Urteil des BVerwG vom 25.07.2005

Rüge, Subsumtion, Ausweisung, Überprüfung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 32.05
OVG 7 D 7/05.NE
In der Normenkontrollsache
1. der Frau Ellen-Maria N e l l e s ,
Tönneshofweg 34, 50858 Köln,
2. des Herrn Christoph N e l l e s ,
Tönneshofweg 34, 50858 Köln,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
3. ...,
4. ...,
5. ...,
6. ...,
Antragsteller,
- Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2:
Rechtsanwalt Wolfram Sedlak,
Lütticher Straße 67, 50674 Köln -
g e g e n
die Stadt Köln,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Appellhofplatz 23 - 25, 50667 Köln,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
- 2 -
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G a t z und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 22. April 2005 wird zurückge-
wiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens
als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde rügt in mehreren Punkten einen Verstoß gegen die Pflicht zur
Sachaufklärung. Diese Rüge greift nicht durch. Der insoweit geltend gemachte Ver-
fahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet,
wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner
rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Be-
schwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementsprechend substantiiert
dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungs-
bedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungs-
maßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststel-
lungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich
getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im
Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung,
entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nun-
mehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten
Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müs-
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sen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfah-
rensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von
Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisan-
träge genügen den letztgenannten Anforderungen nicht (BVerwG, vgl. Beschluss
vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie legt insbesondere
nicht dar, dass in der mündlichen Verhandlung auf die jetzt vermisste Sachver-
haltsaufklärung hingewirkt worden ist.
Im Übrigen sind die Ausführungen der Beschwerde unter 1 a) und 1 b) weitgehend
wortgleich mit denen im Verfahren BVerwG 4 BN 31.05 und beziehen sich auf den
Bebauungsplan "Max-Planck-Straße". Dieser ist vorliegend indes nicht Streitgegen-
stand. Unter 1 c) legt die Beschwerde nicht dar, dass es auf der Grundlage der in-
soweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts auf die vermiss-
te Sachaufklärung überhaupt ankam.
2. Die Beschwerde rügt ferner einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz.
Auch diese Rüge bleibt erfolglos. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das
Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen
Überzeugung. Die Vorschrift verpflichtet das Gericht, alle erheblichen Tatsachen
oder Beweisergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein
Verstoß gegen diese Pflicht liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder
unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Ent-
scheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt
es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts
und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung darauf, ob die Grenze einer
die anerkannten Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze beach-
tenden Würdigung überschritten ist. Beschränkt sich der Mangel tatrichterlicher
Überzeugungsbildung auf die Würdigung von Tatsachen, ohne die rechtliche Sub-
sumtion zu berühren, gehört er nicht zum dem materiellen Recht zugeordneten Be-
reich der freien Beweiswürdigung, sondern begründet einen Verfahrensfehler, der im
Revisionsverfahren gerügt werden kann (BVerwG, Urteil vom 23. September 2004
- BVerwG 7 C 23.03 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr 27 m.w.N.).
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Vorliegend verneint das Normenkontrollgericht, eine mögliche Verkehrszunahme an
den Grundstücken der Antragsteller sei planbedingt, also durch die Beschlussfas-
sung des Bebauungsplans verursacht. Dabei führt es aus, unter welchen Vorausset-
zungen eine Verstärkung des Verkehrs durch die Ausweisung eines Baugebiets auch
im Hinblick auf weiter entfernt liegende Grundstücke abwägungsbeachtlich ist (Urteil
S. 15). Demgegenüber geht die Beschwerde offensichtlich von einem anderen
rechtlichen Ansatz aus. Bereits aus diesem Grund legt sie keinen Verstoß gegen den
Überzeugungsgrundsatz dar. Daher bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu den
an eine derartige Rüge zu stellenden Anforderungen an die eindeutige Erkennbarkeit
eines derartigen Verstoßes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1997
- BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1).
Die Beschwerde legt auch nicht näher dar, warum das Fehlen der Angabe eines
Prognosezeitraums in einem Verkehrsgutachten geeignet sein kann, die Richtigkeit
des angegriffenen Urteils in Frage zu stellen. Der Hinweis auf einen "möglicherweise"
vom Oberverwaltungsgericht zu Grunde gelegten falschen Sachverhalt vermag
ebenfalls keinen Verfahrensfehler aufzuzeigen.
3. Aus den dargestellten Gründen scheidet auch ein Verstoß gegen das rechtliche
Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) aus.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halb-
satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO, die Streit-
wertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow
Gatz
Dr. Jannasch