Urteil des BVerwG vom 22.03.2006

Gemeinde, Umlegung, Verfahrensmangel, Bebauungsplan

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 48.05
VGH 20 N 04.1563
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. März 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Halama, Gatz und
Dr. Jannasch
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 24. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO ge-
stützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1.1 Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel einen Verstoß ge-
gen die Pflicht zur Sachaufklärung. Sie meint, der Verwaltungsgerichtshof hätte
einen Augenschein einnehmen müssen. Der insoweit geltend gemachte Ver-
fahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeich-
net, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als
auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich
des von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementspre-
chend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen
Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und er-
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forderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen im Rahmen des Augenscheins
hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen
bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich
getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits
im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Ver-
handlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Un-
terbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Ge-
richt die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich
aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar,
um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor al-
lem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren
(stRspr). Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den
letztgenannten Anforderungen nicht (vgl. Beschluss vom 6. März 1995
- BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Der Antragsteller trägt weder vor noch ergibt sich aus der Nieder-
schrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, dass
er einen Augenschein beantragt hätte. Der Antrag auf Protokollberichtigung
vom 25. Juli 2005, den der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom
11. August 2005 schon mangels eines klaren Antrags abgewiesen hat, enthält
ebenfalls keinen solchen Beweisantrag. Dem Vorbringen des Antragstellers
lässt sich auch nicht entnehmen, dass sich die Einnahme eines Augenscheins
für das Normenkontrollgericht aufgedrängt hätte. Der Verwaltungsgerichtshof ist
zu dem Ergebnis gelangt, dass auch bei einem künftigen Wegfall (nach Neu-
oder Umbaumaßnahmen) der Zufahrt von Süden über den Feld- und Waldweg
im Hinblick auf die Zufahrt von Norden her eine unzumutbare Beeinträchtigung
der betrieblichen Interessen des Antragstellers nicht zu befürchten sei. Diese
Schlussfolgerung erläutert das Normenkontrollgericht näher unter Verwertung
der örtlichen Verhältnisse (Urteilsabdruck S. 8). Dabei geht es davon aus, dass
auch bei einer engsten Weite zwischen dem Betriebsgebäude und der Grund-
stücksgrenze von ca. 7 m ein LKW mit einer Fahrzeugbreite von 3 m passieren
könne. Die Beschwerde legt nicht dar, dass das Gericht auf der Grundlage der
von ihm vorgenommenen Wertung sowie trotz Vorliegens mehrerer Pläne und
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anderer Unterlagen nach Einnahme eines Augenscheins zu einem anderen
Ergebnis gelangt wäre. Sie stellt vielmehr unter Wiederholung ihres Vorbringens
in der Vorinstanz die rechtliche Würdigung der von der Antragsgegnerin
vorgenommenen Abwägung durch den Verwaltungsgerichtshof in Frage. Damit
kann eine Aufklärungsrüge jedoch nicht erfolgreich begründet werden.
1.2 Die Beschwerde rügt ferner als Aufklärungsmangel, dass das
Normenkontrollgericht nicht die Akten des noch laufenden Umlegungsverfah-
rens beigezogen hat. Diesen - in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwal-
tungsgerichtshof gestellten - Antrag hat das Gericht mit der Begründung abge-
lehnt, dass das Umlegungsverfahren auf dem Bebauungsplan beruhe und nicht
umgekehrt (Urteilsabdruck S. 9). Die Beschwerde legt nicht dar, dass auf der
Grundlage dieser Rechtsauffassung eine Beiziehung der genannten Akten ge-
boten gewesen wäre. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist in die-
sem Zusammenhang maßgeblich, denn ein Gericht ist nur verpflichtet, diejeni-
gen Beweise zu erheben oder Akten beizuziehen, auf die es nach seiner
Rechtsauffassung auch ankommt (stRspr.)
1.3 Die Beschwerde rügt ferner mit eingehender Begründung eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie einen Verstoß gegen den Überzeu-
gungsgrundsatz. In Wahrheit wendet sie sich insoweit jedoch nur gegen die
dem Normenkontrollgericht aufgegebene rechtliche und tatsächliche Würdigung
des vorliegenden Sachverhalts insbesondere im Hinblick auf das Abwä-
gungsgebot.
2. Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass die Revision
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies
setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten
und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen
Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Ein-
zelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).
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Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob eine Gemeinde
bereits bei der Aufstellung des Bebauungsplans die möglichen Ergebnisse einer
Bodenneuordnung durch Umlegung zu berücksichtigen und ihre Planung
hierauf einzustellen habe. Sie verweist dabei auf die Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs zum Gebot gleichmäßiger Belastung der Grundstückseigentü-
mer bei der Inanspruchnahme von Grundstücken für Erschließungsanlagen. Auf
die hierzu ergangene Rechtsprechung käme es im vorliegenden Fall jedoch
nicht an, denn der Antragsteller strebt eine ihm günstiger erscheinende Auftei-
lung der auszuwerfenden Grundstücke im Rahmen der Umlegung an. Davon
abgesehen hat auch der Bundesgerichtshof klargestellt, dass dem Gebot, ein
Mindestmaß an Lastengleichheit zu gewährleisten, auch dann genügt ist, wenn
planungsbedingte Ungleichheiten durch bodenordnende Maßnahmen ausgegli-
chen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1976 - III ZR 114/75 -
BGHZ 67, 320 sowie Beschluss des Senats vom 3. Juni 1998 - BVerwG 4 BN
25.98 - BRS 60 Nr. 8). Selbst wenn man die Fragestellung somit enger fassen
würde, würde dies die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Denn in der
Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Gemeinde die mit der Durchführung ei-
nes Bebauungsplans verbundenen Probleme nicht im Zusammenhang mit dem
Bebauungsplan verbindlich und abschließend regeln muss, wenn sie realisti-
scherweise davon ausgehen kann, dass die Probleme im Zusammenhang mit
dem Vollzug oder durch ein nachfolgendes Umlegungsverfahren gelöst werden
können (BVerwG, Beschluss vom 30. März 1998 - BVerwG 4 BN 2.98 -
NVwZ-RR 1998, 711).
3. Die Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen.
Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten
Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechts-
satz von einem in einer zu benennenden Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr).
Die Beschwerde benennt zwar eine Reihe von Rechtsgrundsätzen, die in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungs-
gerichts entwickelt worden sind, insbesondere zum Gebot der Gleichbehand-
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lung nach Art. 3 Abs. 1 GG, zum Schutz des Eigentums, zum eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb, zum Abwägungsgebot, zum Erweiterungsin-
teresse eines Gewerbebetriebs sowie zur Gültigkeit einer Änderungssatzung im
Verhältnis zur Ausgangssatzung.
Sie legt aber in keiner Weise dar, dass das Normenkontrollgericht
einen davon abweichenden Rechtsgrundsatz aufgestellt und damit den ge-
nannten Gerichten die Gefolgschaft versagt hätte. Vielmehr beanstandet sie
eine unzutreffende Subsumtion des Sachverhalts unter höchstrichterliche
Rechtssätze, die der Verwaltungsgerichtshof akzeptiert hat; insoweit stellt sie
lediglich jeweils dem Ergebnis des Verwaltungsgerichtshofs ihre eigene entge-
genstehende Würdigung entgegen. Damit kann eine Divergenzrüge jedoch
nicht zulässig begründet werden.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133
Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraus-
setzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwert-
festsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG n.F.
Halama Gatz Dr. Jannasch