Urteil des BVerwG vom 26.01.2010

Windenergie, Verfügung, Kontrolle, Satzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 32.09
OVG 12 KN 11/07
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Januar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 26. März 2009 wird zurück-
gewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Bei-
geladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag des Antragstellers
mit doppelter Begründung abgelehnt: Es hat den Normenkontrollantrag man-
gels Antragsbefugnis des Antragstellers als unzulässig angesehen, hilfsweise
aber auch die Begründetheit geprüft und den Antrag als unbegründet erachtet,
weil die vom Antragsteller angegriffene Änderung und Ergänzung für den sach-
lichen Teilabschnitt Windenergie des Regionalen Raumordnungsprogramms für
den Landkreis Cuxhaven (RROP 2004), soweit darin ein Vorrangstandort für
Windenergie im Bereich L./M. ausgewiesen wird, weder formelle noch materiel-
le Fehler aufweise (UA S. 21 - 31). Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf
mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur
zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revi-
sionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. nur Beschluss
vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2
Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Das gilt auch bei Hilfsbegründungen im Verhältnis von Zu-
lässigkeit und Begründetheit (Beschluss vom 19. September 1991 - BVerwG
2 B 108.91 - juris Rn. 4). Da die Grundsatzrügen, die der Antragsteller im Zu-
sammenhang mit der hilfsweisen Prüfung der Begründetheit erhebt, keinen Er-
folg haben, kommt es auf die unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom
21. April 2009 - BVerwG 4 C 3.08 - (NVwZ 2009, 1231) zur Frage der Antrags-
befugnis erhobene Divergenzrüge, die hilfsweise als Grundsatzrüge begründet
wird, nicht an.
Die Fragen,
- ob die regionalplanerische Ausweisung eines Vorrang-
standortes für Windenergieanlagen auch dann wirksam
sein und die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB erzeugen kann, wenn wesentliche Teile der aus-
gewiesenen Vorrangflächen nicht für die Nutzung durch
Windenergieanlagen der raumordnerisch abgewogenen
Höhe zur Verfügung stehen,
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- ob und ggf. in welchen Fällen die Träger der Bauleitpla-
nung bzw. die für die Zulassung raumbedeutsamer
Windkraftanlagen zuständigen Genehmigungsbehörden
befugt sind, in ihren Planungen bzw. Genehmigungsent-
scheidungen aus raumordnerisch bereits abgewogenen
Gründen niedrigere Anlagenhöhen von Windkraftanlagen
zugrunde zu legen als die in der Raumordnung festge-
setzten zulässigen Maximalhöhen,
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich in dem angestreb-
ten Revisionsverfahren nicht stellen würden. Beide Fragen sind von der Vorstel-
lung der Beschwerde geprägt, Windenergieanlagen mit einer geringeren Höhe
als der Maximalhöhe seien keine Anlagen
. Diese Vorstellung entspricht nicht der Auslegung des umstrittenen Regi-
onalen Raumordnungsplans durch das Oberverwaltungsgericht. Ebenso wenig
hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass wesentliche Teile der ausge-
wiesenen Vorrangflächen nicht für die Nutzung durch Windenergieanlagen der
raumordnerisch abgewogenen Höhe zur Verfügung stünden.
Das Oberverwaltungsgericht hat im Tatbestand des angefochtenen Urteils fest-
gehalten (UA S. 4): „Nach der beschreibenden Darstellung im RROP 2004 be-
trägt die zulässige Anlagenhöhe in den Randbereichen unter 100 m und im
Zentralbereich bis 140 m (optional), wobei die Gemeinden im Rahmen der Bau-
leitplanung bzw. der Landkreis als untere Landesplanungsbehörde im Rahmen
von Raumordnungsverfahren auf der Grundlage detaillierter Gutachten die ex-
akt zulässige Höhe für die optionalen Bereiche zwischen 100 und 140 m festle-
gen (vgl. RROP 2004, Abschnitt 3.5 Energie, Abs. 03 am Ende)“. In den Ent-
scheidungsgründen hat es ausgeführt, dass den denkmalrechtlichen Vorgaben
des Landesamts für Denkmalpflege bei Abständen von unter 1 000 m (bis
500 m) zum Gut H. durch eine Reduzierung der Anlagehöhe (auf eine Höhe
unter 99,90 m) Rechnung getragen werden könne. Nach seiner Interpretation
setzt das regionale Raumordnungsprogramm keine zwingenden Anlagenhöhen
fest, die den Trägern der Bauleitplanung bzw. der Genehmigungsbehörde kei-
nen Spielraum beließen, sondern das Oberverwaltungsgericht geht davon aus,
das Programm erlaube - bei der bauleitplanerischen Feinsteuerung oder im
Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung auf der Zulassungsebene - auch
Windenergieanlagen mit einer geringeren Anlagenhöhe als der maximal zuläs-
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sigen Höhe als Anlagen der raumordnerisch abgewogenen Höhe. Das als Sat-
zung beschlossene regionale Raumordnungsprogramm gehört dem irrevisiblen
Landesrecht an. Seine Auslegung ist einer revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht
zugänglich (vgl. auch Urteil vom 20. November 2003 - BVerwG 4 CN 6.03 -
BVerwGE 119, 217 <228>; Beschluss vom 19. Mai 2005 - BVerwG 4 BN 22.04
- juris Rn. 8). Einen von dem Auslegungsergebnis unabhängigen rechtsgrund-
sätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf die vom Antragsteller genannte Vor-
schrift des § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB wird nicht aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Bumke
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