Urteil des BVerwG vom 10.07.2014

Rechtliches Gehör, Ausschluss, Bebauungsplan, Gemeinde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 42.13
VGH 3 C 586/12.N
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 17. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte
Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Verfahrensmängel, die die Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO), legt die Beschwerde nicht dar bzw. liegen nicht vor.
a) Zu Unrecht rügt die Beschwerde eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtli-
ches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO).
Die Antragstellerin macht geltend, sie habe im Schriftsatz vom 28. Mai 2013
moniert, dass der in der textlichen Festsetzung 1.1.1 des Bebauungsplans ge-
regelte Ausschluss aller ausnahmsweise zulässigen baulichen Nutzungen im
Sinne von § 4 Abs. 3 BauNVO, der auch die gewerbliche Nutzung einschließe,
unverhältnismäßig sei. Im Tatbestand des angegriffenen Urteils habe der Ver-
waltungsgerichtshof diesen Sachvortrag fehlerhaft wiedergegeben. In den Ent-
scheidungsgründen habe sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Sachvortrag
zudem nicht auseinandergesetzt; er habe diese Festsetzung weder für unwirk-
sam erklärt, noch habe er sie als rechtmäßig beurteilt.
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Mit diesem Vortrag zeigt die Beschwerde einen Gehörsverstoß nicht auf. Der
vorgetragene Inhalt des Schriftsatzes vom 28. Mai 2013 ist aus dem Zusam-
menhang gelöst und in sinnentstellender Weise wiedergegeben. In dem be-
zeichneten Schriftsatz hat die Antragstellerin einen erheblichen Abwägungs-
mangel geltend gemacht, weil (in den Festsetzungen des Bebauungsplans)
einerseits eine umfangreiche Nutzung solarer Strahlungsenergie vorgesehen
sei und andererseits sämtliche Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO (ein-
schließlich der im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulassungsfähigen
sonstigen nicht störenden gewerblichen Nutzung im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2
BauNVO) nicht Bestandteil des Bebauungsplans seien. Dies habe zur Konse-
quenz, dass der Verkauf des erzeugten Stromes nach dem EEG nicht zulässig
sei, wenn die solare Strahlungsenergie nicht überwiegend für eigene Zwecke
erzeugt werde, so dass die Solaranlagen als Nebenanlagen nach § 14 Abs. 1
BauNVO zu beurteilen seien. Denn in dem Fall, dass mehr als 50 % der er-
zeugten Energie nicht zum Eigenverbrauch genutzt werde, handle es sich um
eine gewerbliche Nutzung der Solarenergieanlagen. Da aber nach der aktuellen
Energieeinsparverordnung davon auszugehen sei, dass der Energiebedarf der
Häuser so gering sei, dass angesichts der (festgesetzten) großen Solaranla-
genflächen auf dem Dach der erzeugte Strom überwiegend veräußert werde,
müsse die gewerbliche Stromerzeugung „zulässig sein“. Weil dies aber nach
der textlichen Festsetzung 1.1.1 nicht möglich sei, erweise sich die Verpflich-
tung der Eigentümer, Solaranlagen auf das Dach zu setzen, als eine unverhält-
nismäßige Beschränkung. Es sei der Antragstellerin nicht zuzumuten, einerseits
die Anlagen zur Nutzung der solaren Strahlungsenergie zu montieren und damit
faktisch zu betreiben, ihr andererseits aber die Möglichkeit zu nehmen, die Kos-
ten für den Betrieb und den Unterhalt dieser Anlagen zu erwirtschaften. Mithin
sei entweder der Ausschluss der gewerblichen Nutzung nach § 4 Abs. 3
BauNVO unverhältnismäßig - ein städtebaulicher Grund für den Ausschluss
(der Nutzungen nach) § 4 Abs. 3 BauNVO bestehe ohnedies nicht - oder es sei
unverhältnismäßig, dass Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie errich-
tet werden müssten.
Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit
dem Vortrag, entweder sei der Ausschluss der gewerblichen Nutzung oder die
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Verpflichtung zur Nutzung solarer Strahlungsenergie unverhältnismäßig, nicht
ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Das musste er aber auch nicht, denn er
hat die Wirksamkeit der textlichen Festsetzung 1.3.1, wonach „bei der Errich-
tung von Gebäuden … bauliche und sonstige technische Maßnahmen zur akti-
ven Nutzung der solaren Strahlungsenergie auf mindestens 30 % der Dachflä-
chen vorzusehen“ sind, bereits wegen eines beachtlichen Verfahrensfehlers für
unwirksam erklärt. Vor diesem Hintergrund durfte der Verwaltungsgerichtshof
die seitens der Antragstellerin geltend gemachte alternative Unverhältnismäßig-
keit entweder der textlichen Festsetzung 1.1.1 oder der textlichen Festsetzung
1.3.1 als aufgelöst ansehen.
Die Frage, inwieweit der generelle Ausschluss der nach § 4 Abs. 3 BauNVO
ausnahmsweise zulassungsfähiger Nutzungen erforderlich ist und gerecht ab-
gewogen wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Behauptung der
Beschwerde beantwortet, allerdings nur pauschal mit dem Hinweis, dass von
der Antragstellerin weder beachtliche Fehler im Abwägungsvorgang noch Feh-
ler im Abwägungsergebnis substantiiert dargelegt worden oder derartige Fehler
auch sonst nicht ersichtlich seien (UA Rn. 32). Der Hinweis trifft zu. Die Antrag-
stellerin hat ihren Vortrag, ein städtebaulicher Grund für den Ausschluss der
ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungen nach § 4 Abs. 3 BauNVO be-
stehe ohnedies nicht, nur beiläufig in einem Nebensatz und ohne jegliche Be-
gründung in den Raum gestellt. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem
unsubstantiierten Vortrag war nicht geboten.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, „aus den vorstehenden Ausführungen“ sei
zugleich die Verfahrensrüge abzuleiten, dass der Verwaltungsgerichtshof den
Sachverhalt „aktenwidrig“ festgestellt habe.
Die Beschwerde trägt vor, die Antragstellerin habe mit dem in ihrem Schriftsatz
verwendeten Wort „ohnedies“ zugleich geltend gemacht, dass sie die textliche
Festsetzung 1.1.1 in jedem Fall für unwirksam halte. Dies trifft - wie dargestellt -
nur mit der Einschränkung zu, dass dieser Vortrag ohne jegliche Substantiie-
rung geblieben ist. Unsubstantiierten Sachvortrag hat der Verwaltungsgerichts-
hof (UA Rn. 32) insoweit aber nicht aktenwidrig in Abrede gestellt.
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c) Ins Leere geht ferner die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof hätte „bei einer
verfahrensfehlerfreien Feststellung der Unwirksamkeit (der textlichen Festset-
zung 1.1.1), wie (sie) sich aus den vorstehenden Ausführungen … ergibt“, auch
zu prüfen gehabt, ob der Bebauungsplan infolge dieser unwirksamen Festset-
zung nicht nur teilunwirksam, sondern nach dem mutmaßlichen Willen der Ge-
meinde insgesamt unwirksam ist. Von der Unwirksamkeit der textlichen Fest-
setzung 1.1.1 ist der Verwaltungsgerichtshof - wie dargelegt - nicht ausgegan-
gen, die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Infolgedes-
sen hatte der Verwaltungsgerichtshof auch keine Veranlassung zu der von der
Beschwerde für den Fall der Unwirksamkeit dieser Festsetzung für erforderlich
gehaltenen weiteren Sachaufklärung.
d) Ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Aufklärungsmangel ist auch
nicht „in Bezug auf den Willen der Gemeinde betreffend die Art der baulichen
Nutzung“ hinreichend substantiiert geltend gemacht.
Die Beschwerde vermisst generell „die nach der (unvollständigen bzw. unver-
ständlichen) materiellen Prüfung erforderliche, aber unterbliebene Prüfung des
maßgeblichen gemeindlichen Willens“. Sie gründet ihre Aufklärungsrüge inso-
weit im Wesentlichen auf zwei Erwägungen: Zum einen habe der Verwaltungs-
gerichtshof „verfahrensfehlerhaft“ übersehen, dass bei der Ermittlung des ge-
meindlichen Willens sowohl die Festsetzung „Wald“ als auch die im (ersten)
Entwurf (des Bebauungsplans für diese Fläche) vorgesehene Festsetzung „pri-
vate Grünfläche“ hätte hinweggedacht werden müssen. Zum anderen sei die
Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass die für unwirksam erklärten Fest-
setzungen „im nachgeordneten Verfahren eine Regelung erfahren“ könnten,
ohne dass der Bestand des Bebauungsplans im Übrigen von ihrer Wirksamkeit
abhänge, nicht nachvollziehbar. Mit beiden Erwägungen kritisiert die Beschwer-
de der Sache nach den materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsge-
richtshofs. Eine Verpflichtung zu weiterer Sachaufklärung kann daraus nicht
hergeleitet werden. Denn bei der Prüfung eines Verfahrensfehlers ist selbst
dann auf den materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz abzustellen, wenn
dieser verfehlt sein sollte (Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B
150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 = NVwZ-RR 1996, 369).
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Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang noch geltend macht, dass
der Verwaltungsgerichtshof von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichts abgewichen sei, verfehlt sie die Darlegungsanforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil sie keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene
Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vor-
instanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder des
Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwen-
dung derselben Rechtsvorschrift widersprochen haben soll (vgl. Beschluss vom
19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26).
e) Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Antragsgegnerin hätte
den Bebauungsplan auch ohne die unwirksamen Feststellungen beschlossen,
wendet sich die Beschwerde schließlich mit den Rügen, der Verwaltungsge-
richtshof habe hierbei gegen Denkgesetze verstoßen, den Überzeugungs-
grundsatz verletzt und willkürlich entschieden. Auch diese Rügen bleiben ohne
Erfolg.
Soweit die Beschwerde geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe sich
nicht damit auseinandergesetzt, dass die während des Aufstellungsverfahrens
hinzugekommenen Festsetzungen gerade gewollt gewesen seien, unterstellt
sie einen materiell-rechtlichen Maßstab, von dem der Verwaltungsgerichtshof
- zu Recht - nicht ausgegangen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats, auf
die der Verwaltungsgerichtshof (UA Rn. 21) Bezug genommen hat, ist bei der
Prüfung der Teilunwirksamkeit eines Bebauungsplans danach zu fragen, ob die
Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Wil-
len im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen
hätte. Abzustellen ist also nicht auf den tatsächlichen Willen, sondern auf den
hypothetischen Willen der Gemeinde, mithin darauf, ob die Gemeinde den Be-
bauungsplan auch dann beschlossen hätte, wenn sie im Zeitpunkt des Sat-
zungsbeschlusses gewusst hätte, dass die fraglichen Festsetzungen nicht
rechtswirksam getroffen werden können (vgl. Urteil vom 26. März 2009
- BVerwG 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 Rn. 31). Das Vorliegen eines ent-
sprechenden hypothetischen Willens hat der Verwaltungsgerichtshof unter
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Würdigung der Äußerungen der Antragsgegnerin im Normenkontrollverfahren
und der Begründung des Bebauungsplans bejaht. Der Einwand der Beschwer-
de, Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan auch
ohne diese zusätzlichen Festsetzungen beschlossen hätte, fehlten, setzt sich
mit der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs nicht auseinander und ist
auch im Übrigen unsubstantiiert.
Unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar ist ferner der Vortrag der Beschwer-
de, der Verwaltungsgerichtshof habe nicht erkannt und sich nicht damit ausei-
nandergesetzt, dass für die als „Wald“ festgesetzte Fläche infolge der Teilun-
wirksamkeit dieser Festsetzung als Art der baulichen Nutzung nunmehr gar
nichts mehr festgesetzt sei („Weißfläche“). Dass im Fall der Unwirksamkeit
einer Flächenfestsetzung (hier: „Wald“) diese Festsetzung ersatzlos wegfällt
und nicht etwa durch die in der ursprünglichen Entwurfsfassung des Bebau-
ungsplans für diese Fläche vorgesehene Festsetzung (hier: „private Grünflä-
che“) ersetzt wird, ist eine schlichte Selbstverständlichkeit und bedurfte keiner
gesonderten Hervorhebung im Normenkontrollurteil, auch nicht - wie die Be-
schwerde fordert - durch Feststellungen dazu, wie der Bebauungsplan ohne die
Festsetzung „Wald“ inhaltlich aussieht. Eine stichhaltige Begründung dafür, wa-
rum der Verwaltungsgerichtshof diese Selbstverständlichkeit nicht erkannt ha-
ben soll, bleibt die Beschwerde schuldig. Infolgedessen geht auch ihr Vortrag
ins Leere, der Verwaltungsgerichtshof hätte sich damit auseinandersetzen
müssen, ob die Antragsgegnerin, hätte sie die Fehlerhaftigkeit der Waldfestset-
zung erkannt, den Willen gehabt hätte, eine solche Weißfläche zu beschließen.
Soweit sich die Beschwerde darauf beruft, dass die Festsetzung der Art der
baulichen Nutzung nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu den elemen-
taren Festsetzungen eines Bebauungsplans gehöre, auf die sich die übrigen
Festsetzungen regelmäßig bezögen, übersieht sie bereits, dass mit der Fest-
setzung „Wald“ nicht die Art der baulichen Nutzung, sondern vielmehr gerade
eine sonstige (vgl. § 1 Abs. 1 BauGB), also nichtbauliche Nutzung festgesetzt
worden ist. Im Übrigen missversteht sie den Inhalt der von ihr zitierten Ent-
scheidung (Beschluss vom 8. August 1989 - BVerwG 4 NB 2.89 - Buchholz
406.11 § 10 BBauG/BauGB Nr. 17 S. 9, 13). In dieser Entscheidung hat der
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Senat zwar die Gebietsfestsetzung tatsächlich als „planerische Grundaussage“
bezeichnet, auf die die übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans regelmäßig
bezogen sind und von der diese teilweise sogar abhängen mit der Folge, dass,
wenn sich die Gebietsfestsetzung als unwirksam erweist, dies auch Auswirkun-
gen auf die Wirksamkeit der übrigen Festsetzung haben muss. Die Beschwerde
verkennt jedoch, dass dieser Zusammenhang nur für Festsetzungen gilt, die
sich auf ein und dieselbe Fläche beziehen. Eine Aussage des Inhalts, dass die
Unwirksamkeit der Festsetzung „Wald“, die sich auf Flächen außerhalb der
ausgewiesenen Bauflächen bezieht, auch die Unwirksamkeit der Bauflächen-
ausweisung zur Folge hätte, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Das
gilt umso mehr, als der Verwaltungsgerichtshof die „WA“-Festsetzung auf den
Bauflächen nicht beanstandet hat, eine wirksame „planerische Grundaussage“
zur Art der baulichen Nutzung hinsichtlich dieser Flächen also gerade vorhan-
den ist. Die Schlussfolgerung der Beschwerde, die Beurteilung des mutmaßli-
chen Willens der Antragsgegnerin durch den Verwaltungsgerichtshof sei auch
von daher willkürlich und mit Denk- und Erfahrungssätzen nicht vereinbar, bleibt
ohne Substanz.
Entgegen der Behauptung der Beschwerde ist auch nicht unklar, was der Ver-
waltungsgerichtshof mit der Feststellung, die Festsetzung „Wald“ sei eine selb-
ständige Regelung, die den Bestand des Bebauungsplans und seine den An-
forderungen des § 1 BauGB gerecht werdenden Festsetzungen nicht tangiere,
zum Ausdruck bringen wollte. Angesichts der im Urteil benannten rechtlichen
Maßstäbe für die Teilunwirksamkeit von Bebauungsplänen (UA Rn. 21) liegt auf
der Hand, dass er - wie an anderer Stelle des angegriffenen Urteils (UA Rn. 22
Mitte) noch einmal ausdrücklich formuliert - damit zum Ausdruck gebracht hat,
„dass der Bestand des Bebauungsplans im Übrigen (nicht) von (der) Wirksam-
keit (der beanstandeten Festsetzungen) abhängt“.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
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a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,
ob es grundsätzlich zulässig ist, in einem allgemeinen
Wohngebiet alle Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO
auszuschließen, ohne dabei sicherzustellen, dass die ge-
werbliche Nutzung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer
Energien, insbesondere solarer Strahlungsenergie im Sin-
ne von § 33 EEG bzw. der Nutzung der Windenergie nach
§ 29 EEG, möglich bleibt.
Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie würde sich in einem
nachfolgenden Revisionsverfahren überwiegend nicht (mehr) stellen; im Übri-
gen ist die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan. Nach § 14
Abs. 3 BauNVO in der seit dem 20. September 2013 anwendbaren Fassung
gelten baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie
in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen auch dann als nach § 14 Abs. 1
Satz 1 BauNVO u.a. in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) zulässige
(Neben-)Anlagen, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in
das öffentliche Netz eingespeist wird. Diese Regelung findet - anders als die
Antragstellerin mit Verweis auf § 25d BauNVO meint - gemäß § 245a Abs. 1
Satz 1 BauGB auch auf Bebauungspläne Anwendung, die auf der Grundlage
der Baunutzungsverordnung in einer Fassung vor dem 20. September 2013 in
Kraft getreten sind; sie gilt mithin auch für den verfahrensgegenständlichen Be-
bauungsplan. Damit steht fest, dass der unter 1.1.1 der textlichen Festsetzun-
gen des Bebauungsplans Nr. 7/6 der Antragsgegnerin verfügte Ausschluss aller
Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO seit 20. September 2013 kraft Gesetzes
jedenfalls die von der Beschwerde in den Vordergrund ihrer Argumentation ge-
stellten Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie nicht (mehr) erfasst,
diese also (nunmehr) zulässig sind. Soweit die Beschwerde weiter auf Anlagen
zur Nutzung der Windenergie nach § 29 EEG abstellt, legt sie die grundsätzli-
che Klärungsbedürftigkeit nicht dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
b) Rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf reklamiert die Beschwerde schließlich
hinsichtlich der Frage,
ob (die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs), dass
„unwirksame Festsetzungen in einem nachgeordneten
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Verfahren eine Regelung erfahren können“, mit Bundes-
recht vereinbar ist,
speziell, was mit einem solchen nachgeordneten Verfah-
ren gemeint ist, wie eine als rechtswidrig erkannte Fest-
setzung in einem solchen nachgeordneten Verfahren eine
Regelung erfahren kann.
Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Zu dem vom Verwaltungsgerichtshof verwendeten Begriff des „nachgeordneten
Verfahrens“ erläutert die Beschwerde: Ein ergänzendes Verfahren nach § 214
Abs. 4 BauGB könne damit nicht gemeint sein; auch auf die Rechtsprechung
zur Konfliktbewältigung auf der Stufe der Verwirklichung der Planung beziehe
sich der Verwaltungsgerichtshof wohl nicht. Mit diesen Ausführungen macht die
Beschwerde deutlich, dass sie klären lassen will, ob die vom Verwaltungsge-
richtshof für unwirksam erklärten „Festsetzungen in einem nachgeordneten
(Baugenehmigungs-)Verfahren eine Regelung erfahren können“ bzw. inwieweit
„die verbleibende Problematik sich in einem nachgeordneten Baugenehmi-
gungsverfahren bewältigen lässt“.
So verstanden ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig, soweit der
Verwaltungsgerichtshof (UA Rn. 22) davon ausgegangen ist, dass die Festset-
zung „mit Geh- und Fahrrechten zu belastende Flächen (Zweckbestimmung:
Feuerwehrzufahrt)“ im nachgeordneten Verfahren eine Regelung erfahren kön-
ne, ohne dass der Bestand des Bebauungsplans im Übrigen von ihrer Wirk-
samkeit abhänge. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass die von
der Festsetzung betroffenen Grundstücke „im Eigentum der Antragstellerin ste-
hen und daher insgesamt durch die (als) Straßenverkehrsfläche (Flurstück Nr.)
59/29 (festgesetzte Fläche) bauplanungsrechtlich erschlossen“ seien, und dass
auch die Anforderungen des (vorbeugenden) Brandschutzes im nachgeordne-
ten (bauordnungsrechtlichen) Verfahren gelöst werden könnten (UA S. 16).
Soweit diese Annahmen auf der Auslegung von Landesrecht beruhen, wäre der
Senat hieran in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 173 VwGO i.V.m. § 560
ZPO). Im Übrigen setzt § 30 Abs. 1 BauGB für die bauplanungsrechtliche Zu-
lässigkeit die „gesicherte Erschließung“ voraus. Inwieweit sich diesbezüglich
Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen, legt die Beschwerde nicht dar.
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Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Aussage, die beanstandeten Festset-
zungen könnten im nachgeordneten Verfahren eine Regelung erfahren, auch
auf „die beiden zuvor genannten Festsetzungen“ - mithin auf die Planzeichen-
festsetzung „Wald“ sowie auf die textliche Festsetzung 1.3.1 („bauliche und
sonstige technische Maßnahmen zur aktiven Nutzung der solaren Strahlungs-
energie“) - bezogen hat, ist die von der Beschwerde aufgeworfene Grundsatz-
frage nicht entscheidungserheblich. Mit diesen Festsetzungen hat sich der Ver-
waltungsgerichtshof bereits „zuvor“ auseinandergesetzt und sie als „selbständi-
ge Regelungen“ qualifiziert, „die den Bestand des Bebauungsplans und seine
den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdenden Festsetzungen nicht
tangieren“ (UA S. 16). Diese Qualifizierung ist ohne Weiteres nachvollziehbar.
Die Wirksamkeit der Ausweisung von Bauflächen hängt objektiv weder von der
Festsetzung von Maßnahmen zur Nutzung der Solarenergie noch von einer die
Bauflächen umrahmenden Wald- oder Grünflächenausweisung ab. Der Verwal-
tungsgerichtshof hat diese Qualifizierung hinsichtlich der Festsetzungen „Wald“
und „Nutzung der solaren Strahlungsenergie“ erkennbar als tragend angese-
hen. Die weitere Begründung, dass auch „die beiden zuvor genannten Festset-
zungen“ („Wald“ und „Nutzung der solaren Strahlungsenergie“) „im nachgeord-
neten Verfahren eine Regelung erfahren“ könnten, ist demgegenüber
- allenfalls - eine ergänzende Erwägung. Diese Begründung kann daher hin-
weggedacht werden, ohne dass sich am Ausgang des Verfahrens etwas ändern
würde (vgl. Beschluss vom 9. September 2009 - BVerwG 4 BN 4.09 - BauR
2010, 205 = ZfBR 2010, 67 = juris Rn. 5). Aus diesem Grunde führt auch der als
Verfahrensrüge geltend gemachte Verstoß gegen das Willkürverbot und den
allgemeinen Gleichheitssatz nicht zur Zulassung der Revision.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Petz
Dr. Decker
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