Urteil des BVerwG vom 13.06.2007

Beweisantrag, Gemeinde, Bebauungsplan, Grundstück

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 6.07
OVG 10 D 96/04.NE
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Gatz
beschlossen:
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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. November
2006 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1.1 Dem von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Nor-
menkontrollgericht gestellten Beweisantrag zu Ziffer 2,
„dass der von der Honnschaftenstraße zum Kinderheim
führende Weg einschließlich des Parkstreifens täglich nur
in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 18.00 Uhr von höchs-
tens sechs Kraftfahrzeugen befahren worden ist“,
musste die Vorinstanz nicht nachgehen. Sie hat den Antrag insbesondere als
nicht entscheidungserheblich (entsprechend § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abge-
lehnt. Das ist nicht zu beanstanden. Weder wird die Antragstellerin durch die
Ablehnung in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt noch
lässt sich ein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 Satz1 VwGO) feststellen.
Einem Beweisantrag braucht das Tatsachengericht nicht nachzugehen, wenn
das mutmaßliche Beweisergebnis nicht entscheidungserheblich ist. Dies ist es
dann nicht, wenn sich der behauptete Sachverhalt - als gegeben unterstellt -
nicht zugunsten des die Beweiserhebung beantragenden Beteiligten auswirken
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kann. Darin liegt keine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Die
Frage der Entscheidungserheblichkeit des mutmaßlichen Beweisergebnisses
beurteilt sich nach der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts
(Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 - BVerwG 5 B 15.99 - und vom 27. April
1999 - BVerwG 6 B 26. 99 - juris; stRspr).
Die bisherige Verkehrsdichte auf dem zum Kinderheim führenden Weg entlang
dem Grundstück der Antragstellerin ist einer von mehreren abwägungserhebli-
chen Kriterien bei der Bewertung und Gewichtung des Interesses der Antrag-
stellerin, von dem Kfz-Verkehr auf der geplanten Erschließungsstraße (ein-
schließlich Besucherparkplatz) verschont zu bleiben. Die tatsächliche Vorbelas-
tung wirkt sich dabei zu Lasten der Antragstellerin schutzmindernd aus. Das
Normenkontrollgericht hat den Beweisantrag zu Ziffer 2 wegen Unerheblichkeit
abgelehnt, weil sich die von der Antragstellerin angenommene und unter Be-
weis gestellte Vorbelastung im Bereich der Erschließungsstraße im Ergebnis
nur unwesentlich von der Vorbelastung von 20 Kraftfahrzeugbewegungen pro
Tag unterscheide, welche die Antragsgegnerin ihrer Planung zugrunde gelegt
habe. Entgegen der Beschwerde ergibt sich aus den Urteilsgründen (UA S. 24)
nicht, dass die Vorinstanz bei dieser vergleichenden Bewertung den Vortrag der
Antragstellerin verkannt hat, einschließlich Lastkraftwagen und Schulbussen
seien täglich höchstens 12 Fahrzeugbewegungen auf dem Weg zum Kinder-
heim zu verzeichnen.
Die Ablehnung des Beweisantrages ist auf der Grundlage der entscheidungs-
tragenden Erwägungen des Normenkontrollgerichts gerechtfertigt. Nach Ansicht
der Vorinstanz hat die Antragsgegnerin den Konflikt zwischen dem Interesse
der Allgemeinheit an der Schaffung eines neuen Wohngebiets und dem
Interesse der Antragstellerin, von einer Immissionszunahme möglichst ver-
schont zu bleiben, gesehen und in vertretbarer Weise gelöst. Das Normenkon-
trollgericht fasst das Ergebnis seiner Abwägungskontrolle dahin zusammen, die
Antragsgegnerin habe das schutzwürdige Vertrauen der Antragstellerin in den
Fortbestand des durch den Bebauungsplan Nr. 7/74 normativ abgesicherten
ruhigen und komfortablen Wohnens in einer Parklandschaft bzw. das Vertrau-
en, dass aufgrund der Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans keine
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öffentliche Straße um ihr Grundstück herumgeführt werde, mit nachvollziehba-
ren Überlegungen hinter den von der Antragsgegnerin verfolgten städtebaulich
beachtlichen Belangen zurückgestellt. Das Interesse der Antragstellerin, das
bislang unbebaute Areal auch künftig baulich ungenutzt zu lassen und damit
auch frei von Verkehrslärm, sei nicht in besonderem Maße schützenswert. Ein
Grundstückseigentümer habe keinen Anspruch darauf, dass fremdes Eigentum
auf Dauer baulich ungenutzt bleibe, damit er weiterhin die Vorteile der unmittel-
baren Nachbarschaft unbebauten Geländes genießen könne. Der Verlust sol-
cher faktisch gegebenen Vorteile sei von denjenigen, die sich in der Nachbar-
schaft von Freiflächen - zumal am Rande von Ballungsräumen wie der Stadt
Essen - angesiedelt hätten, grundsätzlich hinzunehmen (UA S. 21). Der zu er-
wartende Erschließungsverkehr sei vom Grundsatz her unvermeidbar und stelle
eine normale Belastung in Wohngebieten dar. Von der umgebenden - ebenfalls
in einem reinen Wohngebiet liegenden - Bebauung sei dieser Verkehr regel-
mäßig hinzunehmen, zumal die Überplanung des hier umstrittenen Wohnge-
biets eine im Interesse des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden er-
wünschte Nachverdichtung des innerstädtischen Siedlungsbereichs darstelle
(UA S. 30). Von diesem materiellrechtlichen Standpunkt aus und angesichts der
Größenordnung der Verkehrszahlen, die zwischen den Beteiligten umstritten
sind, war das Normenkontrollgericht nicht gehalten, die numerisch-präzise An-
zahl der Fahrzeugbewegungen auf dem bisherigen Weg zum Kinderheim und
ihre durchschnittliche Verteilung auf Tages- und Nachtzeiten weiter aufzuklären.
Die Vorinstanz durfte bei Anlegung der vorgenannten Kontrollmaßstäbe davon
ausgehen, dass der angegriffene Bebauungsplan auch dann, wenn der von der
Antragstellerin behauptete und unter Beweis gestellte Sachverhalt als wahr
unterstellt wird, weder im Abwägungsvorgang noch im Abwägungsergebnis feh-
lerhaft wäre.
1.2 Die von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Nor-
menkontrollgericht gestellten Beweisanträge zu Ziffer 1a bis c hat die Vorin-
stanz ebenfalls nicht verfahrensfehlerhaft abgelehnt. Die Antragstellerin hat
(zusammengefasst) unter Beweis gestellt, dass bei Realisierung des angegrif-
fenen Bebauungsplans infolge der Erschließungsstraße (einschließlich der
Parkfläche) entlang ihres Grundstücks 0,5 m vor den geöffneten Fenstern der
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nach Nordwesten gelegenen Schlaf- und Kinderzimmer im Haus der Antragstel-
lerin - beurteilt nach der DIN 18005 - die folgenden Lärmpegel aufträten: tags
und nachts eine um mindestens 3 dB(A) höhere Lärmbelastung, ferner Über-
schreitungen des Immissionsrichtwertes für reine Wohngebiete in der Nacht
und schließlich einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen, die den Immissionsricht-
wert für reine Wohngebiete tags um mehr als 20 dB(A) und nachts um mehr als
10 dB(A) überschritten.
Nach dem Beschwerdevorbringen zielten diese Beweisanträge darauf ab, die
Lärmbelastung von Immissionsorten (Schlaf- und Kinderzimmer auf der rück-
wärtigen, nordwestlichen Seite des Wohnhauses) festzustellen, die die An-
tragsgegnerin in ihrer in die planerische Abwägung eingeführten Lärmabschät-
zung vom 4. Mai 2004 übergangen habe, die aber die Wohnsituation auf dem
Grundstück der Antragstellerin offenkundig in besonders erheblicher Weise zu
beeinträchtigen geeignet wäre. Das Normenkontrollgericht hat diese Beweisan-
träge aus zwei Gründen abgelehnt: Die Anträge dienten der Ausforschung; die
zum Beweis gestellten Behauptungen beruhten nur auf Vermutungen und soll-
ten erst durch die Beweiserhebung ermittelt werden. Darüber hinaus sei den
Beweisanträgen wegen Unerheblichkeit nicht nachzugehen.
Beide Begründungen sind nicht zu beanstanden.
Nach Ansicht der Vorinstanz handelt es sich um Ausforschungsbeweisanträge,
weil die Antragstellerin keine ihre Vermutungen stützenden Anhaltspunkte nen-
ne und dementsprechend auch nicht substantiiert darlege, aus welchen Grün-
den entgegen der Prognose der Antragsgegnerin die unter Beweis gestellten
Lärmerhöhungen und Richtwertüberschreitungen tags und nachts zu erwarten
seien. Die Antragstellerin führe nicht aus, dass die Prognose der Antragsgeg-
nerin nicht in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien
Weise erarbeitet worden sei. Eine darüber hinausgehende Prüfung der Prog-
nose sei dem Normenkontrollgericht verwehrt (UA S. 28). Dieser rechtliche An-
satz entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach
sind Beweisanträge unsubstantiiert und als Ausforschungsbegehren unzulässig,
wenn sie dazu dienen sollen, Behauptungen und Vermutungen zu stützen, die
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erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben werden. Einem Prozess-
beteiligten ist es verwehrt, unter formalem Beweisantritt Behauptungen aufzu-
stellen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich
haben könnte (Beschluss vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 -
Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 = NVwZ-RR 1991, 118; Beschluss vom
29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 266; Beschluss vom 29. Juli 1980 - BVerwG 4 B 218.79 - Buchholz 445.4
§ 8 WHG Nr. 9 = DVBl 1981, 467).
Gemessen daran ist nicht festzustellen, dass die Ablehnung der Beweisanträge
Verfahrensrecht verletzt. Die Beweisanträge richteten sich gegen die Ergebnis-
se der von der Antragsgegnerin im Normenkontrollverfahren mit Schriftsätzen
vom 22. September 2006 und 10. Oktober 2006 vorgelegten ergänzenden
Lärmberechnungen betreffend die auf der rückwärtigen Seite des Wohnhauses
angeordneten Schlaf- und Wohnräume. Der Schriftsatz der Antragstellerin vom
31. Oktober 2006 und ihre Beschwerdebegründung enthalten keine substanti-
ierte Kritik an diesen ergänzenden schalltechnischen Berechnungen der An-
tragsgegnerin. In ihrem Schriftsatz vom 31. Oktober 2006 hat die Antragstellerin
hingegen den Standpunkt vertreten, die nachgeschobenen Berechnungen seien
für die Entscheidung des Normenkontrollgerichts unerheblich, weil sie nicht in
das Bebauungsplanverfahren Eingang gefunden hätten.
Der im Schriftsatz der Antragstellerin vom 31. Oktober 2006 erhobene Vorwurf,
die von der Antragsgegnerin in ihre ergänzenden Lärmberechnungen vom Sep-
tember und Oktober 2006 eingestellte Zahl von 300 Einzelfahrten über die Er-
schließungsstraße am Grundstück der Antragstellerin liege noch deutlich unter-
halb des realistischerweise zu erwartenden Verkehrsaufkommens, beruht auf
der Vermutung, dass die Erschließungsstraße auch dem überörtlichen
Schleichverkehr dienen werde. Diesem Einwand tritt das Normenkontrollgericht
mit dem Hinweis entgegen, die Anzahl von 300 Einzelfahrten beruhten auf der
Annahme des ungünstigsten Falls, der von der Antragstellerin befürchtete
Schleichverkehr sei aus mehreren Gründen unwahrscheinlich (UA S. 26, 27).
Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung der Vorinstanz unrealistisch sein
könnte, nennt die Beschwerde nicht.
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Mangels Substantiierung brauchte das Normenkontrollgericht auch dem Be-
weisantrag zu Ziffer 1c betreffend die Immissionen des Parkplatzes an der
Westseite des Wohnhauses der Antragstellerin nicht stattzugeben. Die An-
tragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2006 die Methode und
die Ergebnisse ihrer ergänzenden Berechnungen zu den vom geplanten Park-
platz ausgehenden Lärmimmissionen in Richtung auf die rückwärtigen Wohn-
und Schlafräume näher erläutert und begründet. Weder in ihrem Schriftsatz
vom 31. Oktober 2006 noch in ihrer Beschwerdebegründung geht die Antrag-
stellerin auf diese ergänzende Stellungnahme der Antragsgegnerin im Einzel-
nen ein. Sie lehnt vielmehr schon im Ansatz „alle auf normative und technische
Richtlinien bezogenen Betrachtungen der Antragsgegnerin“ (Schriftsatz vom
31. Oktober 2006, S. 7) pauschal ab und setzt dem Standpunkt der Antrags-
gegnerin ihre eigenen Vermutungen über insbesondere nächtliche Lärmspitzen
entgegen. Einem Beweisantrag, der ohne Auseinandersetzung mit der Gegen-
argumentation der planenden Gemeinde die eigenen Behauptungen aufrecht-
erhält, braucht das Tatsachengericht nicht nachzugehen.
Soweit das Normenkontrollgericht den Beweisantrag zu Ziffer 1a bis c wegen
Unerheblichkeit abgelehnt hat, liegt ebenfalls kein Verfahrensfehler vor. Bei den
in der DIN 18005 für die städtebauliche Planung angeführten Werten, die der
Beweisantrag zum Maßstab nimmt, handelt es sich um Orientierungswerte,
nicht um Grenzwerte. Welcher Lärm noch zumutbar ist, richtet sich nach den
Umständen des Einzelfalls. Die DIN 18005 stellt eine Orientierungshilfe dar.
Eine Abweichung kommt daher in Betracht. Rechtlich entscheidend ist, ob die
Abweichung im Einzelfall noch mit dem bauleitplanerischen Abwägungsgebot
vereinbar ist. Eine Überschreitung des Orientierungswerts für Wohngebiete um
5 dB(A) kann das Ergebnis einer gerechten Abwägung sein. Maßgebend sind
stets die gesamten Umstände des Einzelfalls (Beschluss vom 18. Dezember
1990 - BVerwG 4 N 6.88 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 50 = BRS 50 Nr. 25;
Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - zur Veröffentlichung in
BVerwGE vorgesehen).
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Die Zurückweisung des Beweisantrages zu Ziffer 1 mangels Entscheidungser-
heblichkeit rechtfertigt sich aus den materiellrechtlichen Erwägungen des Nor-
menkontrollgerichts, das planerische Konzept der Antragsgegnerin zur Er-
schließung des Plangebiets (zweiseitige Anbindung) sei vertretbar und der da-
durch ausgelöste Erschließungsverkehr stelle eine normale Belastung in
Wohngebieten dar, die von der benachbarten Bebauung in reinen Wohngebie-
ten regelmäßig - auch im Interesse des sparsamen Umgangs mit Grund und
Boden - hinzunehmen sei (UA S. 30). In diesen Erwägungen liegt die erforderli-
che Einzelfallbetrachtung.
Die Entscheidungsgründe sind dahin zu verstehen, dass der angegriffene Be-
bauungsplan nach Ansicht des Normenkontrollgerichts auch dann nicht abwä-
gungsfehlerhaft wäre, wenn die planbedingten Verkehrslärmimmissionen (Mit-
telungspegel) an der rückwärtigen Hausseite die ergänzenden Lärmberechnun-
gen der Antragsgegnerin um 5 dB(A) überschritten. Der Vorwurf der Antrags-
gegnerin, diese Berechnungen seien im Normenkontrollverfahren nachgescho-
ben worden, die Lärmbelastungen vor den rückwärtigen Schlaf- und Wohnräu-
men seien nicht Gegenstand der planerischen Abwägung vor Erlass des Be-
bauungsplans gewesen, wird den Entscheidungsgründen der Vorinstanz nicht
gerecht. Das Normenkontrollgericht ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin
die Schutzbedürftigkeit der im rückwärtigen Hausbereich liegenden Schlaf- und
Wohnräume bereits im Rahmen ihrer planerischen Abwägung unter dem Ge-
sichtspunkt der Wohnqualität erfasst und gewichtet habe und dass die Nachbe-
rechnungen für die rückwärtigen Fenster diese Einschätzung der Antragsgeg-
nerin bestätigten (UA S. 25). Die mit den Verfahrensrügen zur Ablehnung der
Beweisanträge verbundene materiellrechtliche Kritik an der vorinstanzlichen
Rechtsanwendung kann den Rügen nicht zum Erfolg verhelfen.
1.3 Die Beschwerde macht ferner geltend, das Normenkontrollgericht habe
- abgesehen von allen hinsichtlich der Ablehnung der gestellten Beweisanträge
geltend gemachten Verfahrensfehler - seine Verpflichtung aus § 86 Abs. 1
Satz 1 VwGO zur umfassenden Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen
und damit auch das Recht der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Ge-
hörs verletzt. Auch diese Rügen müssen erfolglos bleiben.
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Die Beschwerde trägt hierzu vor, eine zutreffende Gewichtung der Lärmvorbe-
lastung an den rückwärtigen Schlaf- und Wohnzimmerfenstern sowie die auf
diese Fenster einwirkende Zusatz- und Gesamtbelastung durch Verkehrsim-
missionen setze voraus, dass die Antragsgegnerin und nachfolgend auch das
Normenkontrollgericht die jeweilige Lärmsituation vollständig und zutreffend von
Amts wegen ermittelt habe. Dies habe das Normenkontrollgericht unterlassen.
Es habe damit seine von Amts wegen bestehende Pflicht zur umfassenden
Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verletzt. Zur Begrün-
dung wiederholt die Beschwerde ihre Kritik an der Auffassung der Vorinstanz,
zu einer weiteren Aufklärung der planbedingten Lärmimmissionen habe man-
gels Entscheidungserheblichkeit der von der Antragstellerin unter Beweis ge-
stellten Tatsachen kein Anlass bestanden. Die unterlassene Aufklärung hätte zu
der Erkenntnis geführt, dass ein zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans
führendes Abwägungsdefizit gegeben sei.
Diese Rügen müssen erfolglos bleiben, weil die Beschwerde nicht darlegt, dass
die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts auf der Grundlage
des materiellrechtlichen Prüfungsprogramms des Normenkontrollgerichts unzu-
reichend gewesen sei. Die Vorinstanz überprüft die planerische Abwägung der
Antragsgegnerin (§ 1 Abs. 7 BauGB) wie dargelegt daraufhin, ob die Antrags-
gegnerin das Interesse der Antragstellerin am Fortbestand ihrer ruhigen Wohn-
lage gesehen und mit nachvollziehbaren (vertretbaren) Überlegungen zurück-
gestellt hat. Sie bejaht diese Frage und lässt sich dabei u.a. von der Erwägung
leiten, dass das Interesse der Antragstellerin, das bislang unbebaute Areal auch
künftig baulich ungenutzt und damit frei von Verkehrslärm zu lassen, nicht in
besonderem Maße schützenswert sei (UA S. 21). Der Flächennutzungsplan
sehe für den hier fraglichen Bereich Fläche für Wohnbebauung vor. Die Über-
planung des Gebiets sei im Interesse des sparsamen Umgangs mit Grund und
Boden erwünscht. Das Erschließungskonzept (zweiseitige Anbindung des
Plangebiets) sei im Ergebnis vertretbar und bewege sich im Rahmen des pla-
nerischen Gestaltungsspielraums der Antragsgegnerin (UA S. 20 f., 30 ff.). Der
erforderliche Ermittlungsaufwand des Normenkontrollgerichts wird durch diese
materiellrechtlichen Maßstäbe gesteuert und begrenzt.
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Die Beschwerde überspannt die Anforderungen an die gerichtliche Aufklärung,
wenn sie formuliert, das Normenkontrollgericht habe „die jeweilige Lärmsituati-
on vollständig“ von Amts wegen zu ermitteln. Das Normenkontrollgericht erfüllt
seine Aufklärungspflicht, wenn der festgestellte Sachverhalt ausreicht, um die
Frage zu beantworten, ob die planende Gemeinde die ihr gezogenen Grenzen
des planerischen Abwägungsgebots eingehalten hat. Es ist nicht abwägungs-
fehlerhaft, wenn sich die Gemeinde in Widerstreit verschiedener Belange für die
Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung
eines anderen Belangs entscheidet.
2. Die gerügte Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) von den Entscheidun-
gen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N
6.88 - (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 50 = BRS 50 Nr. 25) und vom 26. Mai
2004 - BVerwG 4 BN 24.04 - (BauR 2005, 830) liegt nicht vor. Die Beschwerde
entnimmt den vorgenannten Entscheidungen zu Recht den abstrakten Rechts-
satz, dass eine Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 um
5 dB(A) das Ergebnis einer gerechten bauleitplanerischen Abwägung der Ge-
meinde sein kann, aber keineswegs in jedem Fall sein muss. Der beschließen-
de Senat hat in diesem Zusammenhang stets betont, dass die Umstände des
Einzelfalles maßgeblich seien. Für ein Überschreiten der Orientierungswerte
der DIN 18005 könnten im Einzelfall gewichtige städtebauliche Belange spre-
chen (vgl. auch Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - zur Veröffentli-
chung in BVerwGE vorgesehen).
Entgegen der Beschwerde widerspricht das Normenkontrollurteil dieser Recht-
sprechung nicht. Die Vorinstanz hat nicht jede Überschreitung des Orientie-
rungswertes bis zu 5 dB(A) „ausnahmslos“ zum Ergebnis einer fehlerfreien Ab-
wägung erklärt. Sie hat in Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht ent-
wickelten Grundsätze zu den Orientierungswerten der DIN 18005 eine umfas-
sende Einzelfallbetrachtung vorgenommen und ist dabei zu dem Ergebnis ge-
langt, dass der angegriffene Bebauungsplan auch bei einer Überschreitung der
Orientierungswerte für reine Wohngebiete um 5 dB(A) abwägungsfehlerfrei wä-
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re. Dieser rechtliche Ansatz steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts.
3. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), die ihr die Antragstellerin beimisst. Die Beschwerde wirft keine im vor-
liegenden Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage auf, die in einem Re-
visionsverfahren in verallgemeinerungsfähiger Weise klärungsbedürftig sein
könnte. Der Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2005 - OVG 8 A 2810/03 - (BauR
2006, 82 = DÖV 2006, 224) führt hier nicht weiter. Dieser Beschluss stellt u.a.
den Rechtssatz auf, durch textliche Festsetzungen im Bebauungsplan nach § 9
Abs. 1 Nr. 24 BauGB könne das Schutzniveau nicht mit Wirkung für das Immis-
sionsschutzrecht gegenüber einer gebietsbezogen zu ermittelnden Zumutbar-
keitsschwelle abgesenkt werden; bei solchen Festsetzungen habe sich die
Gemeinde am Schutzmodell des Bundesimmissionsschutzgesetzes auszurich-
ten; sie könne dieses Schutzmodell nicht im Wege der Abwägung überwinden.
Derartige Rechtsfragen stellen sich im vorliegenden Streitfall nicht. Ein Revisi-
onsverfahren gäbe dem Senat daher keinen Anlass, auf den angeführten Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
1. September 2005 näher einzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Gatz
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