Urteil des BVerwG vom 21.06.2002

Öffentlich, Subjektives Recht, Gemeinde, Verordnung

B
U
N
D
E
S
V
E
R
W
A
L
T
U
N
G
S
G
E
R
I
C
H
T
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 26.02
OVG 1 N 1360/98
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Juni 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n , Dr. L e m m e l
und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom
24. September 2001 wird zurückgewiesen.
- 2 -
Der Antragsteller trägt die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für
das Beschwerdeverfahren auf 51 129 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsteller, ein öffentlich bestellter Vermessungsinge-
nieur, wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die
Umlegungsausschussverordnung des Landes Thüringen vom 6. Au-
gust 1991 (GVBl S. 341). Er bemängelt, dass die Verordnung nur
die Katasterämter zu Geschäftsstellen der Umlegungsausschüsse
bestimme und nicht die in § 46 Abs. 4 Satz 3 BauGB vorgesehene
Möglichkeit enthalte, öffentlich bestellten Vermessungsingeni-
euren die Vorbereitung der im Umlegungsverfahren zu treffenden
Entscheidungen zu übertragen. Das Normenkontrollgericht hat
den Antrag abgelehnt, weil eine Verletzung subjektiver Rechte
des Antragstellers durch die Verordnung nicht möglich sei.
Insbesondere begründe § 46 Abs. 4 Satz 3 BauGB keine Rechte
der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure.
II.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwer-
de bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich
kein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO.
Die Beschwerde macht geltend, die Revision müsse zugelassen
werden, weil die Frage, "welche Bedeutung die Erwähnung der
ÖbVI (öffentlich bestellten Vermessungsingenieure) im § 46
Abs. 4 Satz 3 BauGB hat", grundsätzliche Bedeutung habe. In
- 3 -
dieser allgemeinen Formulierung wäre die Frage jedoch schon
unzulässig, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Be-
deutung die Darlegung einer konkreten Rechtsfrage voraussetzt,
der für die Entscheidung der Vorinstanz erheblich war. Ent-
scheidungserheblich war hier jedoch allein, ob § 46 Abs. 4
Satz 3 BauGB dem Antragsteller als einem öffentlich bestellten
Vermessungsingenieur ein subjektives öffentliches Recht ver-
mittelt, das möglicherweise durch die Umlegungsausschussver-
ordnung verletzt sein könnte.
Aber auch wenn man die Beschwerde dahin gehend interpretiert,
dass zu klären sei, ob einem öffentlich bestellten Vermes-
sungsingenieur durch § 46 Abs. 4 Satz 3 BauGB ein subjektives
Recht gewährt werde, kann die Revision nicht zugelassen wer-
den. Zwar fehlt es -
soweit
ersichtlich - bisher an einer
höchstrichterlichen Entscheidung dieser Frage. Nicht jede Fra-
ge sachgerechter Auslegung und Anwendung einer revisiblen Vor-
schrift enthält jedoch gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO erst in einem Revisionsverfahren zu klärende Frage-
stellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts
ist Voraussetzung vielmehr, dass die streitige Frage aus Grün-
den der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechts-
fortbildung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche
Entscheidung erfordert. Das ist nach der ständigen Rechtspre-
chung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht
der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der
Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung oder mit Hilfe der
üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne wei-
teres beantworten lässt. So liegt es hier.
Schon der Wortlaut des § 46 Abs. 4 Satz 3 BauGB deutet nicht
darauf hin, dass die Möglichkeit, bestimmte im Umlegungsver-
fahren anfallende Arbeiten einem öffentlich bestellten Vermes-
sungsingenieur zu übertragen, gerade dem Interesse des Vermes-
sungsingenieurs dienen soll. Im Mittelpunkt der Vorschrift
- 4 -
steht vielmehr die Gemeinde; sie soll sich im Umlegungsverfah-
ren auch eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs be-
dienen dürfen. Es handelt sich um eine Verfahrensregelung,
durch die bestimmt (oder auch nur klargestellt) wird, dass
Bundesrecht einer Beauftragung öffentlich bestellter Vermes-
sungsingenieure durch die Gemeinde mit der Vorbereitung der im
Umlegungsverfahren zu treffenden Entscheidungen und der Durch-
führung hierfür erforderlicher vermessungs- und katastertech-
nischer Aufgaben nicht entgegensteht.
Entscheidend aber ist - wie das Normenkontrollgericht zutref-
fend ausgeführt hat -, dass dem Bundesgesetzgeber für eine
Vorschrift, die den öffentlich bestellten Vermessungsingenieu-
ren einen subjektiven Rechtsanspruch auf Übertragung von Ent-
scheidungen der Gemeinde vermitteln würde, die Gesetzgebungs-
kompetenz fehlt. Insbesondere fällt sie nicht mehr unter die
eine verfahrensrechtliche Regelung noch abdeckende Kompetenz
des Bundes für das Bodenrecht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG.
§ 46 Abs. 4 Satz 3 BauGB mag deshalb die öffentlich bestellten
Vermessungsingenieure in tatsächlicher Hinsicht - reflexar-
tig - begünstigen. Dies mag sogar die Aufnahme in das Bauge-
setzbuch motiviert haben (vgl. die vom Antragsteller vorgeleg-
te Begründung zum Antrag Nr. 17 vom 3. Februar 1993 zum Ent-
wurf des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes).
Aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz stellt die Regelung je-
doch nicht mehr als eine reine Verfahrensvorschrift ohne
Drittschutz für die begünstigten Vermessungsingenieure dar.
Die Regelung der weiteren Einzelheiten hat der Bundesgesetzge-
ber somit folgerichtig den Ländern überlassen.
Offen kann bleiben, ob - wie die Beschwerde sinngemäß geltend
macht - eine die Beauftragung öffentlich bestellter Vermes-
sungsingenieure im Ergebnis vereitelnde landesrechtliche Rege-
lung mit § 46 Abs. 4 Satz 3 BauGB unvereinbar ist. Selbst wenn
dies der Fall wäre, könnte die Entscheidung im vorliegenden
- 5 -
Normenkontrollverfahren nicht anders lauten. Denn das Normen-
kontrollgericht dürfte die streitige Verordnung nur dann für
nichtig erklären, wenn der Antragsteller durch sie in seinen
Rechten verletzt sein und deshalb einen zulässigen Antrag
stellen könnte. Für diese Frage kommt es jedoch auf die Recht-
mäßigkeit der Verordnung nicht an.
Soweit
die Beschwerde geltend macht, es beständen auch ernst-
liche Zweifel an der Richtigkeit des Normenkontrollurteils,
verkennt sie, dass mit dieser Begründung zwar gemäß § 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Zulassung der Berufung, nicht aber die
hier begehrte Zulassung der Revision erreicht werden kann.
Denn der die Revisionszulassung regelnde § 132 Abs. 2 VwGO
nennt diesen Zulassungsgrund nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert
des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 und
3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Berkemann Lemmel Jannasch
Sachgebiet: BVerwGE: nein
Baurecht Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BauGB § 46 Abs. 4 Satz 3
Thüringer Umlegungsausschussverordnung
Stichworte:
Umlegungsverfahren; öffentlich bestellter Vermessungsingeni-
eur; Normenkontrolle; Antragsbefugnis.
Leitsatz:
Die Regelung des § 46 Abs. 4 Satz 3 BauGB, nach der die Ge-
meinde öffentlich bestellte Vermessungsingenieure mit der Vor-
bereitung der im Umlegungsverfahren zu treffenden Entscheidun-
gen beauftragen kann, vermittelt dem Vermessungsingenieur kei-
nen subjektiv öffentlichen Rechtsanspruch.
Beschluss
des 4. Senats vom 21. Juni 2002 - BVerwG 4 BN 26.02
I. OVG Weimar vom 24.09.2001 - Az.: OVG 1 N 1360/98 -