Urteil des BVerwG vom 23.10.2002

Bebauungsplan, Verfahrensmangel, Kritik, Zitat

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BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 53.02
OVG 1 D 26/00
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Oktober 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht Dr. L e m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
18. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der
Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen
ergibt sich kein Grund, die Revision gegen die angegriffene
Normenkontrollentscheidung zuzulassen.
1. Die sinngemäß gestellte Frage, ob Mängel des Beschlusses,
einen Bebauungsplan aufzustellen, Einfluss auf die Wirksamkeit
des Bebauungsplans haben, hat keine grundsätzliche Bedeutung
im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn diese Frage ist
- soweit es um bundesrechtliche Mängel geht - bereits geklärt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das
Vorliegen eines ordnungsgemäßen Planaufstellungsbeschlusses
nach Bundesrecht keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den spä-
teren Bebauungsplan (BVerwG, Beschluss vom 15. April 1988
- 4 N 4.87 - BVerwGE 79, 200 <204 f.>). Zwar geht das Bauge-
setzbuch davon aus, dass das Verfahren zur Aufstellung eines
Bebauungsplans durch einen Aufstellungsbeschluss eingeleitet
wird. § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB bestimmt nämlich, dass der Auf-
stellungsbeschluss ortsüblich bekannt zu machen ist. Der Auf-
stellungsbeschluss ist auch in anderem Zusammenhang rechtlich
bedeutsam; so hängt beispielsweise die Wirksamkeit einer Ver-
änderungssperre davon ab, dass der Beschluss, einen Bebauungs-
plan aufzustellen, gefasst (und bekannt gemacht) worden ist
(§ 14 Abs. 1 BauGB). In den übrigen Vorschriften über das Ver-
fahren zur Aufstellung der Bauleitpläne wird der Aufstellungs-
beschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB dagegen nicht erwähnt.
Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass eine bundesrechtliche
Verpflichtung, im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens einen
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Aufstellungsbeschluss zu fassen, nicht besteht. Mängel des
Aufstellungsbeschlusses sind deshalb nicht erst wegen der
"Heilungsvorschrift" des § 214 Abs. 1 BauGB unbeachtlich, son-
dern schon deshalb, weil ein Aufstellungsbeschluss für die
Bauleitplanung (zwar wünschenswert, aber) bundesrechtlich
nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Das Beschwerdevorbringen nötigt zu keiner Überprüfung dieser
Rechtsprechung. Zwar trifft es zu, dass die Öffentlichkeit und
die betroffenen Bürger frühzeitig auf die Absicht der Gemein-
de, einen Bebauungsplan aufzustellen, hingewiesen werden sol-
len. Diesem Ziel dient jedoch nicht der Aufstellungsbeschluss,
sondern das in § 3 BauGB geregelte Verfahren der Bürgerbetei-
ligung.
2. Auch die sinngemäß gestellte Frage, ob die frühzeitige Bür-
gerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB wiederholt werden muss,
wenn das Plangebiet nachträglich vergrößert wird, rechtfertigt
die Zulassung der Revision nicht. Die Frage ist nur teilweise
entscheidungserheblich. Denn für das Begehren des Antragstel-
lers, den Bebauungsplan für nichtig zu erklären, kommt es
letztlich nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin gegen § 3
Abs. 1 BauGB verstoßen hat, sondern ob - gegebenenfalls - die-
ser Verstoß zur Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Plans
führt. Zur Klärung der Frage, dass ein Verstoß gegen § 3
Abs. 1 BauGB für die Wirksamkeit des Bebauungsplans unerheb-
lich ist, bedarf es jedoch nicht erst der Durchführung eines
Revisionsverfahrens. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn des
§ 214 Abs. 1 BauGB sind nämlich Verletzungen von Verfahrens-
und Formvorschriften des Baugesetzbuchs für die Rechtswirksam-
keit des Bebauungsplans nur dann beachtlich, wenn sie in die-
ser Vorschrift unter den Nummern 1 bis 3 aufgeführt sind. Da
§ 3 Abs. 1 BauGB nicht genannt ist, führt ein Verstoß gegen
ihn nicht zur Unwirksamkeit des Plans (allgemeine Auffassung,
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vgl. z.B. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 214
Rn. 28).
3. Die Frage, welche Auswirkungen es auf die Wirksamkeit eines
Bebauungsplans hat, wenn zweifelhaft ist, ob die Gemeinde ei-
nen Beschluss zur Planbegründung gefasst hat, hat keine grund-
sätzliche Bedeutung, weil sie bereits in der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist. Insoweit ist es zu-
nächst unerheblich, ob die Begründung ausdrücklich von der Ge-
meinde beschlossen worden ist; denn in der Regel ist davon
auszugehen, dass eine vorliegende Begründung eines Bebauungs-
plans auch Gegenstand der Beschlussfassung durch die Gemeinde
war (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 28.83 - ZfBR 1984,
293). Aber auch wenn feststeht, dass die Begründung des Bebau-
ungsplans nicht von dem zuständigen Gemeindeorgan gebilligt
worden ist, es also an einer wirksamen Begründung fehlt, führt
dieser gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB grundsätzlich beachtli-
che Verfahrensmangel nur dann zur Unwirksamkeit des Bebauungs-
plans, wenn er gegenüber der Gemeinde binnen eines Jahres gel-
tend gemacht worden ist; andernfalls wird er nach Ablauf der
Jahresfrist gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich
(BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1989 - 4 C 15.86 - ZfBR 1990,
30). So war es auch im vorliegenden Fall.
4. Die Ausführungen der Beschwerde zu § 8 BauGB genügen den
Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung
des geltend gemachten Zulassungsgrundes nicht. Im Nichtzulas-
sungsbeschwerdeverfahren reicht es nicht aus, der Rechtsan-
sicht der Vorinstanz zu widersprechen. Vielmehr muss im Ein-
zelnen dargelegt werden, dass einer der Zulassungsgründe des
§ 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gegeben ist. Wird der Zulas-
sungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) geltend gemacht, so muss eine konkrete Rechtsfrage be-
zeichnet werden, die sowohl für die Entscheidung der Vorin-
stanz von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Revi-
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sionsverfahren erheblich sein wird und die eine über den der
Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehende Bedeu-
tung hat (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 -
BVerwGE 13, 90 <91>). Daran fehlt es hier. Soweit die Be-
schwerde meint, ein Flächennutzungsplan im Sinne von § 8
Abs. 2 Satz 1 BauGB könne auch der Entwurf eines Flächennut-
zungsplans sein, kann ihr nicht gefolgt werden. Dass in dieser
Vorschrift nur ein (abschließend) aufgestellter und wirksamer
Flächennutzungsplan gemeint ist, entspricht allgemeiner
Rechtsauffassung und ergibt sich nicht zuletzt aus den Absät-
zen 3 und 4 von § 8 BauGB, die Regelungen für den Fall des
Fehlens eines wirksamen Flächennutzungsplans enthalten. Soweit
die Beschwerde die Auffassung vertritt, Mängel des Parallel-
verfahrens nach § 8 Abs. 3 BauGB (oder der Regeln über den
vorzeitigen Bebauungsplan nach § 8 Abs. 4 BauGB) seien hier
nicht unbeachtlich, macht sie allenfalls geltend, das Normen-
kontrollgericht habe § 214 Abs. 2 BauGB fehlerhaft angewendet;
ein Zulassungsgrund ergibt sich daraus allein nicht.
5. Die Angriffe der Beschwerde gegen die Würdigung der Abwä-
gung durch das Normenkontrollgericht erschöpfen sich in einer
fallbezogenen Kritik der angefochtenen Entscheidung. Rechts-
grundsätzliche Fragen werden nicht aufgeworfen. Sollte mit dem
Zitat von "§ 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO" eine Abweichung von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend gemacht werden sol-
len, so wäre die Beschwerde insoweit unzulässig, weil sie we-
der eine abweichende höchstrichterliche Entscheidung noch ei-
nen divergierenden Rechtssatz nennt. Dass eine planbedingte
Wertminderung eines Grundstücks für sich allein keinen abwä-
gungsbeachtlichen Belang darstellt, entspricht der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschluss vom
9. Februar 1995 - 4 NB 17.94 - ZfBR 1995, 216). Das bedeutet
jedoch nicht, dass auch die tatsächlichen Verhältnisse, die
für die Bewertung des Grundstücks von Bedeutung sind, unerheb-
lich wären. Abwägungserheblich kann also insbesondere das In-
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teresse des Grundeigentümers sein, sein Grundstück wie bisher
nutzen zu können. Das Normenkontrollgericht hat dies nicht
grundsätzlich in Frage gestellt. Weiterführende Fragen hierzu
ergeben sich aus dem Beschwerdevortrag nicht.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den
Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Paetow
Lemmel
Jannasch
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Bauplanungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BauGB § 2 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 8, § 214 Abs. 1
Stichworte:
Aufstellungsbeschluss; Bauleitplanung; frühzeitige Bürgerbe-
teiligung; Verfahrensmangel; Begründung; Heilung.
Leitsatz:
Ein Verstoß gegen die Regelung über die frühzeitige Bürgerbe-
teiligung in § 3 Abs. 1 BauGB ist für die Wirksamkeit des Be-
bauungsplans unerheblich.
Beschluss des 4. Senats vom 23. Oktober 2002 - BVerwG 4 BN 53.02
I. Sächsisches OVG vom 18.07.2002 - Az.: OVG 1 D 26/00 -