Urteil des BVerwG vom 23.06.2003

Grünfläche, Gemeinderat, Begriff, Übertragung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 65.02
VGH 5 S 2687/00
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und G a t z
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 23. September 2002 wird zurückgewiesen.
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Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass
die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache oder gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzu-
lassen ist.
1. Die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage, ob eine den Kriterien der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechende Abwägung im Falle eines
schwerwiegenden Eingriffs in das Grundeigentum durch eine planerische Festsetzung
voraussetzt, dass die planende Gemeinde - nach außen erkennbar - sich zureichend konkre-
te Vorstellungen über Inhalt und Umfang des Bestandsschutzes vorhandener baulicher An-
lagen bzw. eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes macht, rechtfertigt die
Zulassung der Revision nicht. Der Beschwerde ist ohne weiteres darin zuzustimmen, dass
sich ein Planungsträger, der - wie es geboten ist (Krautzberger in: Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, 6. Aufl., § 1 Rn. 101) - den Bestandsschutz als privaten Belang in die Abwägung
nach § 1 Abs. 6 BauGB einstellt, über dessen Inhalt, Grenzen und Auswirkungen im Klaren
sein muss und dass es im Streitfall der gerichtlichen Prüfung unterliegt, ob er den Rechts-
begriff des Bestandsschutzes zutreffend erfasst hat. Das Normenkontrollgericht hat diese
Prüfung vorgenommen. Es ist zunächst davon ausgegangen, dass auf dem Grundstück des
Antragstellers zum Zeitpunkt des Beschlusses des Bebauungsplans eine Wohnbaunutzung
weder nach § 34 BauGB noch nach § 35 BauGB zulässig war (UA S. 14) und ist sodann mit
Blick auf die vorhandene gewerbliche Nutzung zu dem Ergebnis gelangt, der Gemeinderat
der Antragsgegnerin habe seinem Satzungsbeschluss den Begriff des Bestandsschutzes in
der Auslegung der - im Vergleich zu früher restriktiveren - Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts zugrunde gelegt. Die Beschwerde greift diesen Befund mit der Begründung
an, er sei spekulativ; denn die Vorstellungen, die der Gemeinderat mit dem Begriff des Be-
standsschutzes verbunden habe, seien nicht nach außen erkennbar geworden. Damit kriti-
siert sie die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung. Den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO erfüllt das nicht.
2. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
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a) Ohne Erfolg beanstandet die Beschwerde unter dem Stichwort "Verstoß gegen Denkge-
setze" eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei kann dahinstehen, ob hier
überhaupt die Voraussetzungen gegeben sein könnten, unter denen eine Missachtung des
§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausnahmsweise einen Verfahrensmangel und nicht einen mate-
riellrechtlichen Mangel darstellt. Das Normenkontrollgericht hat seine Schlussfolgerung, der
Gemeinderat der Antragsgegnerin habe im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses davon aus-
gehen dürfen, dass die Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche auf dem Betriebsgrund-
stück des Antragstellers alsbald verwirklicht werden könne, nämlich nicht aus Indizien abge-
leitet, die miteinander schlechterdings nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Nach Auf-
fassung der Beschwerde verbietet der Umstand, dass der Sohn des Antragstellers die Ver-
sagung eines Bauvorbescheides für die Erweiterung des Betriebes am jetzigen Standort trotz
der Belehrung, eine solche sei nur in einem Gewerbegebiet möglich, mit dem Rechtsmittel
des Widerspruchs angefochten hat, den Schluss darauf, dass der Betrieb in absehbarer Zeit
verlagert wird. Zwingend ist das nicht. Mit den Gesetzen der Logik vereinbar ist auch die
Deutung, der Sohn des Antragstellers habe durch sein Beharren auf Erteilung eines
Bauvorbescheides für die Betriebserweiterung zu erkennen gegeben, ihm sei die Vergröße-
rung des Betriebes so wichtig, dass er mit dem Betrieb eher auf einen anderen Standort
ausweichen würde als ihn am bisherigen Standort im bisherigen Umfang weiterzuführen.
Damit stimmt überein, dass der Antragsteller in Verhandlungen mit der Antragsgegnerin über
eine Übernahme des Betriebsgrundstücks und die Gestellung eines Ersatzgrundstücks ein-
getreten ist.
b) Unbegründet ist auch der Vorhalt an das Normenkontrollgericht, den Sachverhalt "akten-
widrig" festgestellt und sich dadurch über § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hinweggesetzt zu ha-
ben. Die Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 10. Mai und 7. Juni
1999 nötigen nicht zu dem Schluss, eine Betriebsverlagerung sei ausgeschlossen und die
Verwirklichung der geplanten öffentlichen Grünfläche deshalb auf unabsehbare Zeit blo-
ckiert. Im Schreiben vom 10. Mai 1999 hat der Antragsteller seine mangelnde Bereitschaft
erklären lassen, das Betriebsgrundstück zu den finanziellen Konditionen der Antragsgegne-
rin zu veräußern, und im Schreiben vom 7. Juni 1999 um eine alsbaldige Entscheidung über
die Bauvoranfrage gebeten, da noch nicht abzusehen sei, ob es zu einer einvernehmlichen
Regelung über die Übertragung des Betriebsgrundstücks auf die Antragsgegnerin komme.
Keines der beiden Schreiben enthält die Weigerung, das für die öffentliche Grünfläche
benötigte Betriebsgrundstück zu räumen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf
§ 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow
Lemmel
Gatz