Urteil des BVerwG vom 08.01.2004

Kritik, Scheidung, Begriff

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 78.03
OVG 1 KN 12/03
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 11. September 2003 wird zurückge-
wiesen.
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Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungstatbestände des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde muss ohne Erfolg bleiben.
Die Rechtssache hat nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO). Mit den in der Beschwerdebegründung (S. 6 und 7) zum Begriff der
"Erforderlichkeit" aufgeworfenen Fragen wird nicht dargetan, dass in dem erstrebten
Revisionsverfahren grundsätzliche Aussagen zu der Vorschrift des § 1 Abs. 3 BauGB
getroffen werden könnten. Das Normenkontrollurteil legt die vom Bundes-
verwaltungsgericht entwickelte Rechtsprechung zur Erforderlichkeit im Sinne des § 1
Abs. 3 BauGB zugrunde (vgl. Urteilsabdruck S. 7 f.) und gelangt anhand dieses
Maßstabes zu der Ansicht, dass die zweite Änderung des Bebauungsplans Nr. 40
diesen Maßstäben genügt. Gegen diese Würdigung wendet sich die Beschwerde mit
einer einzelfallbezogenen Kritik, ohne dass deutlich würde, in welcher Hinsicht die
seit langem gefestigte Rechtsprechung zur Erforderlichkeit von Bauleitplänen fort-
entwicklungsbedürftig sein könnte. Der Umstand allein, dass die Antragsteller die
ihren Fall betreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen des Normenkontrollgerichts
für unzutreffend halten, führt nicht auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO.
Aus den gleichen Gründen erfüllt auch das Beschwerdevorbringen zur Problematik
der Abwägung (§ 1 Abs. 6 BauGB) nicht die Voraussetzungen für eine Zulassung der
Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde erschöpft sich hier
gleichfalls in einer Kritik an der konkreten Rechtsanwendung im angefochtenen Ur-
teil.
Auch nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann die Revision nicht zugelassen werden.
Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die angefochtene Ent-
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scheidung mit einem abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz in einer
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Um dem Darlegungser-
fordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu genügen, sind die Rechtssätze heraus-
zuarbeiten, die nach Ansicht der Beschwerde in Widerspruch zueinander stehen.
Daran fehlt es hier. Die Beschwerde legt nicht dar, mit welchen Rechtssätzen aus
den von ihr zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai
1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - BRS 62 Nr. 19 und vom 7. Mai 1971 - BVerwG 4 C
76.68 - BRS 24 Nr. 15 das angefochtene Urteil unvereinbar sein soll. Im Gegenteil
geht das Normenkontrollurteil, wie dargelegt, ausdrücklich von der ständigen Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Erforderlichkeit im Sinne
des § 1 Abs. 3 BauGB aus. Dass die Beschwerde meint, das Normenkontrollgericht
habe die Maßstäbe dieser Rechtsprechung auf den zu entscheidenden Fall nicht
richtig angewendet, bezeichnet keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO.
Schließlich kann auch der von der Beschwerde geltend gemachte Verstoß gegen die
Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht zur Zulassung der Revision füh-
ren. Ein derartiger Verstoß wäre nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
ordnungsgemäß bezeichnet, wenn er sowohl in den (vermeintlich) begründenden
Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wäre
(stRspr des BVerwG). Dementsprechend hätte substantiiert dargelegt werden müs-
sen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat,
welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in
Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchfüh-
rung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden
wären. Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht. Sie beschränkt sich dar-
auf, im Gewand einer Aufklärungsrüge Kritik an der tatsächlichen und rechtlichen
Würdigung im Berufungsurteil zu üben. Mit derartigen Angriffen in der Art einer Beru-
fungsbegründung kann ein Rechtsmittelführer im Rahmen einer auf § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO gestützten Beschwerde nicht gehört werden.
Von weiteren Ausführungen sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100
Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und
§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Paetow
Dr. Lemmel
Dr. Jannasch