Urteil des BVerwG vom 20.03.2012

Bebauungsplan, Bestimmtheitsgrundsatz, Genehmigungsverfahren, Betreiber

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 39.11
OVG 1 KN 56/08
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. März 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 13. September 2011 wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde des Antragstellers hat
keinen Erfolg.
1. Der Antragsteller geht mit dem Oberverwaltungsgericht in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 28. Februar 2002 - BVerwG
4 CN 5.01 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 25) davon aus, dass Gemein-
den zur Steuerung der Ansiedlung von Tierhaltungsanlagen das Instrument der
Sondergebietsausweisung verwenden und die Art der Nutzung hierbei unter
Rückgriff auf die VDI-Richtlinie 3471 festsetzen dürfen. Er meint aber, es sei
grundsätzlich klärungsbedürftig, welche Anforderungen an die Konkretisierung
einer solchen Verweisung zu stellen sind, insbesondere ob der Bestimmtheits-
grundsatz verletzt sei, weil im Plan nicht festgelegt worden sei, in welcher Fas-
sung die Richtlinie angewendet werden soll bei einer etwaigen Erweiterungs-
planung. Darüber hinaus wirft er die Frage auf, ob die Berechnung der Ge-
ruchskontingentierung auch ohne konkrete Angabe einer konkreten Berech-
nungsmethode dem Bestimmtheitsgrundsatz entspreche und verweist auf die
Voraussetzungen zur Festsetzung immissionswirksamer flächenbezogener
Schallleistungspegel.
Klärungsbedarf i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird mit diesen Fragen nicht
aufgezeigt. Die Fragen beruhen im Wesentlichen auf Annahmen, die sich nicht
mit den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts decken. Entgegen der
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Auffassung des Antragstellers ist das Oberverwaltungsgericht nicht davon aus-
gegangen, dass der Plan auch ohne Angabe einer konkreten Berechnungsme-
thode dem Bestimmtheitsgrundsatz entspricht. Nach den Ausführungen des
Oberverwaltungsgerichts ist der maximale Emissionsradius für jeden Standort
durch die angegebene Meterzahl eindeutig vorgegeben und der Tierbestand
der einzelnen Betriebe im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses durch Bezeich-
nung in den Tabellen und der Begründung zum Bebauungsplan detailliert fest-
gehalten. Ausdrücklich weist das Oberverwaltungsgericht auch darauf hin, dass
anders als im Falle immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspe-
gel eine Berücksichtigung der Immissionen benachbarter Tierhaltungsanlagen
bei dem hier zugrunde gelegten Planungsansatz für eine „Rückrechnung“ nicht
vonnöten sei. Einer Regelung zur „Verteilung“ eines Geruchskontingents nach
dem Muster immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel be-
darf es danach gerade nicht. Denn nach der für die revisionsgerichtliche Be-
urteilung bindenden Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht macht der
Bebauungsplan neue Tierhaltungs-Bauvorhaben in den Sondergebieten der
Sache nach nur davon abhängig, dass sich die Immissionssituation per Saldo
nicht verschlechtert, so dass höhere Tierzahlen z.B. durch bessere Filtereinrich-
tungen ausgeglichen werden können.
Woraus der Antragsteller ableitet, dass im Bebauungsplan nicht festgelegt wor-
den sei, in welcher Fassung die Richtlinie angewendet werden soll, erschließt
sich dem Senat nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat dargelegt, dass zur Be-
rechnung sowohl der Emissionsradien als auch der zulässigen Zahl von Groß-
vieheinheiten - wie im Tatbestand ausgeführt - die im Zeitpunkt des Satzungs-
beschlusses vorliegende VDI-Richtlinie 3471 maßgeblich war. Lediglich vor-
sorglich hat das Oberverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Ver-
gleichsberechnung nicht zwingend an die Berechnungsmethoden gebunden
sei, die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses verwendet wurden, sondern
auch sich stetig verbessernde Berechnungsmethoden benutzt werden können,
wenn dabei nur die mit dem Emissionsradius gesetzten Vorgaben respektiert
würden. Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um
festzustellen, dass eine verbesserte Technik und Berechnungsmethoden, die
dazu führen, dass eine Erhöhung des im Bebauungsplan mit Zahlenangaben
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bestimmten Tierbesatzes zulässig wäre, zugunsten eines Betreibers in einem
nachfolgenden Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden dürfen. Ein Be-
treiber soll von Verbesserungen der technischen Zusatzmaßnahmen im Rah-
men der betrieblichen Ausstattung profitieren können. Die Bestimmtheit der
Festsetzungen im Bebauungsplan, die Grundlage der Vergleichsberechnung
sind, wird damit nicht berührt.
2. Mit der Frage, wie konkret die Planungsabsichten im Hinblick auf künftige
Siedlungsentwicklungen im Fall eines einfachen Bebauungsplans tatsächlich
sein müssen, zeigt der Antragsteller keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.
Sein Vortrag beschränkt sich auf den Vorwurf, die angefochtene Entscheidung
beruhe auf bloßen Annahmen der Antragsgegnerin und verkenne die nach dem
Verbot des Etikettenschwindels gezogenen Grenzen für Zukunftsprojekte. Ab-
gesehen davon, dass die Frage, ob Planungsabsichten hinreichend konkret
sind, eine tatrichterliche Beurteilung unter Berücksichtigung der Gegebenheiten
im konkreten Einzelfall voraussetzt, macht der Antragsteller letztlich nur eine
fehlerhafte Rechtsanwendung geltend, die allein einen grundsätzlichen Klä-
rungsbedarf nicht begründen kann. Tatsächliche Feststellungen dazu, dass ein
„Etikettenschwindel“ vorliegt, hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Im
Übrigen wird nicht beachtet, dass das Oberverwaltungsgericht als maßgeblich
nicht allein größere zusammenhängende Siedlungsflächen angesehen hat,
sondern dass der Ansatz der Entwicklungsflächen in nachvollziehbarer Weise
auf die Gestalt der vorhandenen Besiedlungsflächen Rücksicht genommen ha-
be.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel Dr. Jannasch Dr. Bumke
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