Urteil des BVerwG vom 24.11.2010

Stand der Technik, Eingriff, Kumulation, Abrede

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 28.10
OVG 7 D 14/09.NE
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. November 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar
2010 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde des Antragstellers hat
keinen Erfolg.
Die Beschwerde wirft als Grundsatzrüge die Frage auf,
ob die verfassungsrechtliche Garantie der körperlichen
Unversehrtheit der Bildung von Summenpegeln zur Ermitt-
lung des Verkehrslärms, verursacht durch unterschiedli-
che Verkehrsträger, Bahn- und Pkw-Verkehr, entgegen-
steht, wenn bereits der Bahnverkehr eine Lärmbelastung
zur Folge hat, die die Schwelle der Gesundheitsgefähr-
dung überschreitet.
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragstel-
ler beimisst. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die vom Oberverwaltungsge-
richt zugrunde gelegte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer
Weiterentwicklung bedürfte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts ist geklärt, dass bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher
Straßen nur sicherzustellen ist, dass „durch diese“ keine schädlichen Umwelt-
einwirkungen hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeid-
bar sind. Maßgeblich ist ausschließlich der Beurteilungspegel des von dem zu
bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms (Urtei-
le vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 <6> und vom
23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <34 f.>). Geklärt ist
ferner, dass abweichend von dem Grundsatz, dass die Beurteilungspegel für
jeden Verkehrsweg gesondert zu berechnen sind, die Bildung eines Summen-
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pegels dann geboten sein kann, wenn der neue oder der zu ändernde Ver-
kehrsweg in Zusammenwirkung mit vorhandenen Vorbelastungen anderer Ver-
kehrswege insgesamt zu einer Lärmbelastung führt, die mit Gesundheitsgefah-
ren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist (Urteile
vom 21. März 1996 a.a.O. S. 9, vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buch-
holz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 51, vom 10. November 2004 - BVerwG
9 A 67.03 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 41 S. 127 und vom 23. Februar
2005 a.a.O. S. 35).
Dass in einem Fall, in dem der planbedingte Straßenverkehrslärm die Immissi-
onsgrenzwerte der 16. BImSchV zwar einhält (UA S. 17), die Vorbelastung aus
Schienenverkehr sich aber - wie das Oberverwaltungsgericht weiter festgestellt
hat - als kritisch erweist (UA S. 17, 19) und daher als abwägungserheblich bei
der Prognose nicht nur die zu erwartende Straßenverkehrslärmbelastung, son-
dern auch der Lärm zu berücksichtigen ist, der von dem Schienenweg ausgeht,
stellt der Antragsteller nicht in Abrede. Er meint jedoch, die Bildung eines
Summenpegels sei im Fall der Kumulation des Lärms zweier nicht gleichartiger
Verkehrswege nicht geeignet, die Lärmsituation abwägungsgerecht abzubilden.
Wie die Gesamtlärmbelastung bei Zusammentreffen von planbedingtem Stra-
ßenverkehrslärm und einer kritischen Vorbelastung aus Schienenverkehrslärm
zu ermitteln ist, betrifft indes eine außerrechtliche Fachfrage, die revisionsge-
richtlicher Klärung nicht zugänglich ist (Beschlüsse vom 29. April 2003
- BVerwG 9 B 59.02 - juris Rn. 91 ff. und vom 18. August 2005 - BVerwG 4 B
20.05 - juris Rn. 14).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Bumke
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