Urteil des BVerwG vom 25.07.2005

Verkehr, Bebauungsplan, Rüge, Belastung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 33.05
OVG 7 D 25/05.NE
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G a t z und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 22. April 2005 wird zurückge-
wiesen.
Die Antragsteller zu 1 und 2 tragen jeweils die Hälfte der Kosten
des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde rügt in mehreren Punkten einen Verstoß gegen die Pflicht zur
Sachaufklärung. Diese Rüge greift nicht durch. Der insoweit geltend gemachte Ver-
fahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet,
wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner
rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Be-
schwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementsprechend substantiiert
dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungs-
bedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungs-
maßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststel-
lungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich
getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im
Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung,
entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nun-
mehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten
Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müs-
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sen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfah-
rensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von
Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisan-
träge genügen den letztgenannten Anforderungen nicht (BVerwG, vgl. Beschluss
vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie legt insbesondere
nicht dar, dass in der mündlichen Verhandlung auf die jetzt vermisste Sachver-
haltsaufklärung hingewirkt worden ist.
Im Übrigen setzt sich die Beschwerde unter 1 a) nicht damit auseinander, dass das
Normenkontrollgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, eine mögliche Belastung des
Salzburger Wegs werde nicht durch den Bebauungsplan festgesetzt, sondern durch
zwei andere Maßnahmen - den dreispurigen Ausbau der Dürener Straße sowie den
Ausbau des Salzburger Wegs - verursacht. Diese Maßnahmen sieht es rechtlich als
eigenständige Entscheidungen an. Vor diesem Hintergrund legt die Beschwerde
nicht dar, dass es auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung
des Normenkontrollgerichts auf die von ihr vermissten weiteren Ermittlungen über-
haupt angekommen wäre.
Unter 1 b) wirft die Beschwerde dem Normenkontrollgericht zu Unrecht vor, im Ein-
zelnen bezeichnete Umstände nicht ermittelt zu haben, die den Umfang des Ver-
kehrs beeinflussen, der durch das - bereits weitgehend bebaute - Gebiet des umstrit-
tenen Bebauungsplans "Max-Planck-Straße" hervorgerufen wird. Die Vorinstanz hat-
te zu den vermissten Ermittlungen keinen Anlass, weil für sie schon nicht erkennbar
war, dass der Verkehr aus dem Plangebiet überhaupt über den Salzburger Weg füh-
ren werde (UA S. 12). Im Übrigen wäre der Bebauungsplan für eine Erhöhung des
Verkehrsaufkommens, die sich aus einer Belegung bereits vorhandener, aber bislang
leer stehender Gebäude im Plangebiet ergäbe, nicht kausal. Die Rüge, das
Oberverwaltungsgericht habe die Auswirkungen der Verkehre der benachbarten
Plangebiete "Toyota-Allee" und "Östlich Horbeller Straße" auf die Marsdorfer Straße
mit der Folge eines Schleichwegeverkehrs über den Salzburger Weg nicht unter-
sucht, geht schon deshalb fehl, weil für die Vorinstanz allein der Verkehr rechtlich
relevant war, den der angefochtene Bebauungsplan auslöst. Unter 1 c) wird kein
Verfahrensfehler dargelegt.
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2. Die Beschwerde rügt ferner einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz.
Auch diese Rüge bleibt erfolglos. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das
Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen
Überzeugung. Die Vorschrift verpflichtet das Gericht, alle erheblichen Tatsachen
oder Beweisergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein
Verstoß gegen diese Pflicht liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder
unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Ent-
scheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt
es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts
und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung darauf, ob die Grenze einer
die anerkannten Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze beach-
tenden Würdigung überschritten ist. Beschränkt sich der Mangel tatrichterlicher
Überzeugungsbildung auf die Würdigung von Tatsachen, ohne die rechtliche
Subsumtion zu berühren, gehört er nicht zum dem materiellen Recht zugeordneten
Bereich der freien Beweiswürdigung, sondern begründet einen Verfahrensfehler, der
im Revisionsverfahren gerügt werden kann (BVerwG, Urteil vom 23. September 2004
- BVerwG 7 C 23.03 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr 27 m.w.N.).
Vorliegend verneint das Normenkontrollgericht, eine mögliche Verkehrszunahme an
den Grundstücken der Antragsteller sei planbedingt, also durch die Beschlussfas-
sung des Bebauungsplans verursacht. Zur Begründung führt es, wie bereits unter 1.
dargestellt, zwei andere Maßnahmen an, die es als ursächlich ansieht. Demgegen-
über geht die Beschwerde von einem anderen rechtlichen Ansatz aus. Bereits aus
diesem Grund legt sie keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz dar.
Die Ausführungen unter 2b) und 2c) enthalten eine Auseinandersetzung mit den im
Bebauungsplanaufstellungsverfahren erhobenen Gutachten. Ihnen lässt sich nichts
dafür entnehmen, das Oberverwaltungsgericht sei von einem offensichtlich erkenn-
baren und eindeutig unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen (vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153
BauGB Nr. 1).
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Unter 2 d) wiederholt die Beschwerde Rügen, die im Verfahren BVerwG 4 BN 31.05
erhoben worden sind. Sie gehen ins Leere, weil es nach dem rechtlichen Ansatz des
Oberverwaltungsgerichts nicht auf eine Belastung des Salzburger Wegs durch den
Verkehr aus sämtlichen Gewerbegebieten in Köln-Marsdorf ankommt, sondern nur
auf den Verkehr, den das Gebiet des angefochtenen Bebauungsplans "Max-Planck-
Straße" generiert.
3. Aus den dargestellten Gründen scheidet auch ein Verstoß gegen das rechtliche
Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) aus.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halb-
satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m.
§ 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Gatz Dr. Jannasch