gestattet, das Mühlenberger Loch teilweise zu verfüllen, eine in die Elbe ragen-
de Halbinsel herzurichten und weitere wasserbauliche Maßnahmen durchzu-
führen, verletzt den Kläger - wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht ent-
schieden hat (UA S. 22 ff.) - nicht in eigenen Rechten.
1.1 Aus den bundesrechtlichen Vorschriften des Wasserrechts kann der Kläger
eigene Rechte nicht herleiten. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG bedarf die Her-
stellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder
seiner Ufer (Gewässerausbau) der Planfeststellung durch die zuständige Be-
hörde. Der Planfeststellungsbeschluss ist zu versagen, soweit von dem Ausbau
eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebli-
che und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr oder
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eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, zu erwar-
ten ist (§ 31 Abs. 5 Satz 3 WHG). Nachbarschutz gewähren diese Vorschriften
nur nach Maßgabe der zum Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze
(vgl. Urteil vom 15. Juli 1987 - BVerwG 4 C 56.83 - BVerwGE 78, 40 <42 ff.>;
Beschlüsse vom 28. Juli 2004 - BVerwG 7 B 61.04 - Buchholz 445.4 § 7 WHG
Nr. 7 und vom 6. September 2004 - BVerwG 7 B 62.04 - Buchholz 445.4 § 6
WHG Nr. 8; Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125,
116 ). Private Belange des Klägers, auf die Rücksicht zu nehmen
wäre, werden durch den Gewässerausbau, insbesondere durch die teilweise
Verfüllung des Mühlenberger Lochs und die Herrichtung der in die Elbe ragen-
den Halbinsel, nicht berührt. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten
Revisionsrügen angegriffenen, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsäch-
lichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wird der Kläger durch diese
Maßnahmen weder unmittelbar noch mittelbar durch Folgewirkungen, wie etwa
Beeinträchtigungen der Standsicherheit des Elbhangs, betroffen (UA S. 22). Ob
die Verfüllung des Mühlenberger Lochs und die Herrichtung der Halbinsel - wie
der Kläger mit der Revision geltend macht - das Wohl der Allgemeinheit beein-
trächtigen, weil sie die Gefahr des Hochwassers für den südlich der Elbe gele-
genen Stadtteil Finkenwerder erhöhen, kann dahinstehen, denn auch insoweit
hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der nördlich der Elbe woh-
nende Kläger hiervon nicht betroffen wird.
Auf die Erhöhung der Hochwassergefahr und andere ihn nicht betreffende Be-
einträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit durch den Gewässerausbau
kann sich der Kläger auch nicht deshalb berufen, weil die Planfeststellungsbe-
hörde für den Gewässerausbau und den Ausbau des Sonderlandeplatzes ge-
mäß § 78 Abs. 1 HmbVwVfG nur ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt
hat und er durch den Ausbau des Sonderlandeplatzes betroffen ist. Treffen
mehrere selbständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsver-
fahren vorgeschrieben sind, derart zusammen, dass für diese Vorhaben nur
eine einheitliche Entscheidung möglich ist, so findet für diese Vorhaben gemäß
§ 78 Abs. 1 HmbVwVfG nur ein Planfeststellungsverfahren statt. Ob hier nur
eine einheitliche Entscheidung möglich war, konnte das Oberverwaltungsgericht
offen lassen (UA S. 26), denn das Zusammentreffen mehrerer selbständiger
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Vorhaben in der genannten Weise hat Rechtsfolgen nur für die Zuständigkeit
der Behörden und das Verfahrensrecht; das im Planfeststellungsverfahren
anzuwendende materielle Recht wird durch § 78 VwVfG nicht modifiziert (Urteil
vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <34>). Inwieweit
Rechtsvorschriften subjektive Rechte Dritter begründen, ist eine Frage des ma-
teriellen Rechts; sie hängt nicht davon ab, ob über die Zulassung des Vorha-
bens in einem gesonderten Planfeststellungsverfahren oder gemeinsam mit
anderen Vorhaben in einem einheitlichen Planfeststellungsverfahren zu ent-
scheiden ist. Auch das Abwägungsgebot räumt dem Betroffenen unabhängig
davon, ob über ein Vorhaben oder gemäß § 78 Abs. 1 HmbVwVfG über mehre-
re Vorhaben einheitlich zu entscheiden ist, nur ein Recht auf gerechte Abwä-
gung der eigenen Belange ein (vgl. Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C
21.74 - BVerwGE 48, 56). Werden private Belange eines Anwohners nur durch
den Ausbau des Sonderlandeplatzes und dessen Betrieb, nicht aber durch den
Gewässerausbau berührt, kann er eine gerechte Abwägung nur der betroffenen
Belange, hier also des Interesses, vor von dem Landeplatz ausgehenden Lärm
geschützt zu werden, verlangen. Dass der Gewässerausbau zwingende, dem
Schutz des Allgemeinwohls dienende Rechtsvorschriften verletzt und die durch
den Gewässerausbau berührten öffentlichen Belange fehlerhaft abgewogen
worden seien, kann er nicht geltend machen. Diese Befugnis stünde ihm allen-
falls dann zu, wenn sein Grundstück für den Ausbau des Flugplatzes unmittel-
bar in Anspruch genommen werden müsste und der Flugplatzausbau ohne den
Gewässerausbau nicht möglich wäre (vgl. Urteile vom 18. März 1983 - BVerwG
4 C 80.79 - BVerwGE 67, 74 und vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 452 bis 454).
Einem ausschließlich lärmbetroffenen Anwohner - wie hier dem Kläger - in Ab-
kehr von der ständigen Rechtsprechung des Senats (grundlegend Urteile vom
14. Februar 1975 a.a.O. und vom 18. März 1983 a.a.O.; zuletzt Urteil vom
9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - NVwZ 2007, 445, Rn. 21, zur Veröf-
fentlichung in BVerwGE vorgesehen) dieselben Rügemöglichkeiten wie einem
Enteigungsbetroffenen zu eröffnen, ist nicht geboten. Die weitergehende Rü-
gebefugnis eines Enteignungsbetroffenen hat ihren Grund nicht - wie der Kläger
meint - in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG (Gesetzmäßigkeit der Enteignung), sondern
in dem nur für die förmliche Enteignung geltenden Gemeinwohlerfordernis des
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Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 453, 509 f.).
Die Prüfung des Wohls der Allgemeinheit erfordert eine spezifisch ent-
eignungsrechtliche Gesamtabwägung aller Gemeinwohlgesichtspunkte; nur ein
im Verhältnis zu entgegenstehenden öffentlichen (und auch privaten) Interes-
sen überwiegendes öffentliches Interesse ist geeignet, den Zugriff auf privates
Eigentum zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR
1046/85 - BVerfGE 74, 264 <293 f.>; BVerwG, Urteile vom 3. Juli 1998
- BVerwG 4 CN 5.97 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 4 und vom
16. März 2006 a.a.O. Rn. 453). Eine solche spezifisch enteignungsrechtliche
Gesamtabwägung ist zur Rechtfertigung einer nur mittelbaren Eigentumsbeein-
trächtigung nicht erforderlich.
1.2 Ob die teilweise Verfüllung des Mühlenberger Lochs mit den zur Umsetzung
der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der
wildlebenden Vogelarten (ABl Nr. L 103 S. 1) - VRL - und der Richtlinie
92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebens-
räume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl Nr. L 206 S. 7) - FFH-
RL - ergangenen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes vereinbar ist,
kann dahinstehen, weil der Kläger auch durch einen Verstoß gegen diese Vor-
schriften nicht in eigenen Rechten verletzt wäre. Dass die übrigen auf der
Grundlage des Wasserrechts gestatteten Maßnahmen, insbesondere die Her-
richtung der in die Elbe ragenden Halbinsel für die Verlängerung der Start- und
Landebahn, gegen die genannten Vorschriften verstoßen könnten, macht der
Kläger selbst nicht geltend; die von den übrigen Maßnahmen betroffenen Flä-
chen waren weder als Europäisches Vogelschutzgebiet noch als besonderes
Schutzgebiet im Sinne der FFH-Richtlinie gemeldet.
Im Zeitpunkt der Planfeststellung waren die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie
durch §§ 19a ff. BNatSchG in der Neufassung vom 21. September 1998 (BGBl I
S. 2994) umgesetzt. § 19c BNatSchG 1998 (§ 34 BNatSchG vom 25. März
2002, BGBl I S. 1193), der die Verträglichkeit und Unzulässigkeit von Projekten
und die Zulässigkeit von Ausnahmen regelt, galt zwar gemäß § 4 Satz 1
BNatSchG 1998 nur als Rahmenvorschrift für die Landesgesetzgebung. Bis
zum Inkrafttreten einer hier im Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht vor-
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31
- 16 -
handenen landesgesetzlichen Regelung, längstens bis zum 8. Mai 2003 war je-
doch auch § 19c BNatSchG unmittelbar anwendbar (§ 39 Abs. 1 BNatSchG
1998). Eigene Rechte eines nicht enteignungsbetroffenen Anwohners ergeben
sich aus §§ 19a ff. BNatSchG 1998 (§§ 32 ff. BNatSchG 2002) nicht. Diese
Vorschriften dienen allein dem Schutz der natürlichen Lebensräume und der
Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse einschließlich der
europäischen Vogelarten; sie sind nicht dazu bestimmt, die privaten Belange
der Anwohner zu schützen. Der Bundesgesetzgeber hat den Schutz des Ein-
zelnen bei der Umsetzung der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie nicht weni-
ger günstig ausgestaltet als bei anderen Vorschriften des Bundesnaturschutz-
gesetzes. Der Einzelne kann, sofern er durch das Vorhaben nicht enteignungs-
rechtlich betroffen ist, auch nicht geltend machen, dass die Zulassung des Vor-
habens gegen das Bundesnaturschutzgesetz im Übrigen, insbesondere gegen
die Eingriffe in Natur und Landschaft regelnden §§ 8 ff. BNatSchG 1998
(§§ 18 ff. BNatSchG 2002) verstößt. Diese Vorschriften dienen ebenfalls nicht
dem Schutz seiner privaten Belange.
Einen Verstoß gegen §§ 19a ff. BNatSchG 1998 kann der Kläger auch nicht
deshalb rügen, weil die Verfüllung des Mühlenberger Lochs mit der Verlänge-
rung der Start- und Landebahn zusammentrifft und er durch letztere betroffen
ist. Die Verfüllung des Mühlenberger Lochs und die Verlängerung der Start- und
Landebahn sind selbständige Vorhaben im Sinne des § 78 Abs. 1 HmbVwVfG.
Vorhaben sind selbständig, wenn ein Vorhaben nicht lediglich notwendige
Folgemaßnahme eines anderen (§ 75 Abs. 1 VwVfG), also nicht durch das
andere Vorhaben veranlasst ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, §
78 Rn. 6; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 78
Rn. 11). Das Mühlenberger Loch musste nicht zugeschüttet werden, um die
Start- und Landebahn zu verlängern; umgekehrt musste die Bahn nicht
verlängert werden, weil das Werk der Beigeladenen auf der verfüllten Fläche
des Mühlenberger Lochs erweitert werden soll. Das stellt auch der Kläger nicht
in Abrede. Rechtsschutz gegen die Verfüllung des Mühlenberger Lochs wird
einem allein durch den Ausbau des Sonderlandeplatzes betroffenen Anwohner
durch die einheitliche Entscheidung über die Zulassung beider Vorhaben nach §
78 Abs. 1 HmbVwVfG nicht eröffnet. Ob ein lärmbetroffener Anwohner, wenn
32
- 17 -
ihm nach innerstaatlichem Recht ein Abwehrrecht gegen die Verfüllung des
Mühlenberger Lochs zustünde, kraft Gemeinschaftsrechts auch rügen könnte,
dass die Verfüllung gegen die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie verstößt (vgl.
Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02, Slg. 2004, I-7405,
Nr. 140 f.), kann deshalb offen bleiben.
1.3 Dahinstehen kann schließlich, ob das Mühlenberger Loch in Bezug auf den
Vogelschutz - wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihrer
Stellungnahme vom 19. April 2000 und in ihrem Anhörungsschreiben vom
12. Dezember 2006 angenommen hat - nach Art. 4 Abs. 1 VRL zu einem be-
sonderen Schutzgebiet erklärt wurde und deshalb nicht mehr dem strengen
Schutz gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL, sondern gemäß Art. 7 FFH-RL dem
Schutzregime der FFH-Richtlinie unterstand. Sollte letzteres der Fall sein, kann
ferner offen bleiben, ob die Voraussetzungen für eine Abweichungsentschei-
dung vorlagen (Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL) und ob die Zulassung des Projekts
in Bezug auf den Habitatschutz nach der FFH-Richtlinie vor Aufnahme des als
FFH-Gebiet gemeldeten Mühlenberger Lochs in die von der Kommission fest-
gelegte Liste mit den vom Gerichtshof für Meldegebiete entwickelten Schutzan-
forderungen (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Januar 2005 - Rs. C-117/03,
Dragaggi - Slg. 2005, I-167 und vom 14. September 2006 - Rs. C-244/05, Bund
Naturschutz in Bayern e.V. - NVwZ 2007, 61) vereinbar war. Die Vogelschutz-
und die FFH-Richtlinie verleihen einem Einzelnen nicht das Recht, einen Ver-
stoß gegen Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL, Art. 7 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL
und die für den Schutz von Meldegebieten geltenden Grundsätze zu rügen. Das
ist derart offenkundig, dass auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten des
Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und
der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der
Gemeinschaft für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil
vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, CILFIT - Slg. 1982, I-3415). Der Senat ist
deshalb nicht verpflichtet, gemäß Art. 234 EG den Gerichtshof anzurufen und
ihm die genannte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die Frage, ob eine Richtlinie dem Einzelnen ein Recht verleiht, ist zu unter-
scheiden von der Frage ihrer unmittelbaren Wirkung. Das ist in der Rechtspre-
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34
- 18 -
chung des Gerichtshofs geklärt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. August 1995 - Rs.
C-431/92, Großkrotzenburg - Slg. 1995, I-2189 Rn. 26; Gellermann, in:
Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europä-
ischen Union, 2. Auflage 2003, § 36 Rn. 17). Wenn eine Richtlinie nicht unmit-
telbar wirkt, kann sich der Einzelne schon aus diesem Grund nicht auf sie beru-
fen; hat die Richtlinie unmittelbare Wirkung, folgt daraus nicht, dass jeder Ein-
zelne die Gerichte anrufen kann, wenn die Richtlinie nicht beachtet wurde (vgl.
Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02 a.a.O. Rn. 138).
Einen allgemeinen Anspruch auf Vollziehung unmittelbar wirkender Richtlinien
oder eine Popularklagebefugnis kennt das Gemeinschaftsrecht nicht (vgl.
Gellermann a.a.O.; Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung
des Rechts, 1996, S. 41 f.; Schoch, NVwZ 1999, 457 <463>; Epiney, VVdStRL
61 (2001) S. 362 <405>).
Anhaltspunkte dafür, dass die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie, ihre unmit-
telbare Wirkung unterstellt, dem Einzelnen das Recht verleihen könnten, die
Beachtung der für faktische oder ausgewiesene Vogelschutzgebiete und für
gemeldete FFH-Gebiete geltenden Vorschriften zu verlangen, bestehen nicht
(vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02 a.a.O.
Rn. 143). Die genannten Vorschriften schützen ebenso wie die zu ihrer Umset-
zung ergangenen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes die natürlichen
Lebensräume und die Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interes-
se einschließlich der europäischen Vogelarten. Einen Bezug zu den Interessen
des Einzelnen lassen sie nicht erkennen. Der Schutz des gemeinsamen Natur-
erbes ist zwar von besonderem Interesse, aber kein Anspruch, der zugunsten
von Einzelnen begründet würde (Kokott a.a.O.). Anders als die Richtlinien zum
Schutz des Gewässers (80/68/EWG), der Luftqualität (80/779/EWG), des
Trinkwassers (75/440/EWG und 79/869/ EWG) und des Süßwassers sowie der
Muschelgewässer (78/659/EWG und 79/923/EWG), denen der Gerichtshof eine
individualschützende Wirkung zuerkannt hat (EuGH, Urteile vom 28. Februar
1991 - Rs. C-131/88 - Slg. 1991, I-825 Rn. 7, vom 30. Mai 1991 - Rs.
C-361/88 - Slg. 1991, I-2567 Rn. 15 f., vom 17. Oktober 1991 - Rs. C-58/89 -
Slg. 1991, I-4983 Rn. 13 f. und vom 12. Dezember 1996 - Rs. C-298/95 - Slg.
1996, I-6747 Rn. 15 f.), dienen die Vogelschutz- und die FFH-RL nicht dem
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- 19 -
Schutz der Gesundheit. Verluste von natürlichen Lebensräumen und Arten
können zwar, da der Mensch Teil der Natur und von ihrem Zustand abhängig
ist, auch seine Lebensbedingungen verschlechtern. Anders als möglicherweise
bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (vgl. den 11. Erwägungsgrund der Richt-
linie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglich-
keitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl L 175
S. 40) ist dies nach der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie jedoch kein maß-
gebender Grund für den Schutz der Lebensräume und Arten in den besonderen
Schutzgebieten. Die Mitgliedstaaten haben erhebliche Beeinträchtigungen der
besonderen Schutzgebiete unabhängig davon grundsätzlich zu vermeiden, ob,
wann, wo und in welchem Ausmaß die Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele
in nachvollziehbarer Weise auch die Lebensbedingungen der Menschen
verschlechtern.
Die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie begründen auch kein Recht des Ein-
zelnen auf Naturgenuss in den Schutzgebieten. Sie verbieten den Mitgliedstaa-
ten zwar nicht, mit der Meldung und Ausweisung eines besonderen Schutzge-
biets auch das Ziel zu verfolgen, das Gebiet als Erholungsraum und als Ort der
Begegnung des Menschen mit der Natur zu schützen; gemeinschaftsrechtlich
geboten ist ein solcher Schutz des Naturgenusses jedoch nicht. Der Aufenthalt
der Menschen in der Natur darf den Schutz der natürlichen Lebensräume und
der Arten, für die das Gebiet ausgewiesen worden ist, nicht beeinträchtigen. In
erster Linie sollen die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie die Natur den
Menschen schützen.
Auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es den Mindestanforderungen an
die effektive Durchsetzung des gemeinschaftlichen Habitatschutzrechts genügt,
wenn ein Mitgliedstaat nur Enteignungsbetroffenen die Möglichkeit einräumt,
eine Verletzung der Habitatschutznormen zu rügen, bedarf nicht der Klärung
durch den Gerichtshof. Zur effektiven Durchsetzung des Rechts eines Einzel-
nen sind die Mitgliedstaaten nur verpflichtet, wenn das Gemeinschaftsrecht
dem Einzelnen ein Recht verliehen hat (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs.
C-432/05, Unibet - juris, Rn. 43; Epiney, VVdStRL 61 (2001), 362 <390 f.>).
Das ist in Bezug auf den gemeinschaftsrechtlichen Habitatschutz - wie darge-
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- 20 -
legt - nicht der Fall. Nach Art. 10 Abs. 1 EG haben die Mitgliedstaaten zwar
auch zur Erfüllung der objektiv-rechtlichen Verpflichtungen, die sich aus einer
Richtlinie ergeben, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen. Hat eine Richtlinie
den Einzelnen kein Recht verliehen, darf der Mitgliedstaat die Richtlinie also
umsetzen, ohne ihnen das Recht einzuräumen, Verstöße gegen die Richtlinie
zu rügen, wird er auch durch Art. 10 Abs. 1 EG nicht gezwungen, die effektive
Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts gerade dadurch zu fördern, dass er
Einzelnen eine Klagemöglichkeit eröffnet.
Aus der Antwort des Gerichtshofs auf die fünfte Vorlagefrage im Urteil vom
7. September 2004 (Rs. C-127/02, Waddenzee-Herzmuschelfischerei - Slg.
2004, I-7405) ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes.
Beantwortet hat der Gerichtshof die Frage, ob Art. 6 Abs. 3 FFH-RL unmittelba-
re Wirkung hat (a.a.O. Rn. 19, 64). Er hat die Frage bejaht und seiner ständigen
Rechtsprechung folgend (Urteile vom 19. Januar 1982 - Rs. C-8/81, Becker -
Slg. 1982, I-53 Rn. 22, vom 24. Oktober 1996 - Rs. C-72/95, Kraaijeveld - Slg.
1996, I-5403 Rn. 56 und vom 19. September 2000 - Rs. C-287/98, Linster - Slg.
2000, I-6917 Rn. 32) zur Begründung ausgeführt, dass sich betroffene
Personen anderenfalls auf die durch die Richtlinie auferlegten Verpflichtungen
nicht berufen könnten und dadurch deren praktische Wirksamkeit
abgeschwächt würde (a.a.O. Rn. 66). Die gerichtliche Durchsetzung der Richt-
linie, hier des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, sollte nicht daran scheitern, dass der
Mitgliedstaat sie nicht rechtzeitig umgesetzt hatte. Aus der unmittelbaren Wir-
kung des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL folgt jedoch - wie dargelegt - nicht, dass jeder
Einzelne die Gerichte anrufen kann, wenn die Vorschrift nicht beachtet wurde.
2. Der Kläger kann die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in seiner
geänderten Fassung auch nicht verlangen, soweit dieser auf der Grundlage des
Luftverkehrsgesetzes der Beigeladenen u.a. gestattet, die Start- und Lande-
bahn des Sonderlandeplatzes auf 2 684 m zu verlängern und den Flugbetrieb
auszuweiten.
2.1 Das Vorhaben der Beigeladenen scheitert nicht von vornherein daran, dass
der Kläger nur durch Schallschutzfenster und Belüftungseinrichtungen vor un-
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- 21 -
zumutbarem Lärm geschützt werden kann. Dieser mit dem „privatnützigen“
Charakter des Sonderflugplatzes begründeten Ansicht des Verwaltungsgerichts
ist das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht nicht gefolgt. Vielmehr
gelten auch für die Planfeststellung eines nur privaten Verkehrszecken dienen-
den Sonderflugplatzes die allgemein Anforderungen der Planrechtfertigung und
des Abwägungsgebots einschließlich der Grundsätze über die Anordnung von
Schutzvorkehrungen und Entschädigung nach § 9 Abs. 2 LuftVG und § 74
Abs. 2 VwVfG.
Private Sonderflugplätze können auf der Grundlage der §§ 8 ff. LuftVG im We-
ge der Planfeststellung auch dann zugelassen werden, wenn der von dem Flug-
platz ausgehende Lärm auf den benachbarten Grundstücken die Schwelle zu
einem erheblichen Nachteil im Sinne der § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2
VwVfG, § 3 Abs. 1 BImSchG (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 251)
überschreitet; die Anwohner eines privaten Verkehrszwecken dienenden
Sonderflugplatzes dürfen, wenn der Lärm nicht den Grad einer Gesund-
heitsgefährdung erreicht oder so massiv auf das Wohngrundstück einwirkt,
dass es seine Wohnqualität verliert und unbewohnbar wird (vgl. Urteil vom
16. März 2006 a.a.O. Rn. 376), grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74
Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG auf passiven Schallschutz und gegebenenfalls eine
angemessene Entschädigung in Geld für Beeinträchtigungen des Außenwohn-
bereichs verwiesen werden. Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. Juli 1978
(BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <119>) die Auffassung vertreten,
dass Planungen, die im allein privaten Interesse des Flughafenunternehmers
liegen, Eingriffe in Rechte Dritter nicht zu rechtfertigen vermögen, sondern
vielmehr an entgegenstehenden Rechten Dritter scheitern müssten. Ob damit
auch die Fallgestaltung gemeint war, dass eine unzumutbare Lärmbeeinträchti-
gung Dritter durch passiven Schallschutz und gegebenenfalls eine Außen-
wohnbereichsentschädigung vermieden werden kann, mag dahinstehen. Sollte
die Entscheidung in diesem Sinne zu verstehen sein, hielte der Senat an der
damaligen Rechtsauffassung nicht fest.
Das Luftverkehrsgesetz regelt umfassend und in einem weiten Sinn den Luft-
verkehr. Dabei unterscheidet es nicht zwischen privat- und gemeinnützigen
41
42
- 22 -
Vorhaben. Es differenziert zwischen Flugplätzen, die dem allgemeinen Verkehr,
und solchen, die besonderen Zwecken dienen (vgl. § 6 Abs. 3, § 28 Abs. 1
Satz 2 LuftVG; § 38 Abs. 2, § 49 Abs. 2 LuftVZO). Rechtsfolgen für die Plan-
feststellung knüpft es auch an diese Unterscheidung nicht. § 9 Abs. 2 LuftVG
ermächtigt und verpflichtet die Planfeststellungsbehörde nicht nur bei dem all-
gemeinen Verkehr dienenden, sondern bei allen planfeststellungsbedürftigen
Flugplätzen, dem Unternehmer die Errichtung und Unterhaltung der Anlagen
aufzuerlegen, die zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke
gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind. Dass ein Flugplatz zu einem
Industriebetrieb gehört, ändert nichts an der Anwendbarkeit und am Inhalt der
genannten Vorschrift (Beschluss vom 7. Dezember 1998 - BVerwG 11 B 46.98 -
Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 11 ). Auch die Entschädigungsregelung
in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, die das luftrechtliche Fachplanungsrecht ergänzt
(Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <377>),
ist auf private Sonderflugplätze anwendbar. Der Entschädigungsanspruch ist
ein Surrogat für nicht realisierbare Schutzmaßnahmen (Urteil vom 23. Februar
2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <36>). Ein Grund, Anwohner eines
privaten Sonderflugplatzes auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes zu
verweisen, nicht aber auf deren Surrogat, wenn Schutzmaßnahmen unmöglich
sind, ist nicht ersichtlich. Auch das private Nachbarrecht wählt in § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB das Mittel des Geldausgleichs, um die Verhältnismäßigkeit der
Pflicht zu gewährleisten, Einwirkungen auf ein Grundstück auch dann zu
dulden, wenn eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag
über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird (vgl. auch § 11 LuftVG
i.V.m. § 14 Satz 2 BImSchG).
§ 9 Abs. 2 LuftVG und § 74 Abs. 2 Satz 3 HmbVwVfG zugunsten privater Son-
derflugplätze anzuwenden, stößt nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken. Der
Gesetzgeber hat für das luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsverfahren durch
das Abwägungsgebot (§ 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG) und den Anspruch auf
Schutzvorkehrungen (§ 9 Abs. 2 LuftVG) und Entschädigung (§ 74 Abs. 2
Satz 3 HmbVwVfG), der der planerischen Gestaltungsfreiheit eine im Wege der
Abwägung nicht überwindbare Grenze zieht (vgl. Urteil vom 16. März 2006
a.a.O. Rn. 268), Vorsorge dafür getroffen, dass im jeweiligen Einzelfall der
43
- 23 -
durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gebotene verhältnismäßige Ausgleich zwischen
den Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit, aber auch zwischen den
widerstreitenden Belangen der Privaten herbeigeführt werden kann. Die ge-
nannten Bestimmungen ermöglichen es der Planfeststellungsbehörde, einer-
seits dem Interesse des Unternehmers an dem angestrebten Betrieb des Flug-
platzes Rechnung zu tragen, andererseits im Rahmen der gebotenen Abwä-
gung aber auch die Belange der benachbarten Grundstückseigentümer zu be-
rücksichtigen und sie vor unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen zu bewahren
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 2002 - 1 BvR 218/99 - NVwZ 2003,
197 <198>).
2.2 Dem Vorhaben der Beigeladenen fehlt nicht die erforderliche Planrechtferti-
gung.
2.2.1 Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das
Vorhaben der Beigeladenen einer Planrechtfertigung bedarf (UA S. 28). Plan-
feststellungsbedürftige Flugplätze (§ 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG) dürfen nur ange-
legt, bestehende nur geändert werden, wenn der Plan das fachplanungsrechtli-
che Erfordernis der Planrechtfertigung erfüllt; das gilt unabhängig davon, wel-
chem Verkehrszweck der Flugplatz dient. Die Planrechtfertigung ist ein unge-
schriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine Ausprägung des Prinzips
der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private
Rechte verbunden ist. Das Erfordernis ist erfüllt, wenn für das beabsichtigte
Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgeset-
zes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also
erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der
Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten ist (Urteil vom 16. März 2006
a.a.O. Rn. 182).
Der Plan für die Änderung eines privaten Sonderlandeplatzes entspricht den
Zielen des Luftverkehrsgesetzes und ist gemessen an diesen Zielen gerechtfer-
tigt, wenn der vom Flugplatzunternehmer geltend gemachte Luftverkehrsbedarf
besteht und die Änderung des Platzes geeignet und vernünftigerweise geboten
ist, diesen Bedarf zu decken. Das Luftverkehrsgesetz soll - wie sich aus § 6
44
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- 24 -
Abs. 1 und 4 LuftVG ergibt - die Anlegung, die Änderung und den Betrieb von
Flugplätzen (Flughäfen, Landeplätze und Segelfluggelände) ermöglichen. Ein
privater Sonderlandeplatz ist eine von diesem Zweck umfasste Infrastrukturein-
richtung des Luftverkehrs.
Eine Planrechtfertigung im dargelegten Sinne ist auch für die Anlegung oder
Änderung eines nur privaten Verkehrszwecken dienenden Sonderflugplatzes zu
verlangen, weil die Planfeststellung - anders als z.B. die immissionsschutz-
rechtliche Genehmigung einer Industrieanlage - nicht nur die öffentlich-
rechtliche Zulassung des Vorhabens, sondern darüber hinaus eine verbindliche
Raumnutzungsentscheidung enthält, mit der abschließend über die raumplane-
rische Zulässigkeit der Bodeninanspruchnahme befunden wird (vgl. Urteile vom
24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <148> und vom
7. Dezember 2006 - BVerwG 4 C 16.04 - NVwZ 2007, 576 Rn. 36, zur Veröf-
fentlichung in BVerwGE vorgesehen; Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung,
3. Aufl. 2000, S. 28). Die Raumnutzungsentscheidung hat gegenüber der sonst
maßgeblichen örtlichen Gesamtplanung grundsätzlich Vorrang (vgl. § 38
BauGB). Aufgrund dieser besonderen rechtlichen Wirkungen hat die zuständige
Behörde eine Planungsentscheidung zu treffen, die einen Spielraum an Gestal-
tungsfreiheit einschließt und in deren Rahmen auch bei einem privaten
Zwecken dienenden Vorhaben die unternehmerische Beurteilung des Ver-
kehrsbedarfs und der Erforderlichkeit des Vorhabens durch den Vorhabenträger
einer nachvollziehenden Überprüfung zu unterziehen ist.
Auf die Klage eines Dritten ist die Planrechtfertigung nicht nur zu prüfen, wenn
dieser für das Vorhaben enteignet werden soll, sondern immer dann, wenn sich
der Dritte gegen unmittelbare Beeinträchtigungen durch das Vorhaben, insbe-
sondere Immissionen zur Wehr setzt. Auch ein solcher Kläger kann geltend
machen, dass für das beabsichtigte Vorhaben - gemessen an den Zielsetzun-
gen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes - kein Bedarf streitet (Urteil vom
9. November 2006 a.a.O. Rn. 33).
2.2.2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Planrechtfertigung des Vorhabens
der Beigeladenen zu Recht bejaht. Dass im Zeitpunkt der Planfeststellung ein
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48
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- 25 -
Luftverkehrsbedarf gegeben war, weil eine Nachfrage nach Großraumflugzeu-
gen in der Art des A380 bestand, eine Endmontage dieser Flugzeuge in Ham-
burg-Finkenwerder nur möglich ist, wenn sie dort sicher starten und landen
können, und die bisherige Länge der Start- und Landebahn hierfür nicht aus-
reichte, bestreitet der Kläger nicht. Das Vorhaben der Beigeladenen war auch
geeignet und vernünftigerweise geboten, den durch die Fertigung des A380
entstehenden Verkehrsbedarf zu befriedigen. Nach den Feststellungen des
Oberverwaltungsgerichts durfte die Planfeststellungsbehörde davon ausgehen,
dass die zum Zeitpunkt der Planfeststellung projektierten Flugzeugmuster des
Typs A380 auf einer Start- und Landebahn mit einer Länge von 2 684 m grund-
sätzlich sicher starten und landen können (UA S. 35). Starts und Landungen
des A380 waren - wie das Oberverwaltungsgericht weiter festgestellt hat - nicht
ausgeschlossen, weil ein 150 m breiter Sicherheitsstreifen südöstlich der Bahn
nicht vollständig zur Verfügung stand; der zuständige Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Wohnungswesen hatte die vorhandenen Schutzstreifen ange-
sichts der besonderen Verhältnisse des Sonderlandeplatzes bis zu einem wei-
teren Ausbau akzeptiert (UA S. 37). Als rechtlich bindend hat das Oberverwal-
tungsgericht diese Stellungnahme entgegen der Auffassung des Klägers nicht
angesehen. Ob der Bundesminister die vollständige Anlegung des Sicherheits-
streifens zu Recht nicht verlangt hat, war für die Planrechtfertigung nicht erheb-
lich.
Dass die Beklagte und die Beigeladene - wie der Kläger im Revisionsverfahren
erneut vorträgt - bereits im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht das planfestge-
stellte, sondern ein anderes Vorhaben, nämlich eine Start- und Landebahn mit
einer Länge von 3 035 m verwirklichen wollten, weil diese Länge nach den An-
forderungen des Konzerns der Beigeladenen für den Bau des geplanten Auslie-
ferungszentrums erforderlich war, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festge-
stellt. Es hat auf einen Beweisantrag des Klägers unterstellt, dass der Konzern
der Beigeladenen ein Auslieferungszentrum auch für die Basisversion des
A3XX in Hamburg nur ansiedeln wollte, wenn die Start- und Landebahn noch-
mals verlängert werde. Dies lasse die Verwirklichungsabsicht für das vorliegend
planfestgestellte Vorhaben jedoch nicht entfallen. Das Auslieferungszentrum sei
nicht Teil des planfeststellungsbedürftigen Sonderlandeplatzes. Sollte es nicht
50
- 26 -
zu dem Auslieferungszentrum kommen, bleibe als hinreichende Plan-
rechtfertigung, dass die Flugzeuge des Typs A380 im Rahmen der Produktions-
flüge starten und landen sollten; dafür bleibe die jetzt planfestgestellte Anlage
erforderlich (UA S. 41 f.). An diese nicht mit zulässigen und begründeten Revi-
sionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß
§ 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die ihnen zugrunde liegende Sachverhalts- und
Beweiswürdigung ist revisionsgerichtlich nur darauf zu überprüfen, ob sie auf
einem Rechtsirrtum beruht oder gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsät-
ze verstößt, zu denen die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die
allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1989
- BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162>, vom 6. Juni 2002 - BVerwG
4 CN 6.01 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 111 und vom 13. Juli 2006
- BVerwG 4 C 2.05 - BVerwGE 126, 233 Rn. 17). Ein solcher die Bindung aus-
schließender Grund ist hier nicht gegeben.
2.2.3 Ob das Vorhaben der Beigeladenen im Hinblick auf seine Folgewirkungen
für den Arbeitsmarkt und die regionale Wirtschaftsstruktur im öffentlichen Inte-
resse liegt, ist - anders als das Oberverwaltungsgericht gemeint hat (UA S. 30
- 32, 42 - 44) - für die Planrechtfertigung nicht von Bedeutung. Der Kläger ist
jedoch dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht den Plan für das Vorhaben
der Beigeladenen im Hinblick nicht nur auf den Verkehrsbedarf, sondern auch
auf die Auswirkungen für das Gemeinwohl als gerechtfertigt angesehen hat,
nicht beschwert.
Maßgebend für die Planrechtfertigung sind allein die Ziele des jeweiligen Fach-
planungsgesetzes, hier also des Luftverkehrsgesetzes. Die Schaffung von Ar-
beitsplätzen und die Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur gehören nicht
zu den Zielen des Luftverkehrsgesetzes. Das Luftverkehrsgesetz verbietet zwar
nicht, mit einem Vorhaben auch über den Luftverkehr hinausgehende In-
teressen zu verfolgen, insbesondere solche, die im Planungsrecht - wie dies für
die Förderung einer langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur der Fall
ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 9 ROG, § 1 Abs. 6 Nr. 8a BauGB) - als öffentliche Belange
anerkannt sind. Ziele des Luftverkehrsgesetzes sind diese Interessen ungeach-
tet ihrer Anerkennung in anderen Gesetzen nicht. Sie bleiben für das Vorhaben
51
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sprechende öffentliche Belange, die im Rahmen der Abwägung zu berücksich-
tigen sind (§ 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Auch soweit die Rechtsprechung beim
Verkehrswegebau die regionale Strukturhilfe als legitimes Planungsziel aner-
kannt hat (Urteil vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364
<375 f.>), wirkt rechtfertigend nur das Ziel, einen bestimmten Verkehr zu er-
möglichen und einen bisher unzureichend erschlossenen Raum an das Ver-
kehrsnetz anzuschließen (BVerwG a.a.O; Urteile vom 27. Oktober 2000
- BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <147> und vom 15. Januar 2004
- BVerwG 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <3>). Für die Förderung der Luftfahrtin-
dustrie oder bestimmter Luftfahrtindustriestandorte gilt nichts anderes. Soweit
die Luftfahrtindustrie auf Luftverkehr angewiesen ist, kann - wie hier - dieser
Verkehrsbedarf ein Vorhaben rechtfertigen. Einer darüber hinausgehenden
Förderung der Luftfahrtindustrie fehlt der im Luftverkehrsgesetz vorausgesetzte
Bezug zum Luft.
2.3 Rechtsfehler zu Lasten des Klägers im Rahmen der fachplanerischen Ab-
wägung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint (UA S. 84).
2.3.1 Lärmbetroffene können beanspruchen, dass ihre Lärmschutzbelange mit
dem ihnen zustehenden Gewicht in die planerische Abwägung eingestellt und
mit den für das Vorhaben angeführten Belangen in einen Ausgleich gebracht
werden, der zur objektiven Gewichtigkeit ihrer Belange nicht außer Verhältnis
steht (vgl. Urteile vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261
<267> und vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 279). Die Lärmschutzbelange der
Anwohner dürfen im Wege der Abwägung nur zurückgestellt werden, wenn hin-
reichend gewichtige Gründe für das Vorhaben sprechen. Ob bei der Anlegung
oder Änderung eines ausschließlich privaten Verkehrszwecken dienenden
Sonderflugplatzes die Verkehrsinteressen des Flugplatzunternehmers ausrei-
chen können, um die Lärmschutzbelange zurückzustellen, selbst wenn die An-
wohner, um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, die Fenster ge-
schlossen halten müssen und auf Lüftungsanlagen und gegebenenfalls eine
zusätzliche Dämmung ihrer Wohnung angewiesen sind, kann dahinstehen. Die
Planfeststellungsbehörde und ihr folgend das Oberverwaltungsgericht haben
hier, ohne gegen Bundesrecht zu verstoßen, ein auch öffentliches Interesse an
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der Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen bejaht. Ein solches öffent-
liches Interesse kann insbesondere gegeben sein, wenn sich der Betrieb des
privaten Sonderflugplatzes positiv auf den Arbeitsmarkt und die regionale Wirt-
schaftsstruktur auswirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 2002
a.a.O.). Es ist geeignet, sich in Verbindung mit den privaten Verkehrsinteressen
des Flugplatzunternehmers im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzbe-
lange der Anwohner durchzusetzen, auch wenn die Grenze der fachplanungs-
rechtlichen Zumutbarkeit nur durch passiven Schallschutz und gegebenenfalls
eine Außenwohnbereichsentschädigung gewahrt werden kann. Dem Wohl der
Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG muss ein Vorhaben nur
dienen, wenn die Planfeststellung enteignungsrechtliche Vorwirkung hat. Das ist
hier nicht der Fall. Ob das Allgemeinwohlerfordernis darüber hinaus erfüllt sein
muss, wenn der Lärm so massiv auf das Wohngrundstück einwirkt, dass es
seine Wohnqualität verliert und unbewohnbar wird, und der Eigentümer deshalb
auf einen Übernahmeanspruch verwiesen werden soll (vgl. Urteil vom 16. März
2006 a.a.O. Rn. 376), kann dahinstehen; diese Grenze überschreitet der Lärm
auf dem Grundstück des Klägers nach den Feststellungen des Oberver-
waltungsgerichts nicht. Ob das Oberverwaltungsgericht das Vorhaben der
Beigeladenen allein wegen der erwarteten, aber nicht gesicherten positiven
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die regionale Wirtschaftsstruktur un-
geachtet anderer dem Vorhaben am vorgesehenen Standort möglicherweise
entgegenstehender Allgemeinwohlbelange (vgl. Urteil vom 3. Juli 1998 a.a.O.)
zu Recht als unter dem Blickwinkel des Wohls der Allgemeinheit planerisch ge-
rechtfertigt und „mittelbar gemeinnützig" qualifiziert hat (UA S. 42 - 44), ist
ebenfalls nicht entscheidungserheblich.
Dass der Eintritt der positiven Wirkungen des Vorhabens auf den Arbeitsmarkt
und die regionale Wirtschaftsstruktur nicht sicher ist, steht der Berücksichtigung
dieser Wirkungen im Rahmen der Abwägung nicht entgegen; insoweit unter-
scheidet sich die Beeinträchtigung der Anwohner durch Fluglärm von einer
Enteignung zugunsten eines privaten Unternehmers, die eine dauerhafte Siche-
rung des im Allgemeininteresse liegenden Zwecks der Maßnahme voraussetzt
(vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 a.a.O. S. 285 f.; Beschluss vom 11. No-
vember 2002 a.a.O.). Bleiben die positiven Wirkungen auf den Arbeitsmarkt
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- 29 -
hinter den Erwartungen zurück, weil die Flugzeugproduktion nicht den prognos-
tizierten Umfang erreicht, kann im Rahmen der Abwägung berücksichtigt wer-
den, dass wegen des geringeren Flugverkehrs auch die Anwohner weniger be-
lastet werden (BVerfG, Beschluss vom 11. November 2002 a.a.O.). Ein das
Vorhaben noch rechtfertigender Verkehrsbedarf muss jedoch bei vorausschau-
ender Betrachtung mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können (vgl.
Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272). Bestehen bei unterstellter Flugzeug-
produktion und dadurch bedingtem Luftverkehrsbedarf begründete Zweifel dar-
an, dass das Vorhaben nachhaltige positive Folgen für den Arbeitsmarkt und
die regionale Wirtschaftsstruktur haben wird, wiegt das Interesse an der Ver-
wirklichung des Vorhabens geringer. Hat die Planfeststellungsbehörde auf der
Grundlage eines Sachverständigengutachtens positive gesamtwirtschaftliche
Auswirkungen der geplanten Flugzeugproduktion prognostiziert, hat das Gericht
(nur) zu prüfen, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt
wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob
das Ergebnis einleuchtend begründet ist (vgl. Urteil vom 20. April 2005 a.a.O.
S. 275).
2.3.2 Gemessen hieran ist die Kontrolle der Abwägung durch das Oberverwal-
tungsgericht nicht zu beanstanden.
Dass die Planfeststellungsbehörde - wie der Kläger meint - aufgrund einer Zu-
sage des seinerzeitigen Staatsrates der Wirtschaftsbehörde vom 10. Dezember
1998, die Start- und Landebahn in zwei Schritten auf mindestens 3 035 m zu
verlängern, zu einer ergebnisoffenen Abwägung nicht mehr in der Lage gewe-
sen sei, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Es hat das Schreiben
des Staatsrates als Bemühen eines politischen Entscheidungsträgers ver-
standen, im Wettbewerb der möglichen Produktionsstandorte die Chancen sei-
nes Standortes zu wahren (UA S. 40). Den Willen, die Planfeststellungsbehörde
in ihrer Entscheidung über die Anträge auf Planfeststellung zu binden, hat es
dem Schreiben nicht entnommen. Es hat auch nicht festgestellt, dass die
Planfeststellungsbehörde dem Schreiben eine die Abwägung vorweg nehmen-
de Bedeutung beigemessen habe. Nach seinen Feststellungen hat die Plan-
feststellungsbehörde die Belange des Klägers erwogen, in ihrer Bedeutung er-
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- 30 -
kannt und mit den anderen öffentlichen und privaten Belangen abgewogen (UA
S. 84). An diese tatsächlichen Feststellungen, gegen die der Kläger zulässige
und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht hat, ist der Senat gemäß
§ 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
Die Planfeststellungsbehörde hat nach den Feststellungen des Oberverwal-
tungsgerichts die positiven Folgewirkungen des Vorhabens der Beigeladenen
nicht fehlerhaft ermittelt oder überbewertet. Die Planfeststellungsbehörde sei
von den positiven Wirkungen für den Arbeitsmarkt und die regionale Wirt-
schaftsstruktur nicht ohne eine hinreichende prognostische Basis ausgegangen,
sondern habe ihre Abwägung auf gutachtliche Bewertungen des Vorhabens
gestützt (UA S. 43, 85). Anhaltspunkte dafür, dass diese Prognosen fehlerhaft
waren und die Gewichtigkeit der öffentlichen Belange fehlerhaft bewertet
worden sei, hat das Oberverwaltungsgericht nicht erkannt (UA S. 85). Bestätigt
wurde die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde - worauf das Oberverwal-
tungsgericht zu Recht hingewiesen hat (UA S. 43) - durch die Stellungnahme
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 19. April 2000, in der
diese das Gesamtprojekt trotz der negativen Auswirkungen auf das Mühlenber-
ger Loch wegen seiner Bedeutung für den Raum Hamburg und Norddeutsch-
land und für die europäische Luftfahrtindustrie als durch zwingende Gründe des
überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ge-
rechtfertigt angesehen hat.
Das Oberverwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass im Zeitpunkt der Plan-
feststellung die begründete Aussicht bestanden habe, dass der angestrebte
Gemeinwohlzweck dauerhaft erreicht werden könne (UA S. 43). Sollte entge-
gen den Prognosen eine erheblich geringere Zahl von Flugzeugen insbesonde-
re des Typs A380 produziert werden und sollten deshalb erheblich weniger Ar-
beitsplätze als angenommen entstehen, würde sich auch die Belastung des
Klägers in vergleichbarem Umfang verringern (UA S. 43 f., 85).
Dass das Oberverwaltungsgericht das Vorhaben der Beigeladenen unter dem
Blickwinkel des Wohls der Allgemeinheit als planerisch gerechtfertigt und als
„mittelbar gemeinnützig“ angesehen hat, hat nicht zur einer unzulässig vereng-
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- 31 -
ten Kontrolle der Abwägung geführt. Es hat nicht verkannt, dass, auch wenn ein
öffentliches Interesse an den wirtschaftlichen Folgewirkungen eines privaten
Sonderflugplatzes besteht, Anwohner nicht automatisch auf passiven Lärm-
schutz und gegebenenfalls eine Außenwohnbereichsentschädigung verwiesen
werden dürfen, sondern dass die gegenläufigen Interessen im Rahmen der
Abwägung gewichtet und gegeneinander abgewogen werden müssen (UA
S. 32, 44, 85). Davon ist auch die Planfeststellungsbehörde ausgegangen (PFB
S. 75).
Auf der Grundlage der genannten Feststellungen ist das Oberverwaltungsge-
richt zu Recht davon ausgegangen, dass die Planfeststellungsbehörde den ihr
zustehenden Abwägungsspielraum nicht überschritten hat, indem sie die Lärm-
schutzbelange der Anwohner hinter den für das Vorhaben sprechenden Belan-
gen zurückgestellt hat.
B. Die Hilfsanträge sind ebenfalls unbegründet.
1. Den Antrag, den Planfeststellungsbeschluss für nichtig zu erklären (Antrag zu
2, erster Hilfsantrag), weil die Beklagte und die Beigeladene die Anwohner über
ihre Planungsabsichten getäuscht hätten und der Planfeststellungsbeschluss
deshalb offensichtlich an einem besonders schwerwiegenden, zur Nichtigkeit
führenden Fehler leide (§ 44 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 HmbVwVfG i.V.m. §§ 138, 242
BGB), hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht abgelehnt (UA S. 38). Nach
seinen Feststellungen (vgl. oben A.2.2.3) haben die Beklagte und die
Beigeladene nicht über ihre Planungsabsichten getäuscht; sie hatten die
Absicht, eine Start- und Landebahn mit einer Länge von 2 684 m zu verwirkli-
chen bzw. hierfür die Voraussetzungen zu schaffen.
2. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass die Planfeststellungsbehörde
über die erforderlichen Schutzmaßnahmen sowie über Ansprüche auf Entschä-
digung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidet
(Antrag zu 2, zweiter Hilfsantrag).
61
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64
- 32 -
2.1 Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass der Kläger, soweit er
im Inneren seines Wohnhauses von Lärmimmissionen betroffen ist, durch die
im Planfeststellungsbeschluss angeordneten passiven Schallschutzmaßnah-
men in einer Weise geschützt wird, dass durch den Flugplatz der Beigeladenen
verursachte unzumutbare Beeinträchtigungen nicht auftreten (UA S. 45). Das ist
revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Nach Ziffer 1.1.5.1.1 des Plan-
feststellungsbeschlusses sollen die Schutzmaßnahmen sicherstellen, dass in
Wohnräumen bei ausreichender Belüftung der Dauerschallpegel L
eq3
von
40 dB(A) nicht überschritten wird und im Jahresdurchschnitt höchstens fünf
Maximalpegel je Werktag zwischen 60 und 75 dB(A) auftreten. Dieses Schutz-
ziel hat das Oberverwaltungsgericht als ausreichend angesehen, um den Klä-
ger vor Nachteilen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG zu schützen. Dass es inso-
weit bei seiner tatrichterlichen Würdigung den Maßstab des § 9 Abs. 2 LuftVG
verkannt haben könnte, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
2.2 Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Planfeststellungsbehörde ihm
gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 HmbVwVfG einen Anspruch gegen die Beigeladene
auf Entschädigung für die Beeinträchtigung eines Außenwohnbereichs zuer-
kennt oder hierüber erneut entscheidet. Die Annahme des Oberverwaltungsge-
richts, dass einem etwaigen Außenwohnbereich auf dem Grundstück des Klä-
gers ein Dauerschallpegel bis zu 62 dB(A) entschädigungslos zugemutet wer-
den durfte (UA S. 61), verstößt nicht zu Lasten des Klägers gegen Bundesrecht
(2.2.1). Ob - wie die Beigeladene meint - insoweit eine Verletzung von Bundes-
recht zu ihren Lasten vorliegt, kann dahinstehen, denn sie ist durch das Urteil
des Oberverwaltungsgerichts nicht beschwert. Der Wert von 62 dB(A) wird
durch den auf dem Grundstück des Klägers zu erwartenden Dauerschallpegel
nicht erreicht (2.2.2).
2.2.1 Bundesrecht gebietet nicht, die Zumutbarkeitsgrenze für die Beeinträchti-
gung eines Außenwohnbereichs durch das Vorhaben der Beigeladenen bei
einem Dauerschallpegel unter 62 dB(A) zu ziehen. Die Zumutbarkeitsgrenze für
die Nutzungsbeeinträchtigung der Außenwohnbereiche kann ohne eine bun-
desgesetzlichen Grundlage (vgl. künftig § 9 Abs. 5 FluglärmG, BTDrucks
16/3813, S. 7) nicht durch eine bundeseinheitliche Ermittlung und Festlegung
65
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- 33 -
von Lärmpegel-Grenzwerten bestimmt werden, sondern nur im Einzelfall unter
Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse durch tatrichterliche
Würdigung (Beschluss vom 29. Dezember 1998 - BVerwG 11 B 21.98 -
Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 12 ; Urteile vom 29. Januar 1991 a.a.O.
S. 373 und vom 21. September 2006 - BVerwG 4 C 4.05 - BVerwGE 126, 340
Rn. 34). Das Oberverwaltungsgericht hat als Ausgangswert für die Bestimmung
der Zumutbarkeitsgrenze „unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und der Tatsachenfeststellungen der jeweils betei-
ligten Verwaltungsgerichtshöfe/Oberverwaltungsgerichte“ (UA S. 59) einen
Dauerschallpegel von 65 dB(A) zugrunde gelegt. Die im Anschluss an die
Rechtsprechung insbesondere der Tatsachengerichte zum Ausdruck
kommende Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nach den bereits dargeleg-
ten Grundsätzen (A.2.2.2) revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Insbeson-
dere beruht sie nicht auf einem Rechtsirrtum. Der Senat hat in dem Verfahren
betreffend den Flughafen Berlin-Schönefeld keinen Rechtssatz aufgestellt, der
es ausschließt, die Zumutbarkeitsschwelle vorbehaltlich besonderer Umstände
bei einem Dauerschallpegel von 65 dB(A) festzulegen (vgl. Urteil vom 21. Sep-
tember 2006 a.a.O.). Er hat vielmehr aufgrund eigener tatrichterlicher Würdi-
gung neuerer lärmmedizinischer Gutachten und einer Auslegung des angefoch-
tenen Planfeststellungsbeschlusses als Tatsachengericht entschieden, dass die
Abgrenzung eines Entschädigungsgebiets Außenwohnbereich durch einen
Dauerschallpegel von 65 dB(A) unter den dort gegebenen Umständen rechts-
widrig war (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 364 - 366).
Für das Vorhaben der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht den Aus-
gangswert von 65 dB(A) um 3 dB(A) reduziert, weil der Flugplatz nicht dem öf-
fentlichen Verkehr, sondern lediglich mittelbar Gemeinwohlzwecken diene (UA
S. 61). Die Erheblichkeitsgrenze im Außenwohnbereich werde nicht allein durch
das Gewicht der Kommunikationsbeeinträchtigung und die Gebietsstruktur be-
stimmt; auch der Zweck des Vorhabens sei ein Gesichtspunkt, der für die Stö-
rungswirkung bei den Lärmbetroffenen nicht ohne Bedeutung und deshalb in
die Bewertung der zumutbaren Belastungsgrenzen einzubeziehen sei (UA
S. 59). Ob diese Rechtsauffassung mit § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2
und 3 HmbVwVfG vereinbar ist, kann offen bleiben. Sollte das Maß des Lärms,
68
- 34 -
der den Anwohnern eines Flugplatzes zugemutet werden darf, nicht davon ab-
hängen, welchem Zweck der Flugplatz dient, wäre der Kläger dadurch, dass
das Oberverwaltungsgericht die für einen Verkehrsflugplatz angemessene Zu-
mutbarkeitsgrenze im Hinblick auf den privaten Zweck des Vorhabens der Bei-
geladenen herabgesetzt hat, nicht beschwert. Sollte das Maß des Zumutbaren
nicht nur durch die Gebietsart und die Geräuschvorbelastung der Umgebung
(vgl. Urteil vom 29. Januar 1991 a.a.O. S. 356 f.) sowie die Erkenntnisse der
Lärmwirkungsforschung, sondern in Anlehnung an die zum Gebot der Rück-
sichtnahme entwickelten Grundsätze (vgl. Urteile vom 21. Mai 1976 - BVerwG
4 C 80.74 - BVerwGE 51, 15 <30> und vom 25. Februar 1977 - BVerwG 4 C
22.75 - BVerwGE 52, 122 <126>) auch durch die mit dem Vorhaben verfolgten
Verkehrsinteressen bestimmt werden, wäre es eine Frage der tatrichterlichen
Würdigung des jeweiligen Einzelfalls, wie der besonderen Situation eines priva-
ten Zwecken dienenden Sonderlandeplatzes bei der Bestimmung der Zumut-
barkeitsgrenze Rechnung zu tragen ist. Dass das Oberverwaltungsgericht es
hier für angemessen gehalten hat, die durch einen Dauerschallpegel ausge-
drückte Zumutbarkeitsgrenze um 3 dB(A), aber nicht darüber hinaus herabzu-
setzen, wäre revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
2.2.2 An die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Dauerschall-
pegel in einem Außenwohnbereich auf dem Grundstück des Klägers den Wert
von 60,4 dB(A) nicht überschreiten wird (UA S. 64, 81), ist das Bundesverwal-
tungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die in Bezug auf diese
Feststellung erhobene Aufklärungsrüge des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger meint, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Antrag, ein Sach-
verständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass die „Analyse der
vom Antragsteller vorgelegten Fluglärmdaten und Beurteilung der vorgesehe-
nen Schutzmaßnahmen gegen die prognostizierten Lärmimmissionen“ vom
27. Mai 2005 (Verfasser: Thomas J. M., Dipl.-Phys.) richtig ist und deshalb
fünfmal oder häufiger je Werktag Maximalpegel von 90 dB(A) auf dem Grund-
stück des Klägers überschritten werden, nicht ablehnen dürfen. Das Oberver-
waltungsgericht hat den Sachbeistand des Klägers, Herrn Dipl.-Phys. Thomas
J. M., in der mündlichen Verhandlung angehört. Den Beweisantrag hat es durch
69
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- 35 -
Gerichtsbeschluss abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
dass das vorliegende Lärmgutachten durch den Sachbeistand des Klägers nicht
plausibel erschüttert worden sei; es halte sich für sachkundig genug, dies zu
erkennen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2005, S. 7
).
Die Ablehnung des Beweisantrags ist nicht zu beanstanden. Liegen bereits
Gutachten oder Auskünfte vor, steht es nach § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412
Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Auskünfte
oder Sachverständigengutachten einholt. Ein weiteres Gutachten muss das
Gericht nur einholen, wenn sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdräng-
te, insbesondere weil das vorhandene Gutachten Mängel aufweist, die es im
gerichtlichen Verfahren zur Sachverhaltsfeststellung ungeeignet erscheinen las-
sen (Urteil vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <127>),
oder weil das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteilig-
ten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wurde
(Beschluss vom 26. Juni 1992 - BVerwG 4 B 1.92 u.a. - NVwZ 1993, 572
<578>).
Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Der Sachbeistand des Klägers
hatte geltend gemacht, dass die Verringerung der den Immissionsberechnun-
gen der Fa. Müller-BBM zugrunde liegenden Emissionsdaten bestimmter Flug-
zeuggruppen gegenüber den Werten der AzB 99 mit den Messdaten nicht plau-
sibel zu begründen sei. Für landende Flugzeuge stimmten vielmehr die gemes-
senen Werte mit den auf der Grundlage der AzB 99 errechneten Werten über-
ein. Das Oberverwaltungsgericht hat die Korrektur der Emissionsdaten als ge-
rechtfertigt angesehen, weil sowohl das hier zu erwartende Typenspektrum in-
nerhalb der Flugzeugklassen als auch andere Parameter, wie etwa das Start-
und Landegewicht der Flugzeuge, nicht unerheblich von den Bedingungen von
Verkehrsflughäfen abwichen. Schon dieser Umstand lege es nahe, dass die
durchschnittlichen Emissionsdaten innerhalb der erheblich weiter gespannten
Flugzeugklassen sowohl nach dem Maßstab der AzB als auch anderer Mes-
sungen an Verkehrsflughäfen von den anhand der Messungen am Flugplatz der
Beigeladenen ermittelten Emissionsdaten abweichen müssten (UA S. 67). Dass
71
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der Sachbeistand des Klägers auf der Grundlage der Datensätze der AzB 99 für
den Messpunkt andere Werte als die Fa. Müller-BBM errechnet hat, hat das
Oberverwaltungsgericht darauf zurückgeführt, dass er bei seinen Berechnun-
gen von einem größeren seitlichen Abstand zwischen der Messstelle und der
verlängerten Mitte der Start- und Landebahn als die Fa. Müller-BBM (50 m
gegenüber 32 m) ausgegangen sei. Die Fa. Müller-BBM habe die Lage der
beiden maßgeblichen Punkte auf der Grundlage digitaler Lagedaten ermittelt;
der Sachbeistand des Klägers habe die Richtigkeit seiner hiervon abwei-
chenden Annahmen nicht belegen können (UA S. 68). Diese Sachverhalts- und
Beweiswürdigung ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt
insbesondere nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze. Wa-
rum der Abstand zwischen der Messstelle und der verlängerten Mitte der Start-
und Landebahn, den die Fa. Müller-BBM ihren Berechnungen zugrunde gelegt
hat, unrichtig sein sollte, hat der Kläger auch im Revisionsverfahren nicht dar-
gelegt.
2.3 Die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs wegen der Minderung
des Verkehrswertes seines Grundstücks kann der Kläger schon deshalb nicht
verlangen, weil die Wertminderung nach den nicht mit zulässigen und begrün-
deten Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Ober-
verwaltungsgerichts (UA S. 86) in der Abwägung fehlerfrei berücksichtigt wor-
den ist (vgl. Urteil vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 144).
3. Soweit das Oberverwaltungsgericht die auf Planergänzung gerichteten An-
träge zu 3) abgelehnt hat (UA S. 50 zu Ziffer 1.1.5.1.1 des Planfeststellungsbe-
schlusses, UA S. 57 zu Ziffern 1.1.5.1.2 und 1.1.5.1.5, UA S. 56 zu Ziffer
1.1.5.1.6 und UA S. 45, 56 zu Ziffer 1.1.5.2.1), sind Bundesrechtsverstöße zu
Lasten des Klägers weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Antrag, die
Beigeladene zu verpflichten, den Kläger zu entschädigen (Antrag zu 4), musste
jedenfalls aus den Gründen ohne Erfolg bleiben, die bereits zum gegen die Be-
klagte gerichteten Antrag auf erneute Entscheidung über die Zuerkennung ei-
nes solchen Entschädigungsanspruchs dargelegt wurden (B.2.2 und B.2.3).
73
74
- 37 -
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es ent-
spricht der Billigkeit, dem Kläger auch die Erstattung der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen Sachantrag gestellt hat
und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Der am
26. April 2007 verkündete Tenor, der den Ausspruch über die außergericht-
lichen Kosten der Beigeladenen nicht enthielt, ist insoweit berichtigt worden
(§ 118 Abs. 1 VwGO).
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Gatz
Dr. Jannasch Dr. Philipp
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 20 000 €
festgesetzt.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Gatz
Dr. Jannasch Dr. Philipp
75
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Luftverkehrsrecht
Fachpresse:
ja
Wasserrecht
Naturschutzrecht
Rechtsquellen:
EG
Art. 234
GG
Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1
LuftVG
§§ 6, 8 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 2
LuftVZO
§ 38 Abs. 2, § 49 Abs. 2
WHG
§ 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 3
BNatSchG 1998
§§ 4, 8, 19a, 19c, 39 Abs. 1
BNatSchG 2002
§§ 18 ff., 34
RL 79/4097/EWG (VRL) Art. 4
RL 92/43/EWG
Art. 6, 7
BauGB
§ 38
VwVfG (Hmb)
§ 74 Abs. 2, § 75 Abs. 1, § 78 Abs. 1
Stichworte:
Sonderlandeplatz; Sonderflugplatz; Gewässerausbau; selbständiges Vorhaben;
Folgemaßnahme, subjektives Recht, Abwägungsgebot; Enteignungsbetroffe-
ner; Lärmbetroffener; Meldegebiet; unmittelbare Wirkung; Popularklagebe-
fugnis; Recht auf Naturgenuss; effektive Durchsetzung des Gemeinschafts-
rechts, privatnützige/gemeinnützige Planfeststellung; Gemeinwohl; Planrecht-
fertigung; Verkehrsbedarf; Arbeitsmarkt; regionale Strukturhilfe; Übernahmean-
spruch; Außenwohnbereich; Entschädigung; Zumutbarkeitsgrenze; passiver
Schallschutz.
Leitsatz:
Die Vogelschutzrichtlinie und die FFH-Richtlinie verleihen einem einzelnen nicht
das Recht, Verstöße gegen die Bestimmungen zum Schutz der Vogelschutz-
und der FFH-Gebiete zu rügen.
Das Luftverkehrsrecht unterscheidet nicht zwischen privat- und gemeinnützigen
Vorhaben. Auch für die Planfeststellung eines nur privaten Verkehrszwecken
dienenden Sonderflugplatzes gelten die allgemeinen Anforderungen der Plan-
rechtfertigung und des Abwägungsgebots einschließlich der Grundsätze über
die Anordnung von Schutzvorkehrungen und Entschädigung nach § 9 Abs. 2
LuftVG und § 74 Abs. 2 VwVfG.
Maßgebend für die Planrechtfertigung sind allein die Ziele des Luftverkehrsge-
setzes. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung der regionalen
Wirtschaftsstruktur gehören nicht dazu. Sie können aber als öffentliche Belange
im Rahmen der Abwägung Bedeutung erlangen.
Besteht ein auch öffentliches Interesse am Ausbau eines privaten Verkehrs-
zwecken dienenden Sonderlandeplatzes, kann dieses sich in Verbindung mit
den privaten Verkehrsinteressen des Flugplatzunternehmers im Wege der Ab-
wägung gegen die Lärmschutzbelange der Anwohner durchsetzen, auch wenn
passiver Schallschutz oder Entschädigung gewährt werden muss. Ob das pri-
vate Verkehrsinteresse allein hierfür ausreichen kann, bleibt offen.
Urteil des 4. Senats vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05
I. VG Hamburg vom 27.08.2002 - Az.: VG 15 VG 1383/2002 -
II. OVG Hamburg vom 02.06.2005 - Az.: OVG 2 Bf 345/02 -