Urteil des BVerwG vom 11.09.2003

Gemeinde, Gülle, Bewirtschaftung, Gefährdung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 57.03
VGH 26 N 02.3164
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 17. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde
bleibt erfolglos. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der
Antragsteller beimisst.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage auf, ob im Rah-
men des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine mögliche Verletzung des subjektiven Rechts
gemäß § 1 Abs. 6 BauGB verneint und ein Normenkontrollantrag deshalb als unzu-
lässig abgelehnt werden kann, wenn das Interesse eines Vollerwerbslandwirts und
Inhabers eines im Außenbereich liegenden landwirtschaftlichen Betriebs, dass in der
unmittelbaren Nachbarschaft seiner Betriebsflächen (Wiesen und Felder) kein all-
gemeines Wohngebiet ausgewiesen wird, in der gemeindlichen Abwägung zum Er-
lass des Bebauungsplanes keine Berücksichtigung gefunden hat.
Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht in einer über den vorliegenden
Streitfall hinausgehenden verallgemeinerungsfähigen Weise klärungsfähig. In der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar geklärt, dass das in § 1
Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot Grundeigentümern jenseits der Grenzen
eines Bebauungsplans Drittschutz hinsichtlich solcher privater Belange vermittelt, die
für die planerische Abwägung erheblich sind (vgl. Urteil vom 24. September 1998
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- BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215). Der beschließende Senat hat jedoch fer-
ner bereits entschieden, dass nicht abwägungsbeachtlich insbesondere geringwerti-
ge oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche sind, für deren Fortbe-
stand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht oder die für die Gemeinde bei der Ent-
scheidung über den Plan nicht erkennbar waren (Urteil vom 24. September 1998,
a.a.O., S. 219 m.w.N.). Ob die Schwelle der Abwägungsbeachtlichkeit überschritten
wird, beurteilt sich jeweils nach den konkreten Gegebenheiten im Einzelfall. Die Er-
mittlung und Beurteilung privater Belange, die vom Grundeigentümer außerhalb des
Plangebiets gegen einen Bebauungsplan angeführt werden, obliegt im Verfahren der
Normenkontrolle nach § 47 VwGO dem jeweiligen Normenkontrollgericht in seiner
Eigenschaft als Tatsacheninstanz. Allein der Umstand, dass ein Heranrücken der
Wohnbebauung an landwirtschaftlich genutzte Flächen (Viehhaltung) Interessenkon-
flikte auslöst, die - wie der nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz im
Allgäu typische Fall des Angrenzens von Wiesenland an neu ausgewiesene Bauge-
biete - angesichts der regionalen Verhältnisse erfahrungsgemäß häufiger auftreten,
führt noch nicht zu einer grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfrage im Sinne von
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die von der Beschwerde in Form einer Grundsatzrüge
aufgeworfene Rechtsfrage richtet sich in der Sache gegen die vorinstanzliche Sach-
verhaltswürdigung und Rechtsanwendung im konkreten Fall. Eine derartige Ent-
scheidungskritik verleiht der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung.
Das gilt auch für das Vorbringen der Beschwerde, im vorliegenden Fall könne die
landwirtschaftliche Nutzung durch den Antragsteller durchaus mit Geruchs- und
Lärmimmissionen und dem Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln verbunden sein,
die das geplante Wohngebiet beeinträchtigen würden. Das Normenkontrollgericht hat
nicht verkannt, dass das Ausbringen von Gülle auf Wiesenland mit Geruchsim-
missionen einhergeht. Es hat aber in Würdigung der konkreten Verhältnisse verneint,
dass dieser Umstand die planaufstellende Gemeinde im Rahmen des Abwägungs-
gebots zu besonderen Schutzmaßnahmen (Schutzstreifen) zwingt. Die Vorinstanz
hat ferner berücksichtigt, dass in atypischen Fällen der Bewirtschaftung landwirt-
schaftlicher Flächen spezielle Interessen der Landwirte abwägungserheblich sein
können, eine solche Fallkonstellation hier aber ausgeschlossen. Hierzu wirft die Be-
schwerde keine Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung auf. Soweit sie die Be-
einträchtigung durch Lärmimmissionen und die Gefährdung durch die Verwendung
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von Pflanzenschutzmitteln anführt, stützt sie sich auf tatsächliche Umstände, die das
Normenkontrollgericht im vorliegenden Fall nicht festgestellt hat und die der Senat in
einem Revisionsverfahren mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen
auch nicht berücksichtigen könnte (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow Rojahn Gatz