Urteil des BVerwG vom 18.06.2003

Rechtliches Gehör, Bedürftigkeit, Unterschutzstellung, Biomasse

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BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 34.03
OVG 8 KN 236/01
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und G a t z
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 13. März 2003 wird zurück-
gewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerde-
verfahren auf 20 000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht,
dass die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels
zuzulassen ist.
1. Die Rüge, das Normenkontrollgericht habe den entscheidungserheblichen Sachver-
halt nicht ausreichend aufgeklärt und sich dadurch über § 86 Abs. 1 VwGO hinwegge-
setzt, ist unbegründet. Die von der Beschwerde vermisste Beweiserhebung über "den
Umfang und Zustand der Flora im streitgegenständlichen Gebiet, deren Entstehungsge-
schichte und die Entwicklung des Gebiets in der (nahen) Zukunft" musste sich dem Ge-
richt nicht aufdrängen, nachdem der Antragsgegner dem Einwand der Antragstellerin im
Schriftsatz vom 27. Mai 2002, der Schilfgürtel am Ufer des unter Schutz gestellten Kies-
sees sei einem unaufhaltsamen Rückgang ausgesetzt, mit der vom Antragsgegner ein-
geholten fachlichen Stellungnahme des Niedersächsischen Landesamts für Ökologie
vom 23. Juli 2002 begegnet war, die - wenn auch in knapper Form - die Einwände der
Antragstellerin gegen die Unterschutzstellung des Sees zurückweist. Um zu verhindern,
dass sich das Gericht - wie geschehen - dieser Stellungnahme anschließt, hätte die An-
tragstellerin in der mündlichen Verhandlung durch die Stellung eines Beweisantrages
auf der weiterhin für erforderlich gehaltenen Sachverhaltsermittlung beharren müssen.
Dies ausweislich des Terminprotokolls nicht getan zu haben, geht zu ihren Lasten; denn
die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten
in der Tatsacheninstanz zu kompensieren.
2. Ebenfalls ohne Erfolg beanstandet die Beschwerde als Verstoß gegen den grundge-
setzlichen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), das Berufungsgericht
sei nicht auf den Vortrag der Antragstellerin eingegangen, der See weise mangels vor-
handener Biomasse sowie wegen des (sauren) pH-Wertes des Wassers keinerlei schüt-
zenswerte Fauna auf. Eine fehlende Auseinandersetzung mit Einzelheiten des Partei-
vorbringens rechtfertigt noch nicht den Schluss darauf, dass das Gericht sie nicht zur
Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte. Es ist grundsätzlich davon aus-
zugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten
auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht
verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu beschei-
den. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das
Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen
ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfGE 22, 267, 274; 25, 137, 140, stRspr). Ob
das hier der Fall ist, kann offen bleiben. Von der Existenz einer schutzwürdigen und
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schutzbedürftigen Fauna hängt die angefochtene Entscheidung nämlich nicht ab. Das
Normenkontrollgericht hat die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit des Kiessees und
dessen Uferbereiche in erster Linie und die Entscheidung allein tragend mit der vorhan-
denen Flora begründet. Die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Fauna ist als weite-
res Argument ("außerdem") für die Berechtigung zur Unterschutzstellung des Sees ge-
nannt. Es kann hinweggedacht werden, ohne dass die Bestätigung der streitigen Land-
schaftsschutzverordnung als rechtmäßig in Frage gestellt würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung
auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow Lemmel Gatz