Urteil des BVerwG vom 02.10.2013

Hochhaus, Verzicht, Verfahrensmangel, Bebauungsplan

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 34.13
OVG 10 D 17/11.NE
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen die Nichtzu-
lassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungs-
gerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März
2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwer-
deverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gründe für die Zulassung der Revision lie-
gen nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des ange-
fochtenen Urteils zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar
2005 - BVerwG 4 A 4.04 - (BVerwGE 123, 37 = Buchholz 406.25 § 43 BImSchG
Nr. 23) zuzulassen.
Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO erforderlich, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten,
die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit
dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder
des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, tragenden Rechtssatz in Anwen-
dung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschlüsse vom 19. Au-
gust 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 und
vom 13. Juli 1999 - BVerwG 8 B 166.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2
VwGO Nr. 9). Hieran fehlt es. Die Beschwerde benennt schon keinen Rechts-
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satz des Oberverwaltungsgerichts, der von einem Rechtssatz abweichen könn-
te, den das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Februar 2005 (a.a.O.)
aufgestellt hat. Sie wendet sich vielmehr gegen die tatrichterliche Würdigung
des Oberverwaltungsgerichts, dass eine beachtliche Verschattung der Grund-
stücke der Antragstellerinnen durch das geplante Hochhaus nicht zu besorgen
sei. Sollte die Beschwerde rügen wollen, dass das Oberverwaltungsgericht die
DIN 5034 anders verstanden habe als das Bundesverwaltungsgericht, wäre ihr
entgegenzuhalten, dass die Auslegung von DIN-Vorschriften keine Rechtsan-
wendung, sondern Tatsachenfeststellung ist (vgl. Beschluss vom
30. September 1996 - BVerwG 4 B 175.96 - NVwZ-RR 1997, 214).
2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der geltend
gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag als unzulässig be-
handelt, weil es den Antragstellerinnen die Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO) abgesprochen hat. Die Antragstellerinnen hätten nicht hinreichend sub-
stantiiert Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lie-
ßen, dass sie durch die Festsetzungen des umstrittenen Bebauungsplans in
ihren Rechten verletzt würden. Sie hätten in ihrer Antragsbegründung keinen
Gesichtspunkt aufgezeigt, der die Richtigkeit der Analyse des Gutachtens der
M. GmbH in Frage stellen könne, dass die prognostizierte Verschattung ihres
Grundstücks ausschließlich auf die bereits vorhandenen Gebäude in der Nach-
barschaft zurückzuführen und eine beachtliche zusätzliche Verschattung durch
das geplante Hochhaus nicht zu besorgen sei.
Die Antragstellerinnen rügen nicht als Verfahrensfehler, dass das Oberverwal-
tungsgericht die Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung
im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt hätte. Sie beanstanden,
dass das Oberverwaltungsgericht seine Pflicht zur Klärung des Sachverhalts
nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt habe, weil es zur Frage der Verschattung ihrer
Grundstücke durch das geplante Hochhaus kein Sachverständigengutachten
eingeholt habe. Indem sie vortragen, dass die Vorinstanz den Bebauungsplan
nach Durchführung der vermissten Beweisaufnahme wegen eines Verstoßes
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gegen das Abwägungsgebot für unwirksam hätte erklären müssen (Beschwer-
debegründung S. 5), machen sie geltend, dass sich ihr Normenkontrollantrag
ohne den behaupteten Verfahrensfehler als begründet hätte erweisen müssen.
In die Prüfung der Begründetheit ist das Oberverwaltungsgericht - aus seiner
Sicht konsequent - aber nicht eingetreten. Von seinem materiell-rechtlichen
Standpunkt aus, der maßgeblich ist, selbst wenn er verfehlt sein sollte (vgl. et-
wa Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115
<119>; Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - Buchholz
406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 = juris Rn. 21 und vom 20. Dezember 2010
- BVerwG 5 B 38.10 - juris Rn. 18), hatte es keinen Anlass, ein (weiteres) Gut-
achten zur Verschattungswirkung des Hochhauses einzuholen, und stellt der
Verzicht auf eine weitere Begutachtung keinen Verfahrensmangel dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die
Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52
Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Decker
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