Urteil des BVerwG vom 05.08.2002

Gemeinde, Deckung, Bestätigung, Nichtigkeit

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BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 34.02
OVG 1 K 1823/00
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. August 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
H a l a m a und G a t z
beschlossen:
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Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
20. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 51 129,19 € festge-
setzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO ge-
stützte Beschwerde ist unbegründet.
I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die
ihr die Antragsgegnerin beimisst.
1. Der Senat hätte im anhängigen Rechtsstreit keinen Anlass,
sich allgemein mit der Frage auseinander zu setzen, inwieweit
die §§ 165 ff. BauGB der Gemeinde Entscheidungsspielräume ein-
räumen.
In welchem Umfang diese Regelungen Raum für gemeindliche Wer-
tungen und Erwägungen lassen, die gerichtlich nur einge-
schränkt überprüfbar sind, hängt von der Struktur der jeweils
einschlägigen Norm ab. Einen Grundsatz des Inhalts, dass die
Vorschriften des Rechts der städtebaulichen Entwicklungsmaß-
nahmen tendenziell geeignet sind, Beurteilungs- und Gestal-
tungsfreiräume zu eröffnen, gibt es nicht. Die §§ 165 ff.
BauGB als Teil des Besonderen Städtebaurechts sind eher im Ge-
genteil durch strengere Bindungen gekennzeichnet als das Recht
der Bauleitplanung. Anders als im Anwendungsbereich des § 1
Abs. 3 BauGB hängt es nicht maßgeblich von der planerischen
Konzeption der Gemeinde ab, ob die ergriffenen Maßnahmen als
erforderlich zu qualifizieren sind. Welche städtebaulichen
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Ziele im Rahmen des Allgemeinen Städtebaurechts die Gemeinde
sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetz-
geber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die
ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl.
BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 1995 - BVerwG 4 NB 30.94 -
Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 82, vom 14. August 1995 - BVerwG
4 NB 21.95 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86 und vom 11. Mai
1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27).
Des Instrumentariums der Bauleitplanung, das ihr der Gesetzge-
ber in den §§ 5 und 9 BauGB zur Verfügung stellt, darf sie
sich bedienen, ohne den Nachweis führen zu müssen, dass dies
zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage un-
entbehrlich oder gar zwingend geboten ist (vgl. BVerwG, Urtei-
le vom 14. Februar 1991 - BVerwG 4 C 20.88 - Buchholz 406.11
§ 37 BauGB Nr. 4 und vom 22. Januar 1993 - BVerwG 8 C 46.91 -
BVerwGE 92, 8). Im Anwendungsbereich der §§ 165 ff. BauGB sind
die Anforderungen schon deshalb zwangsläufig strenger, weil
die Entwicklungsmaßnahme, anders als der Flächennutzungs- oder
der Bebauungsplan (vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 21. Feb-
ruar 1991 - BVerwG 4 NB 16.90 - und vom 25. August 1997
- BVerwG 4 BN 4.97 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 51 und 94),
an Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG zu messen ist. Die Entwicklungs-
satzung erzeugt enteignungsrechtliche Vorwirkungen. Sie legt
mit Bindungswirkung für ein etwaiges nachfolgendes Enteig-
nungsverfahren fest, dass das Wohl der Allgemeinheit den Ei-
gentumsentzug generell rechtfertigt. Damit steht die enteig-
nungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens und der Ziele, die
realisiert werden sollen, dem Grunde nach fest. Dem Enteig-
nungsverfahren verbleibt die Prüfung, ob das so konkretisierte
Gemeinwohl den Zugriff auf das einzelne Grundstück erfordert
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 1 BvR 390/01 -;
BVerwG, Urteile vom 15. Januar 1982 - BVerwG 4 C 94.79 -
Buchholz 406.15 § 15 StBauFG Nr. 4 und vom 3. Juli 1998
- BVerwG 4 CN 5.97 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 4; BGH,
Urteil vom 2. Oktober 1986 - III ZR 99/85 - NVwZ 1987, 923).
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Die enteignungsrechtliche Funktion, die die Entwicklungssat-
zung erfüllt, schließt es nicht aus, Bewertungs- und Prognose-
spielräume zuzuerkennen, die einer gerichtlichen Vollkontrolle
entzogen sind, setzt der Gestaltungsfreiheit aber auch Gren-
zen, die sich für die Gemeinde in strikten Vorgaben äußern.
Die für die Entwicklungssatzung der Antragsgegnerin relevanten
Tatbestandsvoraussetzungen belegen dies. So setzt eine Ent-
wicklungsmaßnahme einen qualifizierten städtebaulichen Hand-
lungsbedarf voraus, der aus Gründen des öffentlichen Interes-
ses ein planmäßiges und aufeinander abgestimmtes Vorgehen im
Sinne einer Gesamtmaßnahme erfordert. Soll eine Entwicklungs-
maßnahme auf voneinander getrennten Teilflächen verwirklicht
werden, so ist der Gesamtmaßnahmecharakter nur gewahrt, wenn
die Teilflächen untereinander in einer funktionalen Beziehung
stehen. Ob diesen aus § 165 Abs. 1 und 2 BauGB ableitbaren Er-
fordernissen genügt ist, unterliegt uneingeschränkter richter-
licher Überprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1998
- BVerwG 4 CN 2.97 - BVerwGE 107, 123). Entsprechendes gilt
für das Gemeinwohlerfordernis des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauGB. Ob das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung einer
städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme zur Deckung eines erhöh-
ten Bedarfs an Wohn- oder Arbeitsstätten erfordert, hängt
freilich von dem Ergebnis einer spezifisch enteignungsrechtli-
chen Gesamtabwägung aller Gemeinwohlgesichtspunkte ab. Die da-
nach gebotene Bilanzierung ist indes nicht mit planerischer
Abwägung gleichzusetzen. Ob die öffentlichen Interessen über-
wiegen, die für das Planungsvorhaben sprechen, ist nicht le-
diglich nach Maßgabe der zum Abwägungsgebot entwickelten
Grundsätze gerichtlich überprüfbar (vgl. BVerfG, Urteil vom
24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264, Beschluss vom
20. März 1984 - 1 BvL 28/82 - BVerfGE 66, 248; BVerwG, Urteile
vom 14. Dezember 1990 - BVerwG 7 C 5.90 - BVerwGE 87, 241 und
vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 5.97 - a.a.O., Beschluss vom
16. Februar 2001 - BVerwG 4 BN 55.00 - Buchholz 406.11 § 165
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BauGB Nr. 9). In welcher Richtung das angestrebte Revisions-
verfahren zusätzliche Erkenntnisse sollte vermitteln können,
legt die Antragsgegnerin nicht dar.
2. Auch die Frage, welchen Spielraum die Gemeinde bei der Be-
urteilung der Einwohnerentwicklung hat, rechtfertigt nicht die
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Der
Senat hat sich mit der Problematik, wann eine Entwicklungsmaß-
nahme im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB zur Deckung
eines erhöhten Bedarfs an Wohn- oder Arbeitsstätten erforder-
lich ist, bereits im Urteil vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN
5.97 - (a.a.O.) und im Beschluss vom 16. Februar 2001 - BVerwG
4 BN 55.00 - (a.a.O.) eingehend auseinander gesetzt. Er hat
bei dieser Gelegenheit dazu Stellung genommen, wie das Er-
kenntnismaterial beschaffen sein muss, damit die Gemeinde in-
soweit ihren Darlegungspflichten genügen kann. Die Antragsgeg-
nerin zeigt nicht auf, inwiefern diese Rechtsprechung weiterer
Konkretisierung oder Fortentwicklung bedarf.
3. Der Senat hätte keine Veranlassung, in dem erstrebten Revi-
sionsverfahren näher zu klären, unter welchen Voraussetzungen
ein ergänzendes Verfahren nach § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB in
Betracht kommt. Zu diesem Fragenkreis hat er sich bereits
mehrfach geäußert. Alle Entscheidungen laufen im Kern auf die
Aussage hinaus, dass für ein ergänzendes Verfahren nur dann
Raum ist, wenn der Mangel nicht so schwer wiegt, dass er die
Planung als Ganzes von vornherein infrage stellt (vgl. BVerwG,
Urteil vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 4 CN 7.97 - Buchholz
406.11 § 215 a BauGB Nr. 1; Beschlüsse vom 10. November 1998
- BVerwG 4 BN 45.98 - und vom 25. Mai 2000 - BVerwG 4 BN
17.00 - Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 2 und 6). Es bedarf
keiner nochmaligen Bestätigung, dass das Mittel des § 215 a
Abs. 1 Satz 1 BauGB in den Fällen versagt, in denen - mit den
Worten der Antragsgegnerin - eine "Planreparatur" schlechter-
dings unmöglich erscheint. Ob der Fehler so schwer wiegt, dass
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er das Grundgerüst der Planung zum Einsturz bringt, hängt von
den jeweiligen Umständen ab.
II. Die Divergenzrügen greifen nicht durch.
1. Das Normenkontrollgericht hat keinen Rechtssatz aufge-
stellt, der in Widerspruch zu den Ausführungen des Senats im
Urteil vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 5.97 - (a.a.O.) zur Ü-
berprüfbarkeit von administrativen Prognoseentscheidungen
steht. Das von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang an-
geführte Zitat bezieht sich auf das in § 165 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 BauGB genannte Tatbestandsmerkmal. Danach entspricht die
Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dem
Wohl der Allgemeinheit insbesondere dann, wenn sie der Deckung
eines erhöhten Bedarfs an Wohn- oder Arbeitsstätten dient. Der
Senat hat darauf hingewiesen, dass sich die Bedarfsentwick-
lung, auf die § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB abstellt, nur im
Wege einer Prognose erfassen lässt, die gerichtlich allein
darauf überprüfbar ist, ob sie in einer der Materie angemesse-
nen Weise erarbeitet worden ist (vgl. hierzu im Einzelnen auch
BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2001 - BVerwG 4 BN 55.00 -
a.a.O.). Zu der Frage, wieweit die Gemeinde im Rahmen von
städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen auch außerhalb des An-
wendungsbereichs des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB über Be-
wertungs- und Prognosespielräume verfügt, findet sich im Ur-
teil vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 5.97 - (a.a.O.) keine Aus-
sage. Jedenfalls insoweit kann das Normenkontrollgericht mit-
hin keinen Rechtssatz formuliert haben, der sich als Abwei-
chung von dieser Entscheidung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO qualifizieren lässt.
2. Das Normenkontrollgericht hat zu der unter Bedarfsdeckungs-
gesichtspunkten relevanten Bevölkerungsentwicklung keine Aus-
sagen getroffen, die Rechtsausführungen in den Senatsentschei-
dungen vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 2.97 - (a.a.O.) und
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- BVerwG 4 CN 5.97 - (a.a.O.) zuwiderlaufen. Es hat aus dem
Umstand, dass die Bevölkerungszahl in den vergangenen Jahren
im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin insgesamt zwar gestie-
gen, in dem Gebietsteil, in dem die Entwicklungsmaßnahme
durchgeführt werden soll, aber zurückgegangen ist, gefolgert,
dass dort von einem erhöhten Bedarf an Wohnstätten keine Rede
sein könne. Die Antragsgegnerin hält dem Normenkontrollgericht
vor, hierbei verkannt zu haben, dass sie im Rahmen ihrer kom-
munalen Planungshoheit in der Lage sein müsse, einer städte-
baulichen Mangellage mit einer offensiven Ansiedlungspolitik
entgegenzuwirken und die Einwohnerentwicklung auf der Grundla-
ge eines zukunftsorientierten Gesamtkonzepts gezielt so zu
lenken, dass sich der Bevölkerungszuwachs nicht nur auf die
Siedlungsschwerpunkte Hooksiel und Hohenkirchen, sondern auch
auf den Bereich Horumersiel/Schillig verteile.
Diese Auffassung findet in den beiden zitierten Urteilen vom
3. Juli 1998 keine Bestätigung. Nach Ansicht des Senats kann
von einem erhöhten Bedarf im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 BauGB erst dann gesprochen werden, wenn die Nachfrage
nach Wohnraum oder Arbeitsstätten das Angebot aus strukturel-
len Gründen längerfristig deutlich übersteigt. Der Überhang
muss so groß sein, dass es zu seiner Beseitigung mit einer
Ausweisung von Flächen, die von ihren Dimensionen und ihren
Funktionen her hinter den in § 165 Abs. 3 Satz 1 BauGB be-
zeichneten Merkmalen zurückbleiben, nicht sein Bewenden haben
kann. Das Normenkontrollgericht hat in Übereinstimmung mit
diesen Grundsätzen den Bevölkerungsrückgang im Bereich
Horumersiel/Schillig als Indikator dafür angesehen, dass in
dem fraglichen Raum kein Nachfragedruck besteht, der den vom
Senat geforderten Intensitätsgrad aufweist. Die Antragsgegne-
rin räumt letztlich selbst ein, dass sie eine Nachfragesitua-
tion durch die angegriffene Entwicklungsmaßnahme überhaupt
erst schaffen will. Die Bereitstellung von Flächen für den
Wohnungsbau ist nach ihrer eigenen Darstellung nicht die Folge
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einer Bedarfsentwicklung, die eine planerische Steuerung unter
Einsatz von Mitteln gebietet, für die das Recht der herkömmli-
chen Bauleitplanung nichts hergibt. Die Sogwirkung, die mit
ihr erzeugt werden soll, hat vielmehr Angebotscharakter. Eine
Entwicklungsmaßnahme aber, die die Merkmale einer "Angebots-
planung" aufweist, ist nach der Rechtsprechung des Senats un-
zulässig.
3. Dahinstehen kann, ob sich das Normenkontrollgericht unter
dem Blickwinkel der in § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB nor-
mierten Erfordernisse über einen Rechtssatz hinweggesetzt hat,
den der Senat im Beschluss vom 16. Februar 2001 - BVerwG 4 BN
56.00 - (Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 10) im Zusammenhang
mit der Frage aufgestellt hat, wieweit die Gemeinde vor der
förmlichen Festlegung eines Entwicklungsbereichs zu prüfen
hat, ob sich die angestrebten Entwicklungsziele durch den Ab-
schluss städtebaulicher Verträge erreichen lassen. Selbst wenn
insoweit ein Zulassungsgrund vorläge, wäre für eine Zulassung
der Revision kein Raum. Denn das Normenkontrollurteil beruht
nicht auf der geltend gemachten Abweichung. Der an die An-
tragsgegnerin gerichtete Vorwurf, nicht ausgelotet zu haben,
wie es um die Mitwirkungsbereitschaft der betroffenen Grund-
stückseigentümer steht, ist nur einer von mehreren Gründen,
aus denen das Normenkontrollgericht, je selbständig, die Nich-
tigkeit der angegriffenen Entwicklungssatzung herleitet ("Die
angegriffene Entwicklungssatzung scheitert schließlich an
§ 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB"). Soweit das Normenkontroll-
gericht darauf abstellt, dass das Erfordernis einer integrier-
ten Gesamtmaßnahme nicht erfüllt und der Nachweis eines erhöh-
ten Bedarfs an Wohnstätten nicht erbracht ist, greift die An-
tragsgegnerin diese Feststellungen zwar ebenfalls an. Ihre in-
soweit erhobenen Grundsatzrügen greifen aber - wie dargelegt -
nicht durch. Auch ihre Verfahrensrügen bleiben - wie noch aus-
zuführen ist - ohne Erfolg.
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4. Die angefochtene Entscheidung weicht nicht deshalb von dem
Urteil des Senats vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 4 CN 7.97 -
(a.a.O.) ab, weil es die Vorinstanz nicht hat damit bewenden
lassen, die Entwicklungssatzung der Antragsgegnerin für un-
wirksam zu erklären. Das Normenkontrollgericht hat die vom Se-
nat geäußerte Rechtsansicht, dass ein ergänzendes Verfahren im
Sinne des § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB nur dann nicht in Be-
tracht kommt, wenn der Mangel von solcher Art und Schwere ist,
dass er die Planung als Ganzes von vornherein infrage stellt,
nicht in Zweifel gezogen. Es hat - wohl berechtigterweise -
keinen Anlass gesehen, näher darzulegen, wieso die von ihm
markierten Fehler so schwer wiegen, dass sie zur Nichtigkeit
der angegriffenen Satzung führen. Selbst wenn das Normenkon-
trollgericht in diesem Zusammenhang das Senatsurteil vom
8. Oktober 1998 - BVerwG 4 CN 7.97 - (a.a.O.) übersehen haben
sollte, läge hierin keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO.
5. Soweit die Antragsgegnerin eine Abweichung von dem Senats-
beschluss vom 25. Februar 1998 - BVerwG 4 NB 40.96 - (Buchholz
406.11 § 215 BauGB Nr. 9) rügt, räumt sie selbst ein, dass es
im anhängigen Rechtsstreit nicht um die Behebung von Form- und
Verfahrensfehlern geht. Ob sich die Grundsätze, die der Senat
in der zitierten Entscheidung entwickelt hat, auf inhaltliche
Mängel übertragen lassen, kann dahinstehen. Hierfür mögen gute
Gründe sprechen. Der Senatsbeschluss vom 25. Februar 1998
trifft zu dieser Frage jedoch keine Aussage, über die sich das
Normenkontrollgericht hinweggesetzt haben könnte.
III. Die Verfahrensrügen vermögen der Beschwerde ebenfalls
nicht zum Erfolg zu verhelfen.
1. Soweit das Normenkontrollgericht den Standpunkt vertritt,
dass die räumlich voneinander getrennten Flächen, auf die sich
die Entwicklungsmaßnahme bezieht, nicht in einer funktionalen
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Beziehung zueinander stehen, beruht das angefochtene Urteil
nicht auf aktenwidrigen Feststellungen im Sinne des § 108
Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der angebliche Widerspruch zwischen den
tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz und dem Akteninhalt
liegt nicht vor. Das Normenkontrollgericht stellt nicht in Ab-
rede, dass sich im Bericht zur Entwicklungssatzung Angaben zu
dem Konzept der Entwicklungsmaßnahme finden (vgl. UA S. 9
bis 12). Diese Aussagen reichen nach seiner Einschätzung aber
nicht aus, um den Anforderungen des § 165 Abs. 1 und 2 BauGB
zu genügen. Wieweit diese rechtliche Beurteilung die Entschei-
dung zu tragen geeignet ist, ist eine Frage der tatrichterli-
chen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung, die als solche
nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist.
2. Das Normenkontrollgericht hat nicht dadurch einen Verfah-
rensverstoß begangen, dass es keine Veranlassung gesehen hat,
das Niedersächsische Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozia-
les um eine ergänzende Stellungnahme zu bitten oder Beweis
durch Vernehmung eines fachkundigen Bediensteten des Ministe-
riums zu erheben. Die Antragsgegnerin räumt ein, dass die Vor-
instanz die Stellungnahme des Ministeriums vom Mai 2000 zur
Kenntnis genommen hat (vgl. UA S. 9). Sie legt nicht dar, wie-
so sich dem Normenkontrollgericht insoweit ergänzende Ermitt-
lungen hätten aufdrängen müssen. Sie lässt auch unerörtert,
welche zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären,
wenn die Vorinstanz die von ihr als notwendig erachteten wei-
teren Schritte unternommen hätte.
3. Dahinstehen kann, ob das Normenkontrollgericht aktenwidrig
angenommen hat, dass die Errichtung der zwei vorgesehenen
Großparkplätze nur dann zügig umgesetzt werden kann, wenn zu-
vor die Flächen der Entwicklungszone V veräußert werden. Die
insoweit getroffene Feststellung ist nur eines von mehreren
Gliedern, die in der Argumentationskette der Vorinstanz jedes
für sich den Schluss rechtfertigen, dass von einer integrier-
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ten Gesamtmaßnahme keine Rede sein kann.
4. Das Gleiche gilt für die nach Ansicht des Normenkontrollge-
richts mangelnde Verzahnung zwischen der Bereitstellung von
Wohnbauland und von Sonderbauflächen.
5. Ein Verfahrensfehler lässt sich auch nicht daraus ableiten,
dass sich das Normenkontrollgericht über die Angabe der An-
tragsgegnerin hinweggesetzt hat, die Siedlungsentwicklung so
steuern zu wollen, dass auf den Bereich Horumersiel/Schillig
30 v.H. Zuwachs entfallen. Die Vorinstanz ist der Rechtsauf-
fassung der Antragsgegnerin, im Rahmen des § 165 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 BauGB den Bedarf an Wohnbauflächen nach eigenem planeri-
schen Ermessen auf das Gemeindegebiet verteilen zu dürfen,
nicht gefolgt. Von diesem materiellrechtlichen Ansatz her er-
übrigte es sich, auf das Konzept, von dem die Entwicklungsmaß-
nahme insoweit getragen wird, näher einzugehen.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13
Abs. 1 Satz 1 GKG.
Paetow Halama Gatz