Urteil des BVerwG vom 11.06.2002

Bebauungsplan, Gemeinde, Stadtrat, Grundeigentümer

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BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 29.02
OVG 8 C 10817/01
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juni 2002
durch den Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom
6. März 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwer-
deverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Be-
schwerdeverfahren auf 25 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO
gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeu-
tung, die ihr die Beschwerde beimisst.
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1.1 Die Beigeladene wirft die Frage auf,
ob der Wille des Plangebers, dass in einem bestimmten Be-
reich eines Bebauungsplans keine Reihen- sondern nur Dop-
pelhäuser bzw. eine aufgelockerte Bebauung entstehen dür-
fen/darf, auch dadurch umgesetzt werden kann, dass im Be-
bauungsplan neben einer Grund- und Geschossflächenzahl
festgesetzt wird, dass max. 2 Wohneinheiten zulässig sind
(§ 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB), oder ob hierzu weitere Festset-
zungen z.B. nach § 22 Abs. 2 Satz 3 BauNVO ("Doppelhaus")
erforderlich sind.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie
legt einen Sachverhalt zu Grunde, den das Oberverwaltungsge-
richt in dieser Form nicht festgestellt hat. Denn dieses geht
davon aus, dass der von der Antragsgegnerin gewünschte Aus-
gleich (für eine Veränderung der klimatischen Situation) durch
die Festsetzungen im Bebauungsplan nicht umgesetzt worden sei
(Urteil S. 16 und 17). Die als "Wellenbrecher" bezeichnete
kompakte Bauweise werde - gerade in dem als kritisch angesehe-
nen Bereich - ermöglicht (Urteil S. 16 unten). Demgegenüber
geht die Beigeladene ersichtlich von dem anders gelagerten und
im Urteil des Oberverwaltungsgerichts keine Stütze findenden
Sachverhalt aus, die angestrebte aufgelockerte Bebauung werde
bereits im Bebauungsplan - u.a. durch die Festsetzung von ma-
ximal zwei Wohneinheiten - ausreichend gewährleistet.
Aber auch unabhängig hiervon lässt sich die Frage, ob die der
Abwägung zu Grunde liegenden Entscheidungen des Rats der An-
tragsgegnerin im Bebauungsplan rechtlich ausreichend umgesetzt
sind oder ob insoweit ein Defizit vorliegt, nicht ohne umfas-
sende Würdigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls
beantworten und entzieht sich daher einer rechtsgrundsätzli-
chen Klärung.
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1.2 Die Beschwerde wirft ferner sinngemäss die Frage auf, ob
zur Sicherstellung des Kaltluftabflusses die Festsetzung einer
Grünfläche ausreicht oder ob es weiterer Festsetzungen zu ih-
rer Gestaltung bedarf. Auch insoweit kann die gerichtliche
Überprüfung der Abwägungsentscheidung der Gemeinde stets nur
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen
und entzieht sich daher einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.
Nach der Vorstellung des Stadtrats der Antragsgegnerin sollte
der Kaltluftabfluss durch bestimmte im Urteil des Oberverwal-
tungsgerichts (S. 17) näher beschriebene Maßnahmen gefördert
werden. Der damit angestrebte Erfolg ist nach den Feststellun-
gen des Oberverwaltungsgerichts jedoch nicht gewährleistet.
Dies ist in erster Linie eine Würdigung der tatsächlichen Si-
tuation im Einzelfall; eine Frage von rechtlich grundsätzli-
cher Bedeutung wird damit nicht aufgezeigt.
Auch zur Auslegung von § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB wirft die Be-
schwerde keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, denn
das Oberverwaltungsgericht erwähnt Festsetzungen nach dieser
Vorschrift nur als eine denkbare Möglichkeit, die angestrebte
Wirkung für den Kaltluftabfluss sicherzustellen. Dieser Hin-
weis trägt die Entscheidung des Normenkontrollgerichts jedoch
nicht.
1.3 Die Beschwerde hält ferner für klärungsbedürftig,
ob Maßnahmen der Klimaverbesserung - Auslichtung bestehen-
der Gehölzstrukturen in einem Talgrund - bereits im Zeit-
punkt des Satzungsbeschlusses durch entsprechende Verträge
mit den betroffenen Grundstückseigentümern im und außer-
halb des Plangebiets gesichert sein müssen, oder ob es in-
soweit reicht, dass dies erst später durch entsprechende
Vereinbarungen umgesetzt wird.
Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revisi-
on. Das Normenkontrollgericht gelangt zu dem Ergebnis, der
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Stadtrat der Antragsgegnerin habe bei seiner Abwägung nicht
davon ausgehen können, dass die entsprechenden Privatgrundstü-
cke in Zukunft in einer den Kaltluftabfluss nicht nur nicht
hindernden, sondern fördernden Weise bepflanzt würden (Urteil
S. 18). Es hat damit die von der Beschwerde angesprochene Mög-
lichkeit, die erforderliche Sicherung erst durch später abzu-
schließende Verträge herbeizuführen, nicht als realistische
Möglichkeit angesehen. Grundsätzlich muss der Rat einer Ge-
meinde zum Zeitpunkt seiner Entscheidung sicherstellen, dass
Verpflichtungen Dritter, deren Einhaltung erst zu einem dem
Abwägungsgebot entsprechenden Ergebnis führt, auch durchge-
setzt werden können. Hierfür wird die bloße Aufnahme von Ver-
handlungen, wie sie das Oberverwaltungsgericht vorliegend
festgestellt hat, nicht ausreichen. Ob unter besonderen Um-
ständen, beispielsweise wegen zusätzlicher - etwa gesell-
schaftsrechtlicher - Möglichkeiten der Einflussnahme, andere
Maßstäbe gelten, kann dahingestellt bleiben, denn hierfür
lässt sich vorliegend weder dem Urteil des Normenkontrollge-
richts noch der Beschwerde etwas entnehmen.
2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revisi-
on eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten
Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwen-
dung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung
tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten eben-
solchen Rechtssatz abgewichen wäre (vgl. BVerwG, Beschlüsse
vom 26. Juni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 - Buchholz 310 § 132
Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2 und vom 9. Oktober 1998 - BVerwG 4 B
98.98 - NVwZ 1999, 183).
2.1 Die Beschwerde rügt eine Abweichung vom Urteil des Bundes-
verwaltungsgerichts vom 30. August 2001 - BVerwG 4 CN 9.00 -
(DVBl 2002, 269 = BauR 2002, 424 = Buchholz 406.11 § 9 BauGB
Nr. 97). Sie legt jedoch nicht dar, dass das Normenkontrollge-
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richt, das in seinen Ausführungen ausdrücklich auf das genann-
te Urteil Bezug nimmt, seiner Entscheidung einen entgegenge-
setzten Rechtssatz zu Grunde gelegt hätte. Sie führt in diesem
Zusammenhang aus, es reiche aus, dass die Bauaufsichtsbehörde
im Baugenehmigungsverfahren oder bei Bedarf durch bauordnungs-
rechtliche Anordnungen entsprechende Regelungen zur dauerhaf-
ten Sicherung treffe (Urteil vom 30. August 2001 a.a.O. unter
4.2). Damit referiert die Beschwerde die Einschätzung dessel-
ben Senats des Oberverwaltungsgerichts im damaligen Verfahren,
gegen die nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts keine
rechtlichen Bedenken anzumelden waren. Im vorliegenden Verfah-
ren gelangt das Oberverwaltungsgericht demgegenüber zu dem Er-
gebnis, die vorgenommenen Untersuchungen rechtfertigten nicht
den Schluss, das geplante Oberflächenentwässerungskonzept kön-
ne ohne Beeinträchtigung anderer Grundeigentümer verwirklicht
werden. Bei dieser Sachlage ist eine Abweichung im Rechtssinne
nicht ersichtlich; vielmehr gelangt das Normenkontrollgericht
lediglich im Hinblick auf seine jeweilige tatrichterliche Wür-
digung des Sachverhalts zu einer unterschiedlichen Einschät-
zung.
2.2 Die Beschwerde sieht ferner eine Abweichung zum Beschluss
des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 1994 - BVerwG
4 NB 34.94 - (NVwZ 1995, 378 = Buchholz 406.11 § 9 BauGB
Nr. 73). In diesem äußert sich das Beschwerdegericht zu Ziel
und Voraussetzungen für die Festsetzung der höchstzulässigen
Zahl der Wohnungen. Die Beschwerde möchte daraus ableiten,
dass das Normenkontrollgericht zu dem Ergebnis hätte kommen
sollen, dass auch vorliegend eine aufgelockerte Bebauung zu
erwarten ist. Diese Bebauung - so meint die Beschwerde - sei
auch unter klimatischen Gesichtspunkten unbedenklich. Damit
wird offensichtlich eine Divergenz im beschriebenen Sinn nicht
dargelegt. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde gegen die
tatsächliche Würdigung des Normenkontrollgerichts im vorlie-
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genden Einzelfall. Ihr entsprechendes Vorbringen rechtfertigt
nicht die Zulassung der Revision.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die
Festsetzung des Streitwertes auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1
Satz 1 GKG.
Paetow
Berkemann
Jannasch