Urteil des BVerwG vom 31.08.2006

Rechtliches Gehör, Umweltverträglichkeitsprüfung, Nachbar, Ausweisung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 24.06
OVG 2 N 3/05
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. August 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Gatz
beschlossen:
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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts des Saarlandes vom 18. Mai 2006 wird zurückge-
wiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfah-
rensmangels zuzulassen.
a) Die Beschwerde kritisiert zu Unrecht, dass das Oberverwaltungsgericht den
Normenkontrollantrag als unzulässig behandelt hat. Zwar stellt es einen Verfah-
rensverstoß dar, wenn das Gericht eine Klage fehlerhaft als unzulässig abweist
und sich dadurch der gebotenen Entscheidung zur Sache entzieht (BVerwG,
Beschluss vom 19. Dezember 1994 - BVerwG 5 B 79.94 - NJW 1995, 2121
m.w.N.). Das ist hier aber nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat den
Normenkontrollantrag nicht nur mit der von der Beschwerde beanstandeten
Begründung als unzulässig abgelehnt, die Antragstellerin könne durch die
Feststellung der Nichtigkeit der Ausweisung des Vorranggebiets „Hungerberg“
für die Windenergie im LEP Umwelt 2004 seine Rechtsposition nicht verbessern
(UA S. 15), sondern auch deshalb, weil der Antragsgegner nach den maß-
geblichen Bestimmungen des SLPG 1994 allein eine an öffentlichen Interessen
orientierte Planungsentscheidung habe treffen müssen und keine Abwägung
individueller „Zumutbarkeiten“ habe vorgenommen werden sollen (UA S. 18 f.).
Hiergegen wendet die Antragstellerin nichts ein.
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b) Ebenfalls zu Unrecht beanstandet die Beschwerde mit der Gehörsrüge, dass
das Oberverwaltungsgericht bei der Erörterung der Antragsbefugnis nicht auf
den Vortrag der Antragstellerin eingegangen sei, im Rahmen des Planaufstel-
lungsverfahrens seien ihre Belange nicht in die Abwägung eingestellt worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundes-
verwaltungsgerichts ist in der Regel davon auszugehen, dass das Gericht bei
seiner Entscheidung die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis genommen
und in Erwägung gezogen hat. Das gilt auch für Vorbringen, das in den Ent-
scheidungsgründen nicht erörtert ist. Das Gericht muss sich in seinem Urteil
nicht mit jedem Vorbringen auseinandersetzen. Es darf sich auf die Gründe
beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind. Darum ist der
Schluss von der Nichtbehandlung eines Vorbringens in den Entscheidungs-
gründen auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur unter der
Voraussetzung zulässig, dass das betreffende Vorbringen nach dem Rechts-
standpunkt des Gerichts entscheidungserheblich war (BVerfG, Beschluss vom
19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss
vom 25. November 1999 - BVerwG 9 B 70.99 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3
VwGO Nr. 64). Das ist hier nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat an-
genommen, dass sich die Planungsentscheidung des Antragsgegners nach der
Gesetzeslage allein an öffentlichen Interessen zu orientieren hatte und indivi-
duelle Zumutbarkeiten nicht in die Abwägung eingestellt werden sollten. Vor
diesem Hintergrund hatte es keinen Anlass, auf eine eventuelle Betroffenheit
der Antragstellerin einzugehen.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur Klärung der
Frage zuzulassen, ob sich ein planbetroffener Nachbar zur Begründung seiner
Antragsbefugnis darauf berufen kann, dass eine erforderliche Umweltverträg-
lichkeitsprüfung unterblieben ist. Die Frage würde sich in einem Revisionsver-
fahren nicht stellen, weil sie nicht entscheidungserheblich wäre. Die Vorschrif-
ten über die Umweltprüfung von Raumordnungsplänen in § 7 Abs. 5 bis 10
ROG finden nach der Überleitungsvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 ROG nur
auf Pläne Anwendung, deren Aufstellung nach dem 20. Juli 2004 förmlich ein-
geleitet wird. Mit der Aufstellung des LEP Umwelt 2004 ist nicht nur vor diesem
Zeitpunkt begonnen worden. Dieser Plan ist vielmehr schon vor Ablauf der Um-
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setzungsfrist der Richtlinie 2001/42 EG des Europäischen Parlaments und des
Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Pro-
gramme vom 27. Juni 2001 (ABl EG Nr. L 197 S. 30) - SUP-Richtlinie - am
20. Juli 2004, nämlich am 13./16. Juli 2004, beschlossen und bekannt gemacht
worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertent-
scheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Gatz
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