Urteil des BVerwG vom 26.05.2015

Passiven, Rechtsgrundlage, Bebauungsplan, Gestaltung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 8.15
VGH 15 N 12.2321
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2015
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofes vom 9. Dezember 2014 wird zurück-
gewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe:
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Eine
Frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich vorliegend nicht.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine
Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung
einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Be-
schwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen
und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1
VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine
bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungs-
bedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu
erwarten ist (stRspr, so bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B
78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011
- 7 B 45.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
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ob die Festsetzung der Unzulässigkeit "schutzwürdiger
Aufenthaltsräume" (z.B. Schlafen, Wohnzimmer, Kinder-
zimmer etc.) als Maßnahme des passiven Immissions-
schutzes in einem Bebauungsplan ihre Rechtsgrundlage
in § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB findet,
ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Se-
natsrechtsprechung ohne Weiteres im Sinne der angefochtenen Entscheidung
beantworten (vgl. zu diesem Maßstab etwa BVerwG, Beschlüsse vom 13. März
1992 - 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 11 und vom 12. Juli 2012 - 4 B
13.12 - juris Rn. 3). Nach dem Beschluss des Senats vom 7. September 1988
- 4 N 1.87 - (BVerwGE 80, 184 <186>) können gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB
in einem Bebauungsplan u.a. Maßnahmen des passiven Schallschutzes festge-
setzt werden, wie etwa der Einbau von Doppel- bzw. Schallschutzfenstern oder
die immissionshemmende Ausführung von Außenwänden eines Gebäudes
(ebenso: BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1999 - 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248
<260>; Beschluss vom 7. Juni 2012 - 4 BN 6.12 - ZfBR 2012, 578). Im Urteil
vom 22. März 2007 - 4 CN 2.06 - (BVerwGE 128, 238 Rn. 14 f.) hat der Senat
§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB als Rechtsgrundlage angeführt, wenn in dicht besie-
delten Gebieten die Einhaltung der nach dem Trennungsgrundsatz (§ 50
BImSchG) erforderlichen Abstände ausscheidet und durch geeignete bauliche
und technische Vorkehrungen dafür zu sorgen ist, dass keine ungesunden
Wohnverhältnisse entstehen. In diesem Zusammenhang hat er es im Ergebnis
mit dem Gebot gerechter Abwägung als vereinbar angesehen, Wohngebäude
an der lärmzugewandten Seite des Gebietes auch deutlich über den einschlägi-
gen Orientierungswerten liegenden Außenpegeln auszusetzen, wenn im Innern
der Gebäude durch die Anordnung der Räume und die Verwendung schall-
schützender Außenbauteile angemessener Lärmschutz gewährleistet wird. Die-
se Ausführungen sind im Schrifttum (vgl. z.B. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-
berg/Krautzberger, BauGB, Stand November 2014, § 9 Rn. 208; Mitschang/
Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 9 Rn. 144;
Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Mai 2015, § 9 Rn. 64;
Schrödter, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 9 Rn. 186; Gierke, in: Brügel-
mann, BauGB, Stand Oktober 2014, § 9 Rn. 460; Spannovsky, in: Spannovsky/
Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. 2014, § 9 Rn. 105) zu Recht als Beleg dafür angese-
hen worden, dass Festsetzungen über die Anordnung von (Aufenthalts-)Räu-
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men auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 Alt. 3 BauGB als Rechtsgrundlage gestützt werden
können. Hiervon ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Er hat an-
genommen, dass es sich bei der Festsetzung über Stellung und Gestaltung von
Gebäuden sowie die Anordnung der Wohn- und Schlafräume durch Nr. 10 der
textlichen Festsetzungen des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans um
eine Maßnahme des passiven Immissionsschutzes handele, die von § 9 Abs. 1
Nr. 24 Alt. 2 und 3 BauGB gedeckt sei (UA S. 12). Einen darüber hinausgehen-
den Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Gatz
Petz
Dr. Decker
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