Urteil des BVerwG vom 26.11.2007

Vorprüfung, Rüge, Beweisregel, Ultraschall

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 46.07
VGH 4 N 869/06
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 5. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die von
der Antragsgegnerin beschlossene 6. Änderung des Bebauungsplans Nr. 11
„Gelstertal im Bereich der B 451“. Durch die in dem geänderten Plan vorgese-
hene industrielle Nutzung befürchtet sie nachteilige Auswirkungen auf ihren in
der Nachbarschaft des Plangebiets gelegenen ökologisch geführten Bauernhof
und auf die dazu gehörenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke. Sie
macht u.a. einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der FFH-Richtlinie geltend,
weil die Antragsgegnerin bei der Aufstellung des Bebauungsplans zu Unrecht
eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebietes „Werra- und Wehretal“ ver-
neint habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt und die
Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
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Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht durch.
Der Zulassungsgrund der Divergenz liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwen-
dung derselben (revisiblen) Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tra-
genden abstrakten Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Ent-
scheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (vgl. Beschluss
vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr).
Eine solche Divergenz zeigt die Beschwerde nicht auf. Der Verwaltungsge-
richtshof weicht in der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine FFH-
Vorprüfung erforderlich ist, nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) ab.
Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL (FFH-Richtlinie) sind Pläne oder Projekte, die
nicht unmittelbar mit der Verwaltung des FFH-Gebiets in Verbindung stehen
oder hierfür notwendig sind, einer Prüfung auf ihre Verträglichkeit mit den für
das FFH-Gebiet festgelegten Erhaltungszielen zu unterziehen, wenn sie das
FFH-Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projek-
ten „erheblich beinträchtigen“ könnten. Der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung
ist also eine Vorprüfung bzw. Erheblichkeitseinschätzung vorgeschaltet. Das
Bundesverwaltungsgericht legt diese Vorschrift in seinem Urteil vom 17. Januar
2007 (a.a.O. Rn. 60) dahin aus, dass eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nur er-
forderlich sei, wenn und soweit erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzge-
biets nicht „offensichtlich ausgeschlossen werden können“.
Diesen Rechtssatz legt der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung
zugrunde (UA S. 21). Von diesem rechtlichen Ansatz aus gelangt er zu dem
Ergebnis, die für die angegriffene Bauleitplanung erstellte FFH-Vorprüfung ge-
nüge den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen. Die Beschwerde wird
diesem rechtlichen Ansatz nicht gerecht. Sie unterscheidet nicht hinreichend
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zwischen der FFH-Vorprüfung und der eigentlichen FFH-Verträglichkeits-
prüfung und überträgt die rechtlichen Anforderungen, die das Bundesverwal-
tungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 an die FFH-Verträglichkeits-
prüfung stellt (a.a.O. Rn. 61 f. - „Beste einschlägige wissenschaftliche Erkennt-
nisse“), auf die FFH-Vorprüfung. Damit verkennt die Beschwerde die rechtli-
chen Anforderungen, die das Europäische Gemeinschaftsrecht nach dem Urteil
vom 17. Januar 2007 an die Prüfschwelle stellt, die für eine Vorprüfung (sog.
Screening) maßgeblich sind. Sind erhebliche Beeinträchtigungen des Schutz-
gebietes schon nach einer Vorprüfung „offensichtlich“ ausgeschlossen, erübrigt
sich nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL eine Verträglichkeitsprüfung. Die FFH-
Vorprüfung beschränkt sich nach dem Urteil vom 17. Januar 2007 auf die Fra-
ge, ob „nach Lage der Dinge ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkun-
gen“ besteht. Ist das der Fall, kann dieser Verdacht nur durch eine - die besten
einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse verwertende - schlüssige natur-
schutzfachliche Argumentation ausgeräumt werden (a.a.O. Rn. 62).
Soweit die Beschwerde die Divergenzrüge mit einer Kritik der vorinstanzlichen
Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung verbindet, muss sie erfolglos
bleiben, weil eine - nach Ansicht der Beschwerdeführerin - unrichtige Anwen-
dung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und vom Normenkon-
trollgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entschei-
denden Einzelfall eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht
begründen kann. Von weiteren Ausführungen hierzu sieht der Senat ab, weil sie
nicht geeignet sind, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen
eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen
nicht vor. Die erhobenen Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) bleiben erfolg-
los.
2.1 Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe „alle naturschutz-
fachlichen Fragestellungen“, die der vorliegende Fall aufwerfe, nicht ausrei-
chend gewürdigt. Für die Frage, ob „erhebliche Beeinträchtigungen offensicht-
lich ausgeschlossen werden können“, hätten „die besten wissenschaftlichen
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Erkenntnisse“ zugrunde gelegt werden müssen. Diesem Maßstab genüge die
vorinstanzliche Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts sowie
der Aussagen des Fachgutachters R. nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hätte
die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 ent-
wickelte „Beweisregel“ zugrunde legen müssen. Danach hätten alle natur-
schutzfachlichen Fragestellungen ausreichend gewürdigt werden müssen, um
den „Nachweis“ zu erbringen, dass erhebliche Beeinträchtigungen ausge-
schlossen werden können.
Diese Rüge muss erfolglos bleiben, weil die Beschwerde es versäumt, substan-
tiiert darzulegen, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Sachver-
haltsaufklärung auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung hätte
aufdrängen müssen. Ein Gericht ist nur gehalten, diejenigen Beweise zu erhe-
ben, auf die es nach seiner Rechtsauffassung ankommt. Für den Verwaltungs-
gerichtshof war - wie ausgeführt - entscheidungserheblich, ob die durchgeführte
und von der Antragsgegnerin in die Bauleitplanung übernommene FFH-Vor-
prüfung und ihr Ergebnis, eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgebiets
sei „offensichtlich“ auszuschließen, den gemeinschaftsrechtlichen Anforderun-
gen entspricht. Der hierbei anzulegende Maßstab ist nicht identisch mit den
Anforderungen, die an eine FFH-Verträglichkeitsprüfung zu stellen sind. Erst
wenn bei einem Vorhaben aufgrund der Vorprüfung nach Lage der Dinge
ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkungen entstanden ist, kann dieser
Verdacht nur durch eine schlüssige naturschutzfachliche Argumentation ausge-
räumt werden, mit der ein Gegenbeweis geführt wird (vgl. Urteil vom 17. Januar
2007 - BVerwG 9 A 20.05 - a.a.O. Rn. 62). Nach dem vorgenannten Urteil gilt
für den Gang und das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung der Sache
nach eine „Beweisregel“ des Inhalts, dass ohne Rückgriff auf Art. 6 Abs. 4
FFH-RL ein Vorhaben nur dann zugelassen werden darf, wenn der Planungs-
träger zuvor Gewissheit darüber erlangt hat, dass dieses sich nicht nachteilig
auf das Gebiet als solches auswirkt (a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat
diese „Beweisregel“ nicht für die FFH-Vorprüfung aufgestellt.
Im Grunde kritisiert die Beschwerde, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Wür-
digung der FFH-Vorprüfung einen unzutreffenden materiell-rechtlichen Kon-
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trollmaßstab angelegt hat. Eine solche Kritik der vorinstanzlichen Rechtsan-
wendung ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO zu begründen. Der Beschwerde ist vorzuhalten, dass sie aus dem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Januar 2007 rechtliche Folge-
rungen zieht, die dieses Urteil nicht hergibt.
2.2 Die Beschwerde rügt ferner, es sei aufklärungsbedürftig gewesen, ob und
ggf. welche Fledermäuse in den an das Plangebiet angrenzenden Gebieten
vorkommen, insbesondere ob hier Jagdhabitate des Großen Mausohrs und der
Bechsteinfledermaus anzutreffen seien. Eine solche Untersuchung habe nach
Aktenlage zu keinem Zeitpunkt stattgefunden, obwohl die Fledermausgutachter
diese bereits in dem Gutachten vom September 2004 angemahnt hätten. In ei-
nem nächsten Schritt hätte dann erst geprüft werden können, inwieweit durch
Lärm- und Lichtemissionen diese möglicherweise vorhandenen Jagdgebiete
erheblich beeinträchtigt werden könnten und welche tatsächlichen und rechtli-
chen Gesichtspunkte bei der Vorbelastungssituation zu berücksichtigen gewe-
sen wären.
Die gerügten Aufklärungsmängel liegen nicht vor. Nach den tatsächlichen Fest-
stellungen des Verwaltungsgerichtshofs haben die Laub- und Laubmischwälder
des unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden FFH-Gebiets „Werra- und
Wehretal“ hessenweite Bedeutung als Jagdhabitat für das Große Mausohr und
die Bechsteinfledermaus. Mit dieser Einschätzung stützt sich die Vorinstanz auf
die von der Oberen Naturschutzbehörde angegebenen und der FFH-Vorprüfung
zugrunde gelegten Erhaltungs- und Entwicklungsziele für das FFH-Gebiet.
Hinsichtlich der Existenz von Jagdhabitaten der beiden Fledermausarten in den
Wäldern des angrenzenden FFH-Gebiets bestand bei dieser Sachlage kein
weiterer Aufklärungsbedarf.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte von seinem Rechtsstandpunkt aus auch kei-
nen Anlass, die von der Beschwerde vermissten weitergehenden Untersuchun-
gen zu der Frage durchzuführen, inwieweit diese Jagdgebiete durch Lärm- und
Lichtemissionen der geplanten Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden könn-
ten. Der Verwaltungsgerichtshof folgt der Einschätzung der Gutachter, dass die
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als Erhaltungsziel für das FFH-Gebiet benannte Aufrechterhaltung der Funktion
der Hauptflugrouten zwischen den Fledermausquartieren und den Jagdgebieten
nicht beeinträchtigt werde, weil die betroffenen Fledermausarten die im
Verhältnis zu ihrer Gesamtflugstrecke relativ kurze Strecke (80 m), die eine
Lärmbelastung bis zu 65 dB(A) aufweise, überbrücken könnten, ohne dass die
Leitstruktur der Gelster und des östlich angrenzenden Talrandes beeinträchtigt
werde. Dieses Ergebnis sichert die Vorinstanz durch Rechtsausführungen zur
Bedeutung der Vorbelastungen ab, denen der Bereich der Hauptflugrouten
durch den von der Kläranlage herrührenden Lärm bereits ausgesetzt sei. Aus-
gehend davon, dass der Bereich der Gelster für die genannten Fledermausar-
ten nur eine Leitlinienfunktion („Durchflugkorridor“) besitze, nicht aber als Jagd-
habitat bedeutsam sei, gelangt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis,
dass die „Verlärmung“ und die von der Antragstellerin für möglich erachteten
Lichteinwirkungen nur einen „marginalen Flächenanteil“ der den beiden Fle-
dermausarten als Jagdhabitat zur Verfügung stehenden Laubmischwaldgebiete
beträfen. Die rechtlichen und naturschutzfachlichen Gründe für diese räumliche
Eingrenzung („Kleinräumigkeit“) der von der Antragstellerin befürchteten Lärm-
und Lichtemissionen stellt der Verwaltungsgerichtshof in seinen Urteilsgründen
ausführlich dar. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, aus wel-
chen Gründen es sich dem Verwaltungsgerichtshof gleichwohl hätte aufdrängen
müssen, die Auswirkungen des angegriffenen Bebauungsplans auf die weiter
entfernt liegenden Waldflächen näher zu untersuchen.
2.3 Die Beschwerde trägt weiter vor, der Verwaltungsgerichtshof habe nicht
hinreichend aufgeklärt, ob der Bereich der Gelster für die Fledermausarten nicht
nur eine Leitlinienfunktion habe, sondern auch als Jagdhabitat bedeutsam sei.
Ohne Telemetriestudien könnten Aussagen über die Bedeutung des
Gelsterbereichs für die Fledermäuse nicht getroffen werden.
Dieses Vorbringen berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Bereich der
Gelster, der Lärm- und Lichtemissionen infolge der durch die Bebauungspla-
nung zugelassenen Anlagen im Planbereich ausgesetzt sein würde, nach den
tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nur einen „margina-
len Flächenanteil“ der den Fledermausarten als Jagdhabitat zur Verfügung ste-
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henden Gebiete darstellt. Die Beschwerde setzt sich in diesem Zusammenhang
auch nicht mit den Ausführungen der Vorinstanz zur Lärmvorbelastung durch
die vorhandene Kläranlage auseinander. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus,
dass der Erhaltungszustand des an das Plangebiet angrenzenden FFH-Gebiets
trotz der festgestellten Vorbelastungen als günstig zu beurteilen sei und auch
nach Verwirklichung der durch die Bebauungsplanung zugelassenen Vorhaben
günstig bleiben werde. Weder dem fledermauskundlichen Fachbeitrag noch der
FFH-Vorprüfung seien Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass langfristig ge-
sehen Qualitätseinbußen in Bezug auf das Verbreitungsgebiet und die Popula-
tionsgröße der beiden Fledermausarten drohten. Vor diesem rechtlichen und
tatsächlichen Hintergrund hatte der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass, der
von der Gutachterin Dr. K. in der mündlichen Verhandlung erneut verneinten
Frage weiter nachzugehen, ob der Bereich der Gelster für die Fledermausarten
nur eine Leitlinienfunktion hat oder auch als Jagdhabitat von Bedeutung sein
könnte.
Entgegen der Beschwerde war auch nicht aufklärungsbedürftig, ob die Fleder-
mäuse durch Ultraschall in ihrer Orientierung auf dem Flugweg im Bereich der
Gelster gestört werden könnten. Der Fledermausgutachter R. hat die Emittie-
rung von Ultraschall zwar als „kritisch“ eingeschätzt, weil die Fledermäuse dann
nicht orten könnten. Die Gutachterin Dr. K. greift diese kritische Äußerung auf
und führt aus, dass Ultraschall, der den Bereich der Gelster unpassierbar ma-
che, nicht emittiert würde (Stellungnahme vom 10. Juni 2007, Bl. 178 der Ge-
richtsakten). Beweisanträge hierzu hat die Antragstellerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt. Angesicht der kla-
ren Stellungnahme der Gutachterin Dr. K. durfte die Vorinstanz diesen Punkt
als geklärt ansehen.
2.4 Die Rüge der Beschwerde, es sei aufzuklären gewesen, ob der vorgesehe-
ne Schutz vor Lichtemissionen ausreiche, um erhebliche Beeinträchtigungen
des Schutzgebiets auszuschließen, muss erfolglos bleiben, weil sie sich darauf
beschränkt, die Bedenken des Fledermausgutachters R. wiederzugeben, ohne
näher darauf einzugehen, dass diese Bedenken nach Ansicht des Verwaltungs-
gerichtshofs mit der Umsetzung der in einem städtebaulichen Vertrag verein-
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barten Vermeidungs- bzw. Minderungsmaßnahmen ausgeräumt worden seien
(UA S. 29).
2.5 Erfolglos bleiben muss schließlich die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof
hätte einen fachlich geeigneten Fledermausgutachter als Sachverständigen
vernehmen müssen. Die Beschwerde macht hierzu geltend, die in der mündli-
chen Verhandlung zu ihrem Gutachten gehörte Sachverständige Dr. K. habe
selbst ausgeführt, dass sie keine Spezialistin für Fledermäuse sei und deshalb
einen Fachgutachter beauftragt habe. Die Antragstellerin meint, dass sich dem
Gericht die Hinzuziehung dieses Fachgutachters hätte aufdrängen müssen. Aus
den Akten gehe bereits hervor, dass sich der Fachgutachter R. mit der Materie
auseinandergesetzt und fach- und sachkundig eine Begutachtung vorge-
nommen habe. Letztendlich hätte der naturschutzfachliche Vortrag des Fle-
dermausgutachters gewürdigt werden müssen und nicht in erster Linie die Aus-
sagen der FFH-Vorprüfung.
Die Rüge geht fehl. Die Beschwerde nimmt nicht zur Kenntnis, dass der Ver-
waltungsgerichtshof die tragenden Gründe seines Urteils nicht allein auf die
FFH-Vorprüfung und die schriftlichen Stellungnahmen der Gutachterin Dr. K.,
sondern zugleich auf den fledermauskundlichen Fachbeitrag („2. Fassung“)
sowie auf die weiteren Aussagen des Fledermaussachverständigen R. stützt.
Das gilt für den Gesichtspunkt der „Kleinräumigkeit“ des bauplanerischen Ein-
griffs in den Bereich der Gelster ebenso wie für das Erhaltungsziel, die Funktion
der Hauptflugrouten im Bereich der Gelster und der östlich angrenzenden Leit-
strukturen (Talrand) aufrechtzuerhalten (vgl. hierzu UA S. 24 und 26). Auch das
abschließende Ergebnis der naturschutzrechtlichen Kontrolle des Bebauungs-
plans, eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Schutzgebiets und seiner Er-
haltungsziele sei offensichtlich auszuschließen, stützt der Verwaltungsgerichts-
hof ausdrücklich auf die FFH-Vorprüfung und die sachverständigen Äußerungen
des Fledermausgutachters (UA S. 23 und 29). Es ist nicht ersichtlich, aus
welchen Gründen es sich dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner
Sachverhaltsermittlung und seiner Beweiswürdigung hätte aufdrängen müssen,
den Fledermausgutachter R. noch mündlich anzuhören.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Dr. Bumke
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Naturschutzrecht
Fachpresse: ja
Bauplanungsrecht
Rechtsquellen:
FFH-Richtlinie
Art. 6 Abs. 3
BauGB
§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b
Stichworte:
Normenkontrolle; Bebauungsplan; FFH-Gebiet; erhebliche Beeinträchtigung;
Vorprüfung; Verträglichkeitsprüfung.
Leitsatz:
Die bei der Vorprüfung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der FFH-Richtlinie anzulegen-
den Maßstäbe sind nicht identisch mit den Maßstäben für die Verträglichkeits-
prüfung selbst. Bei der Vorprüfung ist nur zu untersuchen, ob erhebliche Beein-
trächtigungen des Schutzgebietes ernstlich zu besorgen sind. Erst wenn das zu
bejahen ist, schließt sich die Verträglichkeitsprüfung mit ihren Anforderungen an
den diese Besorgnis ausräumenden naturschutzfachlichen Gegenbeweis an (im
Anschluss an BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 -
BVerwGE 128, 1).
Beschluss des 4. Senats vom 26. November 2007 - BVerwG 4 BN 46.07
I. VGH Kassel vom 05.07.2007 - Az.: VGH 4 N 869/06 -