Urteil des BVerwG vom 19.06.2002

Anhörung, Vertretung, Wechsel, Schutzschrift

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BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 36.02
VGH 3 S 1741/01
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juni 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n , Dr. L e m m e l
und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
18. März 2002 wird verworfen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzu-
lässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Sie verkennt, dass die Revision nur
zugelassen werden kann, wenn einer der Gründe des § 132 Abs. 2
Nrn. 1 bis 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache,
Abweichung oder Verfahrensmangel) gegeben ist; dies muss in
der Beschwerdebegründung im Einzelnen dargelegt werden. Daran
fehlt es jedoch. Die Beschwerde macht lediglich geltend, dass
die Entscheidung des Normenkontrollgerichts fehlerhaft sei,
gegen Art. 14 GG verstoße und bei richtiger Würdigung anders
hätte ausfallen müssen. Ein Zulassungsgrund ist damit nicht
einmal ansatzweise dargelegt. Soweit die Beschwerde geltend
macht, im vorliegenden Verfahren bedürften Befangenheitsgrund-
sätze der grundsätzlichen Klärung, übersieht sie, dass hier
§ 18 der baden-württembergischen Gemeindeordnung Rechtsgrund-
lage für die Beurteilung der möglicherweise bestehenden Befan-
genheit von Mitgliedern des Gemeinderats war; diese Vorschrift
gehört zum irrevisiblen Recht, an dessen Auslegung durch die
Vorinstanz das Bundesverwaltungsgericht gebunden ist (vgl.
§ 137 Abs. 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert
des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1
und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
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Im Hinblick auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom
7. Juni 2002, mit dem die Zurückweisung der Beschwerde bean-
tragt wird, ist in gebührenrechtlicher Hinsicht auf Folgendes
hinzuweisen:
Die getroffene Kostenentscheidung verschafft der Antragsgegne-
rin einen Kostentitel. Daraus ergibt sich noch nicht, dass die
Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin - soweit es das Beschwer-
deverfahren betrifft - im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwen-
dig war. Das erfordert eine eigene Beurteilung. Hierzu ist zu
bemerken: Im Regelfall ist es nicht erforderlich, dass ein Be-
schwerdegegner alsbald nach Eingang einer Beschwerde und ohne
Kenntnis der Beschwerdebegründung einen Rechtsanwalt durch
Prozessvollmacht mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauf-
tragt. Der Senat prüft die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2,
§ 133 Abs. 3 VwGO von Amts wegen. In diesem Stadium werden an-
dere Verfahrensbeteiligte nicht angehört. Dafür besteht kein
Anlass, wenn bereits das Vorbringen der Beschwerde ohne weite-
res deren Erfolglosigkeit ergibt. Vor einer durch das Bundes-
verwaltungsgericht selbst veranlassten Anhörung stellt es des-
halb für die übrigen Verfahrensbeteiligten im Allgemeinen kei-
ne nahe liegende oder gar angemessene Rechtsverfolgung dar,
sich bereits in diesem Stadium des Verfahrens anwaltlicher
Vertretung zu bedienen. Sie brauchen nicht zu unterstellen,
das Bundesverwaltungsgericht werde ohne Anhörung zu ihrem
Nachteil entscheiden und die Revision zulassen oder von der
Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch machen. Ob Ausnah-
men bei erkennbarer Eilbedürftigkeit durch eine vorbeugende
"Schutzschrift" denkbar sind, bedarf keiner näheren Erörte-
rung, da ein derartiger Fall hier nicht gegeben ist. Selbst-
verständlich ist keiner der anderen Verfahrensbeteiligten ge-
hindert, sich bereits vor Anhörung anwaltlicher Hilfe zu ver-
sichern und auch gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht Anträ-
ge zu stellen oder Ausführungen zur Sache zu machen. Derarti-
ges hat das Gericht auch zur Kenntnis zu nehmen. Das ändert
- 4 -
aber nichts daran, dass eine entsprechende Rechtsverfolgung in
diesem Stadium regelmäßig unnötig ist. Das ist jedenfalls dann
anzunehmen, wenn der Beschwerdegegner nur die Zurückweisung
der Beschwerde beantragt hat und irgendwelche Ausführungen,
welche die Erörterung des Streitstoffes fördern könnten, un-
terblieben sind und mangels Kenntnis der Beschwerdebegründung
auch kaum förderlich wären. Da über die Beschwerde ohnedies
von Amts wegen zu entscheiden ist, reduziert sich ein derarti-
ger Antrag letztlich auf den Hinweis, dass der andere Verfah-
rensbeteiligte im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten ist
und im Falle einer Anhörung dem Anwalt als Prozessbevollmäch-
tigten zugestellt werden kann. Indes gehört diese Zustellungs-
erklärung ohnedies nach § 37 BRAGO zum vorinstanzlichen
Rechtszug und lässt mithin einen zusätzlichen Gebührentatbe-
stand nicht entstehen. Im vorliegenden Falle bestand auch dazu
kein Anlass, da die Beschwerdegegnerin bereits im erstinstanz-
lichen Verfahren anwaltlich vertreten war, die erteilte Pro-
zessvollmacht insoweit auch für das Beschwerdeverfahren unver-
ändert die Zustellungsbevollmächtigung nach § 67 Abs. 3 Satz 3
VwGO begründete und die Beschwerdegegnerin einen Wechsel der
Prozessbevollmächtigung nicht vornahm. Es ist Sinn der raschen
Entscheidung des beschließenden Senats, im Interesse des je-
weiligen Beschwerdeführers weitere, von der Sache her nicht
veranlasste Kosten tunlichst zu vermeiden (stRspr; z.B.
BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - BVerwG 4 B 1.95 -
Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 29).
Berkemann
Lemmel
Jannasch