Urteil des BVerwG vom 05.08.2015

Gewerbe, Rechtsquelle, Tatsachenfeststellung, Betriebsleiter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 28.15
OVG 10 D 44/12.NE
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. August 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzu-
lassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungs-
gerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai
2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Er-
folg.
Das Oberverwaltungsgericht hat den angefochtenen Bebauungsplan wegen
beachtlicher Fehler bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung für
unwirksam erklärt (UA S. 10). Der Rat der Antragsgegnerin habe - erstens - den
Anspruch der künftigen Nutzer im Plangebiet auf Schutz vor erheblichen Beläs-
tigungen durch Geruchsimmissionen als zu gering bewertet und damit die Be-
deutung der betroffenen Belange verkannt sowie den Ausgleich zwischen den
von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen, die zu ihrer
objektiven Gewichtigkeit außer Verhältnis stehe (UA S. 11), und - zweitens -
einen Grundsatz der Raumordnung nicht hinreichend beachtet (UA S. 19).
Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begrün-
dungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsicht-
lich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird
und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 -
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Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4; stRspr). Wenn nur bezüg-
lich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begrün-
dung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfah-
rens ändert. Da die Grundsatzrüge, mit der die Antragsgegnerin die erste Be-
gründung angreift, nicht zur Zulassung der Revision führt, kommt es auf die Di-
vergenzrüge, die sich auf die zweite Begründung bezieht, nicht mehr an.
Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechts-
sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsgegnerin bei-
misst.
Mit den Fragen,
- wie weit die Orientierungswerte nach der Geruchsimmis-
sionsrichtlinie (GIRL) bei einem Nebeneinander von Ge-
werbe-/Industrienutzungen und landwirtschaftlichen Be-
trieben überschritten werden dürfen,
- wie weit die Orientierungswerte nach der Geruchsimmis-
sionsrichtlinie (GIRL) bei einem Nebeneinander von Ge-
werbe-/Industrienutzungen und landwirtschaftlichen Be-
trieben bei Ausschluss von Wohnungen für Betriebsinha-
ber, Betriebsleiter oder sonstigen Aufsichtspersonen über-
schritten werden dürfen,
- ob absolute Obergrenzen von Grenzwerten für Geruchs-
belastungen bestehen, die nicht überschritten werden dür-
fen,
- ob hinsichtlich eines Nebeneinanders von Gewerbe-/In-
dustrienutzungen und landwirtschaftlichen Nutzungen eine
Parallele zu den Wohnnutzungen im Außenbereich gezo-
gen werden und Immissionswerte von bis zu 0,25 akzep-
tabel sein können,
möchte die Antragsgegnerin höchstrichterlich klären lassen, ob die Orientie-
rungswerte der GIRL in der Bauleitplanung streng einzuhalten sind bzw. wie
weit diese Werte überschritten werden dürfen und welche Obergrenzen konkret
Anwendung finden (Beschwerdebegründung S. 3). Die Fragen rechtfertigen die
Zulassung der Revision nicht, weil die GIRL keine Rechtsquelle darstellt. Sie ist
ein technisches Regelwerk, deren Werte auf den Erkenntnissen und Erfahrun-
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gen von Experten beruhen und das insoweit die Bedeutung eines antizipierten
generellen Sachverständigengutachtens hat. Ihre Auslegung ist keine Rechts-
anwendung, sondern Tatsachenfeststellung und daher nicht revisibel (BVerwG,
Beschlüsse vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 - BRS 71 Nr. 168 und vom 28. Juli 2010
- 4 B 29.10 - ZfBR 2010, 792).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfest-
setzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Decker
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