Urteil des BVerwG vom 26.01.2009

Bebauungsplan, Bekanntmachung, Einfluss, Ermächtigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 27.08
VGH 3 S 2753/06
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Petz
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
15. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die
Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde
beimisst.
Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob sich die
Rechtmäßigkeit der Begründung eines mit einem Verfahrensfehler behafteten
Bebauungsplans, dessen Verfahrensfehler zulässigerweise im ergänzenden
Verfahren geheilt wird, nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des
ergänzenden Verfahrens richtet, wenn der Bebauungsplan nach § 214 Abs. 4
BauGB rückwirkend auf den Zeitpunkt des Abschlusses des ursprünglichen
Aufstellungsverfahrens mit unverändertem Inhalt in Kraft gesetzt wird. Diese
Frage bedarf im Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit nicht der Klärung in
einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen
Rechtsprechung und des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln
sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten.
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Der rechtliche Ausgangspunkt, an den die Frage anknüpft, ist § 244 BauGB.
Soweit hier von Interesse, bestimmt dessen Absatz 1, dass Verfahren, die nach
dem 20. Juli 2006 abgeschlossen werden, nach den Vorschriften dieses Geset-
zes, d.h. nach den Vorschriften des BauGB in der ab dem 20. Juli 2004 gelten-
den Fassung, zu Ende geführt werden. Abweichend davon finden auf Bebau-
ungsplanverfahren, die in der Zeit vom 14. März 1999 bis zum 20. Juli 2004
förmlich eingeleitet worden sind und die vor dem 20. Juli 2006 abgeschlossen
werden, die Vorschriften des BauGB in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden
Fassung weiterhin Anwendung (§ 244 Abs. 2 BauGB). Abgeschlossen ist das
Verfahren, wenn die Gemeinde einen Bebauungsplan als Satzung beschlossen
und ihn gemäß § 10 Abs. 3 BauGB bekannt gemacht hat. Der Zeitpunkt der
erstmaligen Bekanntmachung ist auch dann maßgebend, wenn der Plan zur
Behebung eines Ausfertigungsmangels zu einem späteren Zeitpunkt durch ein
ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) mit unverändertem Inhalt erneut
bekannt gemacht wird (Beschluss vom 1. August 2007 - BVerwG 4 BN 32.07 -
NVwZ 2007, 1310). Wird dagegen ein ergänzendes Verfahren durchgeführt, in
dem das ursprüngliche Verfahren in das Stadium vor dem Satzungsbeschluss
zurückversetzt wird, und endet es mit einem neuen Satzungsbeschluss, ist das
Verfahren jedenfalls dann erst mit der Bekanntmachung dieses Satzungsbe-
schlusses abgeschlossen, wenn das zuständige Gemeindeorgan in eine erneu-
te Abwägungsentscheidung eingetreten ist, und ist nunmehr der Zeitpunkt der
zweiten Abwägungsentscheidung der gesetzliche im Sinne des § 214 Abs. 3
Satz 1 BauGB (vgl. Beschluss vom 3. Juli 1995 - BVerwG 4 NB 11.95 - BRS 57
Nr. 29 ). Dies hat der Verwaltungsgerichtshof überzeugend dargelegt
(UA S. 16 bis 18).
Die Ermächtigung in § 214 Abs. 4 BauGB, den Bebauungsplan in einem ergän-
zenden Verfahren auch rückwirkend in Kraft zu setzen, hat keinen Einfluss auf
die Frage, wann ein Verfahren im Sinne des § 244 Abs. 1, 2 BauGB abge-
schlossen ist. Wird von § 214 Abs. 4 BauGB Gebrauch gemacht, so wird nicht
der Abschluss des Verfahrens auf den Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttre-
tens des Bebauungsplans zurückverlegt; zurückverlegt werden die Rechtsfol-
gen eines später abgeschlossenen Planaufstellungsverfahrens.
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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Ab-
weichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Die
dafür notwendige Divergenz in entscheidungstragenden Rechtssätzen liegt
nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof ist von dem Rechtssatz ausgegangen,
dass für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der erneuten
Beschlussfassung maßgeblich ist, wenn Gegenstand des ergänzenden Verfah-
rens (§ 214 Abs. 4 BauGB) eine neue Offenlage und ein neuer Satzungsbe-
schluss mit neuer Abwägung war. Ein gegenläufiger Rechtssatz des Inhalts,
dass für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ursprüngli-
chen Beschlussfassung auch dann maßgeblich ist, wenn Gegenstand des er-
gänzenden Verfahrens eine neue Offenlage und ein neuer Satzungsbeschluss
mit neuer Abwägung war, ist in den von der Beschwerde zitierten Entscheidun-
gen des Senats vom 10. August 2000 - BVerwG 4 CN 2.99 - (BRS 63 Nr. 42),
vom 25. Februar 1997 - BVerwG 4 NB 40.96 - (BRS 59 Nr. 31) und vom
5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 31.85 - (BVerwGE 75, 262) nicht aufgestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfest-
setzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Gatz
Petz
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