Urteil des BVerwG vom 09.01.2014

Bebauungsplan, Kritik, Verfahrensmangel, Sachverhaltsfeststellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 51.13
OVG 2 K 83/12
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzu-
lassung der Revision in dem auf die mündliche Verhand-
lung vom 26. September 2013 ergangenen Urteil des
Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt wird
verworfen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Be-
schwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit ist nicht schlüssig erhoben. Die Rüge,
das Gericht habe den Sachverhalt „aktenwidrig“ festgestellt, bedingt die schlüs-
sig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung
getroffenen tatsächlichen Feststellungen und dem insoweit unumstrittenen Ak-
teninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich
sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen
Sachverhalts nicht bedarf (z.B. Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG
4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1). Die Aktenteile, aus denen
sich ergibt, dass das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung gegen den klaren
Inhalt der Akten verstoßen oder diesen übergangen hat, müssen klar bezeich-
net sein. Der Vortrag der Beschwerde, im Zusammenhang mit der Annahme
des Oberverwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen für einen vorzeitigen
Bebauungsplan gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB nicht gegeben seien, bestün-
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den Zweifel, ob dem Gericht die gesamten Vorgangsunterlagen zur Einsicht
vorgelegen hätten, genügt diesen Darlegungsanforderungen nicht. Inwiefern
der Behauptung, dem Planaufstellungsbeschluss sei zu entnehmen, dass paral-
lel zum streitgegenständlichen Bebauungsplan eine Flächennutzungsplanung
habe erfolgen sollen, Entscheidungserheblichkeit zukommt, ist weder dargetan
noch sonst ersichtlich. Gleiches gilt hinsichtlich der Behauptung, der zwischen
der Antragsgegnerin und dem Vorhabenträger geschlossene städtebauliche
Vertrag habe im Normenkontrollverfahren keinerlei Berücksichtigung gefunden,
er sei offensichtlich nicht vorgelegt worden. Soweit die Beschwerde ferner rügt,
der Bebauungsplan sei (bereits) im Jahre 2009 und mithin vor der Gebietszu-
ständigkeit der Antragstellerin beschlossen worden, bezeichnet sie nicht die
Aktenteile, aus denen sich dieses Beschlussdatum ergeben soll. Für eine inso-
weit aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung des Oberverwaltungsgerichts spricht
auch sonst nichts. Angesichts der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts,
dass die Aufstellung des Bebauungsplans am 27. Oktober 2009 beschlossen
worden sei (UA S. 3), während der - dann letztlich maßgebliche - Satzungsbe-
schluss - insoweit bestätigt durch den entsprechenden Verfahrensvermerk auf
der Planurkunde - vom 24. August 2011 datiere (UA S. 4), liegt vielmehr auf der
Hand, dass die Beschwerde den Aufstellungsbeschluss mit dem nach § 214
Abs. 3 Satz 1 BauGB maßgeblichen Satzungsbeschluss verwechselt. Soweit
sich die Beschwerde schließlich auf den Standpunkt stellt, dass der streit-
gegenständliche Bebauungsplan als vorhabenbezogener Bebauungsplan zu
bewerten und die zwischen der Antragsgegnerin und dem Vorhabenträger be-
stehenden Vertragsbeziehungen sowie die bereits angefallenen erheblichen
Planungs- und Projektbearbeitungskosten als dringende Gründe im Sinne des
§ 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB zu qualifizieren seien, übt sie der Sache nach lediglich
Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung, die
als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig sind (Beschluss vom
2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - juris Rn. 24).
Der behauptete Gehörsverstoß ist ebenfalls nicht substantiiert dargetan. Mit der
Behauptung der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe dem Tatsa-
chenvortrag der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung „keinerlei Be-
achtung geschenkt“ und stattdessen der „schlichten Behauptung“ des Leiters
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des Bauamts der Antragstellerin Glauben geschenkt, übt sie wiederum nur Kri-
tik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung. Soweit
sie bemängelt, eine „Nachweismöglichkeit des Gegenteils“ sei ihr trotz soforti-
gen Widerspruchs in der mündlichen Verhandlung nicht gewährt worden, fehlt
jede substantiierte Darlegung der diese Behauptung stützenden näheren Um-
stände. Unsubstantiiert ist auch das Beschwerdevorbringen zu dem „erweiter-
ten Grundsatzbeschluss“ vom 18. Mai 2011. Soweit sprachlich überhaupt ver-
ständlich, lässt es nicht erkennen, inwieweit das Oberverwaltungsgericht unter
Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG über entscheidungserhebliches Parteivor-
bringen hinweggegangen sein könnte. Gleiches gilt für die Behauptung, die An-
tragsgegnerin habe wegen der Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs ihres
Bevollmächtigten vom 19. Juni 2012 nicht zu der erforderlichen Sachverhalts-
aufklärung beitragen und erforderliche Beweisanträge stellen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Petz
Dr. Decker
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