Urteil des BVerwG vom 03.06.2003, 4 BN 26.03
Bebauungsplan, Enteignung, Golfplatz, Gemeinde
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 26.03 VGH 9 N 3208/98
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 3. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision muss erfolglos
bleiben.
Das Normenkontrollgericht hat dem Antrag der Antragsteller mit der Begründung stattgegeben, der streitige Bebauungsplan für einen Golfplatz sei unwirksam, weil er gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB, das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB, die
Landschaftsschutzverordnung "Bergstraße-Odenwald" und das Abwägungsgebot des § 1
Abs. 6 BauGB verstoße. In einem solchen Fall, wenn nämlich die Entscheidung auf mehreren selbständig tragenden Begründungen beruht, setzt die Zulassung der Revision voraus,
dass die Beschwerde im Hinblick auf jeden der Begründungsteile einen durchgreifenden
Zulassungsgrund geltend macht. Denn solange eine einzige Begründung bestehen bleibt, ist
es unerheblich, ob - bei isolierter Betrachtung - hinsichtlich eines oder mehrerer anderer
Begründungsteile ein Zulassungsgrund vorliegt. Im vorliegenden Fall macht die Beschwerde
zwar für sämtliche Begründungsteile einen Zulassungsgrund geltend. Zumindest die Rüge,
mit der sich die Beschwerde gegen die Annahme des Normenkontrollgerichts wendet, die
Antragsgegnerin habe gegen das Abwägungsgebot verstoßen, greift jedoch nicht durch (zu
den übrigen Rügen vgl. das Urteil des Senats vom 30. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 14.01 -
juris).
Im Hinblick auf das Abwägungsgebot hält die Beschwerde die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob Bundesrecht unter dem Gesichtspunkt einer fehlerfreien Abwägung von der
planenden Gemeinde verlangt, dass sie schon zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses die
Durchführungsbefugnis festgesetzter Ausgleichsmaßnahmen auch dann abschließend klärt,
wenn nach dem Bebauungsplankonzept der planbedingte Eingriff nur zusammen mit den
Ausgleichsmaßnahmen innerhalb eines größeren aus mehreren Privatgrundstücken bestehenden Flächenbereichs vom Vorhabenträger durchgeführt werden soll und dies im späteren
Baugenehmigungsverfahren sichergestellt werden kann". Wegen dieser Frage kann die
Revision nicht zugelassen werden, weil sie in dieser Formulierung nicht entscheidungserheblich ist. Auch das Normenkontrollgericht nimmt nämlich an, dass absehbare Probleme bei
der Durchführung eines Bebauungsplans nicht stets schon im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gelöst sein müssen. Vielmehr dürfe die Gemeinde die Durchführung dem späteren, dem Vollzug der Festsetzung dienenden Verwaltungsverfahren überlassen, wenn sie
in realistischer Weise davon ausgehen könne, dass die Probleme in diesem Zusammenhang
gelöst werden könnten (Urteilsabdruck S. 25 f.). Das Normenkontrollgericht führt aber weiter
aus, dass die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht davon habe ausgehen können,
dass die auf den Grundstücken der Antragsteller geplanten Ausgleichsmaßnahmen später
durchgeführt werden würden (Urteilsabdruck S. 26). Im Unterschied zur Beschwerde geht
das Normenkontrollgericht also gerade nicht davon aus, dass die zum Plankonzept gehörenden Ausgleichsmaßnahmen noch im späteren Baugenehmigungsverfahren sichergestellt
werden könnten.
Die Beschwerde möchte allerdings möglicherweise sinngemäß geklärt wissen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen sichergestellt
sein muss, insbesondere ob eine Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen nach § 9 Abs. 1
Nr. 20 und 25 BauGB auf Privatgrundstücken nur zulässig ist, wenn die Gemeinde im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits die Verfügungs- oder Nutzungsbefugnis für diese
Grundstücke besitzt. Diese Frage lässt sich jedoch nicht allgemeingültig beantworten; sie
hängt von den jeweiligen konkreten Verhältnissen ab. In dem - von der Beschwerde zitierten - Beschluss vom 5. Januar 1999 - BVerwG 4 BN 28.97 - (NuR 1999, 384) hat der erkennende Senat ausgeführt, dass naturschutzrechtlich notwendige Maßnahmen grundsätzlich
auch auf privaten Grundstücken festgesetzt werden dürfen, und zwar unabhängig von der
Frage, ob die Realisierung dieser Planung privatrechtlich möglich ist. Dabei ist der Senat
allerdings davon ausgegangen, dass die Möglichkeit der Durchführung der Ausgleichsmaßnahme im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses zumindest offen war. Denn er führt weiter
aus, dass die Festsetzung von naturschutzrechtlich notwendigen Maßnahmen auf Privatland
naturschutzrechtlich unbedenklich sei. "Sollte nämlich im Einzelfall die Realisierung der festgesetzten landschaftspflegerischen Maßnahmen wegen des Privateigentums nicht möglich
sein, so darf auch der naturschutzrechtliche Eingriff, den sie ermöglichen soll, nicht vorgenommen werden." Gedacht war also an einen Bebauungsplan, bei dem die Realisierung
der Ausgleichsmaßnahmen grundsätzlich unbedenklich war. Für dessen Wirksamkeit ist es
unerheblich, wenn eine einzelne Ausgleichsmaßnahme nicht durchgeführt werden kann.
Anders kann es dagegen sein, wenn von vornherein feststeht, dass notwendige Ausgleichsmaßnahmen nicht durchgeführt werden können und wenn zudem der gesamte Bebauungsplan mit der Durchführung der Ausgleichsmaßnahme steht oder fällt. Das Normen-
kontrollgericht führt sinngemäß aus, dass der Golfplatz, der den einzigen Inhalt des umstrittenen Bebauungsplans bildet, ohne die Ausgleichsmaßnahmen auf den Grundstücken der
Antragsteller nicht gebaut werden darf und dass die Antragsteller weder bereit sind, ihre
Grundstücke freiwillig zur Verfügung zu stellen, noch hierzu gezwungen werden können.
Dass ein solcher Bebauungsplan wegen dauerhafter Vollzugsunfähigkeit unwirksam sein
kann, dürfte selbst die Beschwerde nicht in Zweifel ziehen wollen.
Die Beschwerde kommt nur deshalb zu einer anderen Beurteilung, weil sie - im Gegensatz
zum Normenkontrollgericht - meint, die Antragsgegnerin könne notfalls im Wege der Enteignung Eigentümerin der Ausgleichsgrundstücke werden. Insoweit lässt sich der Beschwerde
möglicherweise die Grundsatzfrage entnehmen, ob eine Enteignung von Grundstücken, die
für Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sind, eine Zuordnung nach § 8 a Abs. 1 Satz 4
BNatSchG 1993 (nunmehr: § 9 Abs. 1 a Satz 2 BauGB 1998) voraussetzt. Aber auch wegen
dieser Frage kann die Revision nicht zugelassen werden. Zwar mag sie grundsätzlich klärungsbedürftig sein. Auch sie wäre jedoch in einem künftigen Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.
Zum einen beruhen nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts das Planungskonzept der Antragsgegnerin und damit auch ihre Abwägung auf der Überlegung, dass die für
Ausgleichsmaßnahmen benötigten Grundstücke von ihren Eigentümern sämtlich freiwillig zur
Verfügung gestellt werden würden; gegen den Willen der betroffenen Grundstückseigentümer sollte das Ausgleichskonzept nicht durchgesetzt werden (Urteilsabdruck S. 25). Die
rechtliche Möglichkeit einer Enteignung hat daher für die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin keine Rolle gespielt und ist deshalb für die Beurteilung, ob der Bebauungsplan
mit dem Abwägungsgebot vereinbar ist, ohne Bedeutung.
Zum anderen ist nicht erkennbar, dass das Wohl der Allgemeinheit eine Enteignung der
Grundstücke zur Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen für einen Golfplatz erfordern könnte
(§ 87 Abs. 1 BauGB). Selbst wenn also auch ohne Zuordnung eine Enteignung statthaft sein
sollte, würde sie doch am Fehlen dieser anderen Enteignungsvoraussetzung scheitern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes
setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Paetow Lemmel Jannasch
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