Urteil des BVerwG vom 12.06.2003

Gemeinde, Klagebefugnis, Überprüfung, Rechtsverletzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 30.03
OVG 1 KN 1321/01
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 29. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 200 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antragsteller wendet sich mit der Verfahrensrüge dagegen, dass das Oberverwal-
tungsgericht seinen Normenkontrollantrag als unzulässig abgewiesen hat. Diese Rüge bleibt
erfolglos.
Allerdings kann ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darin begrün-
det sein, dass das Tatsachengericht fehlerhaft das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzun-
gen verneint hat (vgl. BVerwGE 13, 141; 13, 239; 30, 111 <113>). Ein derartiger Fall ist hier
indes nicht gegeben.
Das Oberverwaltungsgericht gelangt im Anschluss an das Urteil des Senats vom 24. Sep-
tember 1998 (- BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 = BRS 60 Nr. 46) zu dem Ergebnis,
dass der Antragsteller nicht antragsbefugt ist. Namentlich der Umstand, dass die Antrags-
gegnerin die im Eigentum des Antragstellers (außerhalb des Bebauungsplangebiets) lie-
genden Flächen nicht als erste oder zusammen mit dem angegriffenen Bebauungsplan son-
dern erst am Ende der insgesamt vorgesehenen Überplanung zu Wohnbauland machen
wolle, begründe keine Antragsbefugnis. Denn dieses Interesse sei vorliegend nicht abwä-
gungsrelevant. Eine Gemeinde sei bei der Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs
eines Bebauungsplans grundsätzlich frei. Wünsche von Eigentümern, ihre Flächen zu einem
bestimmten Zeitpunkt einzubeziehen, begründeten keinen privaten Belang, der bei der Auf-
stellung zu berücksichtigen sei. Eine planerische Konzeption einer Gemeinde, die sich auf
ein größeres Gebiet beziehe, müsse nicht "auf einen Schlag" verwirklicht werden. In diesem
Zusammenhang geht das Normenkontrollgericht auch näher auf den Beschluss des Senats
vom 20. November 1995 (- BVerwG 4 NB 23.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 87 = BRS
57 Nr. 3) ein, sieht einen derartigen Sachverhalt vorliegend indes nicht als gegeben an (Ur-
teilsabdruck S. 7).
Im Rahmen des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Beschwerdegericht
hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers nicht zu prüfen, ob die materiellrecht-
liche Auffassung des Normenkontrollgerichts inhaltlich zu billigen ist (vgl. BVerwG, Be-
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schlüsse vom 21. Januar 1993 - BVerwG 4 B 206.92 - NVwZ 1993, 884 = Buchholz 310 § 42
VwGO Nr. 188 und vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG
Nr. 1). Die differenziert begründete Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, der An-
tragsteller könne sich nicht auf einen Belang berufen, der in der Abwägung von der Antrags-
gegnerin hätte berücksichtigt werden müssen, ist daher der weiteren Prüfung zu Grunde zu
legen. Vor diesem Hintergrund ist in der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts jedoch
keine Überspannung der Anforderungen an die Antragsbefugnis zu sehen. Das Gericht hebt
selbst hervor, dass es unzutreffend wäre, Fragen der Begründetheit bereits im Rahmen der
Zulässigkeit umfassend abzuhandeln. Andererseits ist die Frage der Antragsbefugnis
- ebenso wie diejenige der Klagebefugnis - in derartigen Fällen nicht ohne eine (einge-
schränkte) Überprüfung des vom Antragsteller geltend gemachten Belangs zu bewerten. Die
Rechtsverletzung muss auf der Grundlage der vom Antragsteller vorgetragenen Tatsachen
zumindest als möglich erscheinen. Diesen Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht seiner
Prüfung der Zulässigkeit zu Grunde gelegt. Soweit es die Maßstäbe des Senatsbeschlusses
vom 20. November 1995 (a.a.O.) heranzieht, gelangt es zu dem Ergebnis, dass eine durch
Abwägungsentscheidung zu bewältigende Konfliktlage gleichsam von vornherein nicht exis-
tiert habe. Allein der Umstand, dass sich das Gericht in diesem Zusammenhang relativ ein-
gehend mit den Einwänden des Antragstellers auseinander setzt, rechtfertigt nicht die von
der Beschwerde gezogene Schlussfolgerung, die Prüfung der Begründetheit sei bereits vor-
weggenommen worden. Vielmehr geht es dem Normenkontrollgericht ersichtlich darum,
herauszustellen, dass sich der vom beschließenden Senat entschiedene Fall in jeder Hin-
sicht vom vorliegenden Sachverhalt unterscheidet.
Die Verfahrensrüge bleibt somit aus den genannten Gründen erfolglos. Daher bedarf keiner
Vertiefung, ob die Beschwerde auch bei Zubilligung der Antragsbefugnis hätte erfolglos blei-
ben müssen, da der Antragsteller in keiner Weise darlegt, dass sein Normenkontrollantrag in
der Sache erfolgreich gewesen wäre, wenn das Oberverwaltungsgericht den von ihm ange-
nommenen Verfahrensfehler - Abweisung als unzulässig - nicht begangen hätte.
2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abweichung,
also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in
Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten
Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf-
gestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Ju-
ni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2 und vom 9. Ok-
tober 1998 - BVerwG 4 B 98.98 - NVwZ 1999, 183). Die Beschwerde legt jedoch nicht dar,
welche Rechtssätze im Widerspruch stehen könnten. Sie beruft sich auf den Beschluss vom
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20. November 1995 (a.a.O.) und meint unter Hinweis auf Besonderheiten des vorliegenden
Einzelfalls, der vom Oberverwaltungsgericht gesehene Unterschied in der Bewertung der
beiden Fälle bestehe in Wahrheit nicht. Damit wird sie den Anforderungen an die Darlegung
einer Divergenz jedoch nicht gerecht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter
denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf
§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.
Paetow Halama Jannasch