Urteil des BVerwG vom 31.07.2003

Privates Interesse, Bebauungsplan, Minimal, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 48.03
OVG 1 KN 69/02
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
vom 15. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als
Gesamtschuldner; außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 25 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Das Normenkontrollgericht hat den Antrag, den Bebauungsplan Nr. 19 "Wilharmsring" der
Antragsgegnerin für nichtig zu erklären, wegen fehlender Antragsbefugnis der Antragsteller
als unzulässig verworfen. Als möglicherweise verletztes Recht im Sinne von § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO hat es hier zwar das drittschützende Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 6
BauGB angesehen. Die Antragsteller könnten aber nicht geltend machen, dass bei der Auf-
stellung des Bebauungsplans abwägungserhebliche Belange betroffen seien.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Antragsteller bleibt
erfolglos. Das auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerdevorbringen recht-
fertigt die Zulassung der Revision nicht.
Der Beschwerde ist allerdings einzuräumen, dass die angefochtene Entscheidung einen
(Ober-)Satz enthält, der bei isolierter Betrachtung im Hinblick auf das Urteil des Bundesver-
waltungsgerichts vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - (BVerwGE 107, 215)
rechtsgrundsätzliche Fragen aufwerfen könnte. Nach Auffassung des Normenkontrollgerichts
ist nämlich zur Klärung der Frage, ob ein privates Interesse ein abwägungserheblicher Be-
lang sei, stets zu prüfen, "ob die vom Antragsteller vorgebrachten Gesichtspunkte mehr als
nur geringfügig berührte private sowie schutzwürdige und von der Rechtsordnung gebilligte
Interessen betreffen, die - auch - ihm als eigene zugewiesen sind." Sollte der letzte Halbsatz
nicht nur bedeuten, dass es sich um private Interessen gerade des Antragstellers handeln
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muss, so würde er mit dem Erfordernis der "Zuweisung durch die Rechtsordnung als eigene"
möglicherweise eine Einschränkung gegenüber der Definition der Antragsbefugnis in der
genannten Senatsentscheidung enthalten, die einer revisionsgerichtlichen Überprüfung wert
sein könnte.
Wie dieser Halbsatz zu verstehen ist, kann jedoch offen bleiben. Denn selbst wenn das
Normenkontrollgericht ihn so gemeint haben sollte, wie ihn die Beschwerde versteht, wäre
eine Revisionszulassung ausgeschlossen. Denn insoweit würde er die Entscheidung nicht
tragen; das Normenkontrollgericht verneint die Abwägungserheblichkeit privater Interessen
der Antragsteller weder ausdrücklich noch sinngemäß mit dem Argument, sie seien ihnen
nicht als eigene von der Rechtsordnung zugewiesen worden.
Das Missverständnis der Beschwerde beruht möglicherweise darauf, dass das Normenkon-
trollgericht zunächst - mit negativem Ergebnis - prüft, ob geltend gemachte Interessen der
Antragsteller durch entsprechende subjektive Rechte gestützt werden; hierfür kommt es
- natürlich - auf eine "Zuweisung" durch die Rechtsordnung an. Derart bewehrte Interessen
wären immer abwägungserheblich und deshalb geeignet, die Antragsbefugnis für das Nor-
menkontrollverfahren zu begründen. Die weiteren Ausführungen des Normenkontrollgerichts
gelten dagegen Interessen der Antragsteller, denen keine Rechtsansprüche zur Seite ste-
hen. Sie werden der Sache nach allein deshalb als nicht abwägungserheblich gewertet, weil
sie angesichts ihrer konkreten Gefährdung durch die nach dem Bebauungsplan mögliche
Bebauung geringwertig seien. So sei das Interesse der Antragsteller daran, dass benachbar-
te Vorhaben den Denkmalswert ihrer Gebäude nicht schmälerten, unbeachtlich, weil das
Erscheinungsbild des Denkmals nur unwesentlich beeinträchtigt werde. Und das Interesse
an der Verhinderung eines Fußweges an der Grundstücksnordseite sei nicht abwägungser-
heblich, weil man mit so etwas habe "rechnen" müssen und weil die Einbußen minimal seien.
Für das Interesse der Antragsteller an dem in der Beschwerde angesprochenen "Freiraum-
schutz" würde nichts anderes gelten; dass er in der angefochtenen Entscheidung nicht aus-
drücklich erwähnt wird, dürfte daran liegen, dass er aus der Sicht des Normenkontrollgerichts
erst recht nicht abwägungserheblich ist.
Soweit die Beschwerde im Gegensatz zum Normenkontrollgericht bestimmte private Interes-
sen der Antragsteller für mehr als geringwertig hält, macht sie keinen Zulassungsgrund nach
§ 132 Abs. 2 VwGO geltend. Eine solche Rüge hätte allerdings auch kaum Erfolgsaussichten
haben können, weil die Bewertung und Einordnung privater Interessen in erster Linie Aufga-
be des Tatrichters ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Den
Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13
Abs. 1 Satz 1 GKG fest.