Urteil des BVerwG vom 15.03.2012

Verhinderung, Gemeinde, Legitimation, Grundeigentümer

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 9.12
VGH 8 S 1044/09
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. März 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts-
hofs Baden-Württemberg vom 18. November 2011 wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision
bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde geltend
gemachte grundsätzliche Bedeutung.
1. Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde die
Frage, wann von einer Erforderlichkeit der Planung nach § 1 Abs. 3 BauGB
ausgegangen werden kann, wenn nur der „Bestand gesichert“ werden soll.
Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. In der Rechtsprechung des Senats ist
bereits geklärt, dass nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB nur sol-
che Bebauungspläne sind, die einer positiven Planungskonzeption entbehren
und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die
Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist u.a.
auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in
Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (Beschluss
vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27
m.w.N.). Ein solcher Fall ist nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck
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der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter
Nutzungen besteht. Eine Gemeinde darf mit der Bauleitplanung grundsätzlich
auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Verände-
rung der vorhandenen Situation zielen. Festsetzungen in einem Bebauungsplan
sind nur dann als „Negativplanung“ unzulässig, wenn sie nicht dem planeri-
schen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um
eine andere Nutzung zu verhindern (Beschluss vom 18. Dezember 1990
- BVerwG 4 NB 8.90 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 47).
Im vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof die Erforderlichkeit des
Bebauungsplans einschließlich der für das Grundstück des Antragstellers fest-
gesetzten Baugrenzen bejaht und zur Begründung ausgeführt: Nach der städ-
tebaulichen Konzeption der Antragsgegnerin sollten im Plangebiet aus Gründen
der Klimaverträglichkeit, der Durchgrünung der Hänge, der Einfügung in das
Stadtbild, der Sicherung des charakteristischen Stadt- und Landschaftsbilds
sowie des Erhalts der für die Halbhöhenlagen typischen Biotop- und Nutzungs-
typen die vorhandenen privat genutzten Grünflächen in ihrem Bestand gesichert
werden; zusätzliche Neubauten oder die Kaltluftströme behindernde bauliche
Erweiterungen sollten nicht zugelassen werden. Dies stelle eine rechtlich nicht
zu beanstandende städtebauliche Konzeption dar (UA S. 11 f.). Inwieweit diese
Begründung Anlass geben sollte, die dargelegte Rechtsprechung zur Erforder-
lichkeit von Bauleitplänen zu konkretisieren oder zu modifizieren, legt die Be-
schwerde nicht dar.
2. Die Beschwerde möchte weiter geklärt wissen, inwieweit sich die Antrags-
gegnerin durch den Rahmenplan Halbhöhenlagen für das konkrete Bebau-
ungsplangebiet leiten lassen durfte und ob insoweit nicht eine unzulässige Vor-
abbindung erfolgte, die gegen § 1 Abs. 3 BauGB verstößt.
Diese Frage ist auf die Würdigung des Sachverhalts und die Rechtsanwendung
im vorliegenden Einzelfall gerichtet. Inwieweit ihr eine allgemeine, über den vor-
liegenden Fall hinausgehende und damit rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu-
kommen sollte, legt die Beschwerde nicht dar.
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3. Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde schließlich fol-
gende Frage:
Kann eine Bebauungsplanung erforderlich im Sinne des
§ 1 Abs. 3 BauGB sein, wenn sie sich (ausschließlich) an
Vorgaben einer Untersuchung (hier: des Rahmenplans
Halbhöhenlagen in Stuttgart) orientiert, ohne dass dazu
die erforderliche rechtliche Legitimation durch einen Ab-
wägungsprozess mit den betroffenen Grundstückseigen-
tümern stattgefunden hat?
Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den
Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat sich die Antragsgegnerin nicht
allein an den Vorgaben des Rahmenplans Halbhöhenlagen orientiert; sie hat
darüber hinaus die Belange der betroffenen Grundeigentümer fehlerfrei abge-
wogen (UA S. 12 - 17). Einen Hinweis darauf, dass sich die Antragsgegnerin
hierbei rechtlich an die Vorgaben des Rahmenplans gebunden glaubte, hat der
Verwaltungsgerichtshof nicht gefunden (UA S. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Philipp
Dr. Bumke
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