Urteil des BVerwG vom 14.06.2012

Bebauungsplan, Öffentlichkeit, Verkehr, Stadt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 7.12
VGH 15 N 11.781
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzu-
lassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Ver-
waltungsgerichtshofs vom 8. November 2011 wird zurück-
gewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 45 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Antragsgegnerin
hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die
ihr die Antragsgegnerin beimisst.
Die auf die Auslegung des § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB im Verhältnis zu § 4a
Abs. 3 Satz 1 BauGB zielenden zwei Fragen, die die Antragsgegnerin als
grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet, stellen sich nicht. Die Grundsatzrü-
gen beruhen auf Annahmen, von denen der Verwaltungsgerichtshof nicht aus-
gegangen ist. Entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin ist der Verwal-
tungsgerichtshof nicht davon ausgegangen, dass „die Planänderung materiell-
rechtlich keine nachteiligen grundstücksbezogenen oder sonstigen Auswirkun-
gen hat, jedoch aus lokalpolitischen Gründen für die Abwägung beim Sat-
zungsbeschluss bedeutsam ist“ (Beschwerdebegründung S. 7).
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Bebauungsplan Nr. 500 „Königsplatz und
Augsburg-Boulevard“ der Antragsgegnerin insgesamt für unwirksam erklärt,
weil sie nach Änderung des gemäß § 3 Abs. 2 BauGB ausgelegten Planent-
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wurfs auf die nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB gebotene erneute Auslegung und
Einholung von Stellungnahmen verzichtet habe. Jedenfalls habe der Grund für
die Neuordnung der Bäume östlich des Haltestellendreiecks, nämlich der durch
den Bürgerentscheid festgelegte Bau des Königsplatzes „mit einer vorsorgli-
chen Entlastungsstraße“, eine neuerliche Auslegung des Planentwurfs erfor-
dert. Die mit der Neuordnung der Bäume intendierte „vorsorgliche Entlastungs-
straße“ sei für die Antragsgegnerin im Hinblick auf davon betroffene öffentliche
und private Belange abwägungserheblich gewesen. Die „vorsorgliche Entlas-
tungsstraße“ habe den im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung geäußerten
Befürchtungen zur mangelnden Leistungsfähigkeit der Verkehrsführung und der
Gefahr des Schleichverkehrs in den umliegenden Gebieten Rechnung tragen
sollen. Damit habe die Antragsgegnerin eine gegebenenfalls nicht nur unerheb-
liche Beeinträchtigung des festgesetzten Fußgängerbereichs in Kauf genom-
men. Zum anderen seien öffentliche Belange gerade auch dadurch betroffen,
dass die „vorsorgliche Entlastungsstraße“ Gegenstand besonderer geeig-
neter Festsetzungen werden, sondern durch die Neuordnung der Bäume östlich
des Haltestellendreiecks allein faktisch ermöglicht werden sollte. Der Bebau-
ungsplan belasse es bei der Festsetzung einer Verkehrsfläche besonderer
Zweckbestimmung „Fußgängerbereich“. Das beschränke die Möglichkeit einer
Durchfahrung von vornherein auf wegerechtliche Sondernutzungs- und stra-
ßenverkehrsrechtliche Ausnahmetatbestände. Die Antragsgegnerin habe das
Ausmaß möglicher Entlastungswirkung des Bypasses auch nicht näher unter-
sucht und die Entscheidung über seine eventuelle Öffnung nur formell von ei-
nem Stadtratsbeschluss abhängig gemacht.
Damit geht der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht davon aus, dass - wie die
Antragsgegnerin geltend macht - die Änderung lediglich allgemein- bzw. lokal-
politische Bedeutung hatte und allein aus diesem Grund abwägungsrelevant
sei. Abwägungsrelevant ist die Änderung nach den tatsächlichen sowie auf der
Auslegung des Bebauungsplans beruhenden und damit für die revisionsgericht-
liche Beurteilung bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs viel-
mehr deswegen, weil die Antragsgegnerin zwar (vorsorglich) eine Durchfahrung
des Königsplatzes ermöglichen will - mit der Folge einer gegebenenfalls nicht
nur unerheblichen Beeinträchtigung des festgesetzten Fußgängerbereichs -,
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sich aber darauf beschränkt hat, die Durchfahrung durch die festgesetzte Neu-
ordnung des Baumbestandes rein tatsächlich zu gewährleisten - mit der Folge,
dass Verkehr nur im Rahmen wegerechtlicher Sondernutzungs- und straßen-
verkehrsrechtlicher Ausnahmetatbestände zulässig ist - und auf verbindliche
Festsetzungen verzichtet hat, welche eine Durchfahrung auch in rechtlicher
Hinsicht aufgreifen. Damit war - wie es der Verwaltungsgerichtshof formuliert -
die Frage der Wirksamkeit der vorsorglichen Entlastungsstraße aufgeworfen,
die öffentliche Interessen der Allgemeinheit und nicht lediglich Eigentümerinte-
ressen der Antragsgegnerin betrifft. Es kann daher keine Rede davon sein,
dass hier nur der Fall einer bloßen Verschiebung einer Baumreihe inmitten
stünde (Beschwerdebegründung S. 10), die - wie die Antragsgegnerin geltend
macht - rechtlich und in ihren Auswirkungen als unerhebliche Änderung anzu-
sehen wäre (Beschwerdebegründung S. 13), weil sie keinerlei grundstücksbe-
zogenen Auswirkungen habe (Beschwerdebegründung S. 14). Aufgrund der
vorgenommenen Änderung musste sich die Antragsgegnerin vielmehr der er-
neuten öffentlichen Diskussion im Wege der Auslegung stellen, um auf dieser
Grundlage im Rahmen der Abwägung zu entscheiden, ob es zur Lösung der
planbedingten Verkehrsproblematik ausreicht, auf künftige Bebauungsplanän-
derungen zu verweisen, mithin auf Festsetzungen zur Sicherung der Entlas-
tungsstraße zu verzichten, und lediglich die tatsächlichen Voraussetzungen für
mögliche spätere Planungen zu schaffen. Eine bloße Beteiligung städtischer
Ämter in Wahrnehmung der von der Neuordnung des Baumbestandes betroffe-
nen Eigentümerinteressen der Stadt wäre nur dann im Wege des vereinfachten
Verfahrens gemäß § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB ausreichend, wenn Interessen
der Öffentlichkeit durch die Änderung des Entwurfs nicht betroffen gewesen
wären. Die völlige Unterlassung einer notwendigen Beteiligung der Öffentlich-
keit bleibt erheblich (Beschluss vom 11. Dezember 2002 - BVerwG 4 BN
16.02 - BVerwGE 117, 239 <243>). Auch das verkennt die Antragsgegnerin,
wenn sie zur Entscheidungserheblichkeit ihrer (ersten) Frage auf die interne
Unbeachtlichkeitsklausel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 BauGB ver-
weist (Beschwerdebegründung S. 12).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
Dr. Bumke
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