Urteil des BVerwG vom 10.10.2006

Bebauungsplan, Normenkontrolle, Rechtsschutzgarantie, Unterlassen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 29.06
OVG 8 C 10590/06
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Oktober 2006
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz, die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Dr. Hofherr
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2006 wird zu-
rückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20 000 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Be-
deutung, die ihr der Antragsteller beimisst.
1. Der Antragsteller möchte in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich
geklärt wissen, ob hinsichtlich der Frist für die Vorlage eines Normenkontrollan-
trages gegen einen Bebauungsplan diejenige Rechtsvorschrift anzuwenden ist,
welche zum Zeitpunkt der Einleitung des Bebauungsplanverfahrens galt. Er
meint, dass für seinen Normenkontrollantrag gegen den im Januar 1995 erst-
mals öffentlich ausgelegten und am 20. Mai 1999 bekanntgemachten Bebau-
ungsplan § 47 Abs. 2 VwGO in der vor Inkrafttreten des 6. Gesetzes zur Ände-
rung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG)
vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) geltenden Fassung anzuwenden sei
mit der Folge, dass sein Normenkontrollantrag unbefristet zulässig sei. Dass
diese Rechtsauffassung nicht zutrifft, bedarf nicht der Klärung in einem Revi-
sionsverfahren. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, dass Normenkon-
trollanträge seit Inkrafttreten des 6. VwGOÄndG innerhalb von zwei Jahren
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nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen sind. Eine Ausnahme für
Normenkontrollanträge gegen Bebauungspläne, deren Aufstellungsverfahren
vor Inkrafttreten des 6. VwGOÄndG begonnen wurde, enthält weder das
6. VwGOÄndG noch das BauGB. Die Überleitungsvorschrift des § 233 Abs. 1
Satz 1 BauGB gilt nur für Verfahren nach dem Baugesetzbuch, nicht für Nor-
menkontrollverfahren nach § 47 VwGO.
2. Der Antragsteller möchte in einem Revisionsverfahren außerdem geklärt
wissen, ob die Einschränkung der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkon-
trolle gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO mit der verfassungsrechtlichen Rechts-
schutzgarantie zu vereinbaren ist. Dies ist schon deshalb nicht zweifelhaft, weil
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht verlangt, Rechtsschutz gerade im Wege der
verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle zu gewähren. Eine Inzidentkontrolle
des Bebauungsplans bleibt aber nach der Rechtsprechung des Senats (vgl.
Beschlüsse vom 28. Dezember 2000 - BVerwG 4 BN 32.00 - Buchholz 310 § 47
VwGO Nr. 145 und vom 8. April 2003 - BVerwG 4 B 23.03 - juris) unabhängig
von der Einhaltung der Normenkontrollfrist möglich. Demjenigen, in dessen
Rechte durch eine auf Festsetzungen des Bebauungsplans gestützte
behördliche Entscheidung oder durch das Unterlassen einer Entscheidung ein-
gegriffen wird, wird durch den Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO nicht die Befugnis abgeschnitten, im Rahmen seiner Rechtsver-
teidigung geltend zu machen, der Bebauungsplan sei nichtig. Das Gericht hat
diesem Vorbringen im Rahmen der Inzidentkontrolle nachzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertent-
scheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Gatz Dr. Philipp Dr. Hofherr
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