Urteil des BVerwG vom 18.01.2012

Normenkontrolle, Immobilie, Zukunft, Entziehen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 29.11
OVG 3 K 20/10
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Januar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Mai 2011 wird zu-
rückgewiesen.
Der Antragsteller zu 1 trägt 1/10, die Antragstellerin zu 2
9/10 der Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Das Be-
schwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Be-
deutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
Die Antragsteller werfen die Frage auf, ob aus der Tatsache, dass im Verfahren
zur Änderung eines Flächennutzungsplans schon ein Aufstellungsbeschluss
vorliegt mit konkreten Angaben zur Nutzung und darauf aufbauend diese Dar-
stellungen bereits Grundlage vorhabenbezogener Bebauungspläne geworden
sind, die von der Gemeinde bereits intern mit der Landesplanung und den
Fachbehörden sowie Projektentwicklern abgestimmt wurden, auch schon vor
der Offenlegung zur Bürgerbeteiligung abwägungserhebliche Belange für be-
nachbarte Bebauungsplangebiete resultieren.
In dieser Allgemeinheit würde sich die aufgeworfene Frage nicht stellen. Der
Fragestellung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Antragsteller wenden
sich mit ihrer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan, der für Grundstü-
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cke westlich von ihrem eigenen Grundstück im Wesentlichen ein allgemeines
Wohngebiet sowie südlich ihres Grundstücks den Ausbau der M. Straße und
deren Verknüpfung mit der L. Chaussee, einer Durchgangsstraße, vorsieht.
Überdies liegt die Immobilie der Antragsteller mit einem geringen Umfang in-
nerhalb des Plangebiets. Das Oberverwaltungsgericht hat ihren Normenkon-
trollantrag nach § 47 Abs. 2a VwGO als unzulässig abgewiesen, da sie bei der
Planaufstellung überhaupt keine Einwendungen erhoben haben (UA S. 10). Im
Hinblick auf den Vortrag der Antragsteller, sie hätten erst nach der Öffentlich-
keitsbeteiligung erkennen können, dass eine andere Planung für die südlich der
M. Straße liegenden Flächen vorgesehen sei und sie dadurch in eigenen abwä-
gungserheblichen Belangen bei der Aufstellung des den Gegenstand der Nor-
menkontrolle bildenden Bebauungsplans betroffen seien, befasst sich das
Oberverwaltungsgericht dann mit der Frage, ob ein Fall vorliegt, in dem es an
der Voraussetzung fehlt, dass die Antragsteller ihre Belange hätten rechtzeitig
geltend machen können. Eine Berücksichtigung solcher verspätet vorgebrach-
ter Gesichtspunkte setzt nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in
jedem Fall voraus, dass sich gewissermaßen nachträglich ein abwägungser-
heblicher Belang ergeben habe (UA S. 11). Nur in Bezug auf diese vom Ober-
verwaltungsgericht dargestellte besondere Situation könnte die aufgeworfene
Frage überhaupt eine entscheidungserhebliche Bedeutung erlangen.
Das Oberverwaltungsgericht sieht es ferner zugunsten der Antragsteller als
grundsätzlich denkbar an, dass Darstellungen in einem Flächennutzungsplan
für benachbarte Grundstücke, die nicht im Bebauungsplangebiet liegen, oder
Festsetzungen in benachbarten Bebauungsplangebieten im genannten Sinn
(nachträglich) abwägungserhebliche Belange begründen könnten (UA S. 12).
Dies setze aber voraus, dass der Flächennutzungsplan bereits sehr konkrete
Darstellungen enthalte. Derartige Wirkungen seien jedenfalls dann ausge-
schlossen, wenn das Aufstellungs- bzw. Änderungsverfahren noch nicht einmal
das Stadium der Offenlage und Behördenbeteiligung erreicht habe. Dies steht
im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und wirft
keine klärungsbedürftigen grundsätzlichen Fragen auf. Danach sind Entwürfe
zu Flächennutzungsplänen, deren „Schicksal noch ungewiss ist“ und die „in der
Zukunft liegen“, außer Betracht zu lassen. Flächennutzungspläne, die sich in
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der Aufstellung befinden, können sich als Belang jedenfalls dann nicht auswir-
ken, wenn das Anregungsverfahren noch nicht durchgeführt worden ist (Urteil
vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 - BRS 66 Nr. 11; Beschluss vom 9. Au-
gust 1976 - BVerwG 4 B 153.75 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 129). Nicht
abwägungserheblich sind überdies grundsätzlich solche Betroffenheiten, die
sich unmittelbar erst in anderen, regelmäßig späteren Planungen mit anderem
Geltungsbereich realisieren (Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 4 CN 1.10 -
BauR 2011, 1947).
Im Übrigen entziehen sich die Einzelheiten der gemeindlichen Meinungsbildung
einer grundsätzlichen Klärung. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammen-
hang ihre eigene Würdigung der Vorgänge vorträgt, stützt sie sich auf tatsächli-
che Abläufe, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat und die im
Rahmen einer Grundsatzrüge ohnehin nicht berücksichtigt werden können.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m.
§ 100 Abs. 2 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1
GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Jannasch
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