Urteil des BVerwG vom 24.06.2004

Gesetzliche Frist, Bekanntgabe, Verfahrensmangel, Zustellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 23.04
OVG 7a D 67/03.NE
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juni 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w , den
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. J a n n a s c h und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2004 wird
zurückgewiesen.
- 2 -
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Wegen der Frage, ob die Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als ge-
setzliche Frist im Sinne vom § 60 VwGO oder als eine der Wiedereinsetzung nicht
zugängliche Ausschlussfrist anzusehen ist, kann die Revision nicht zugelassen wer-
den, weil sie für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht erheblich ist.
Das Normenkontrollgericht hat den Normenkontrollantrag auch bei unterstellter Wie-
dereinsetzungsmöglichkeit als unzulässig angesehen, weil die Voraussetzungen des
§ 60 VwGO für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben seien (UA
S. 9). Ist die angegriffene Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende
Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn
hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310
§ 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4).
Soweit das Normenkontrollgericht die Wiedereinsetzungsmöglichkeit unterstellt hat,
ist ein Revisionsgrund ebenfalls nicht gegeben. Der insoweit geltend gemachte Ver-
fahrensmangel liegt nicht vor. Die fehlerhafte Verneinung des Vorliegens einer
Sachurteilsvoraussetzung kann zwar einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen, auf dem das angefochtene Urteil beruht (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1997 - BVerwG 8 B
240.97 - Buchholz 310
§ 82 VwGO Nr. 18). Das Normenkontrollgericht ist jedoch zu Recht davon ausge-
gangen, dass die Frist, innerhalb der ein Wiedereinsetzungsgesuch gemäß § 60
Abs. 2 VwGO gegen die Versäumung der Antragsfrist zulässig war, durch die form-
lose Bekanntgabe des Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses vom
28. November 2003 am 2. Dezember 2003 in Lauf gesetzt wurde (vgl. § 57 VwGO).
- 3 -
Die förmliche Zustellung des Beschlusses war nicht vorgeschrieben. Gemäß § 56
Abs. 1 VwGO sind Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, zuzu-
stellen. Eine Rechtsmittelfrist wird durch die uneingeschränkte Bewilligung von Pro-
zesskostenhilfe für den Antragsteller nicht in Lauf gesetzt. Die Wiedereinsetzungsfrist
gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO knüpft allein an den tatsächlichen Wegfall des
Hindernisses, nicht an die gesetzlich vorgeschriebene Bekanntgabe einer Entschei-
dung an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1997 - BVerwG 3 C 43.96 - Buchholz
310 § 60 VwGO Nr. 211; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. November 1990 - XII ZB
141/90 - FamRZ 1991, 425; Beschluss vom 11. November 1998 - XII ZB 119/98 -
FamRZ 1999, 579). § 116 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der die Zustellung von Urteilen re-
gelt, ist entgegen dem Vorbringen der Beschwerde jedenfalls auf Prozesskostenhilfe
bewilligende Beschlüsse, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, nicht
anwendbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 14 Abs. 1 und 3 sowie auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Paetow Dr. Jannasch Dr. Philipp