Urteil des BVerwG vom 23.11.2006

Gemeinde, Wasser, Eigentum, Überlastung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 22.06
OVG 2 N 1/05
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts des Saarlandes vom 1. Juni 2006 wird zurückge-
wiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die
Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin
beimisst.
1. Die Beschwerde wirft die Frage auf,
ob das ergänzende Verfahren nach § 215a BauGB a.F.
bzw. § 214 Abs. 4 BauGB n.F. dem Plangeber erlaubt, die
tatsächliche Feststellung des Normenkontrollgerichts, die
zur Normverwerfung geführt hat, zu korrigieren und den
Plan aufgrund solcher Korrektur im Wesentlichen inhalts-
gleich erneut zu beschließen.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift
enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsver-
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fahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulas-
sungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene
Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener
Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Ent-
scheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate
des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfe-
ne Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit
Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres
beantworten lässt. So liegt es hier.
Der Senat hat den streitgegenständlichen Vorhaben- und Erschließungsplan in
seinem Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 CN 14.00 - (BVerwGE 116, 144)
bis zur Behebung der festgestellten Mängel für unwirksam erklärt. Sinn der Re-
gelungen über ein ergänzendes Verfahren ist es, dem Plangeber die Behebung
von Mängeln zu ermöglichen, ohne dass das gesamte Aufstellungsverfahren
erneut durchlaufen werden müsste (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1999
- BVerwG 4 CN 7.98 - BVerwGE 110, 193 m.w.N.). Vorliegend litt der Plan an
einem Abwägungsfehler. Dieser Mangel konnte durch ein ergänzendes Verfah-
ren im Sinne von § 215a Abs. 1 BauGB behoben werden; daher hat der Senat
den Plan nicht für nichtig erklärt (vgl. zu dieser Unterscheidung auch den Be-
schluss des Senats vom 14. November 2005 - BVerwG 4 BN 51.05 - Buchholz
406.11 § 214 BauGB Nr. 21). Somit konnte die Antragsgegnerin nach erneuter
Abwägung einen wirksamen Plan beschließen. Zu einem ordnungsgemäßen
Abwägungsprozess gehört auch die Ermittlung der abwägungserheblichen Tat-
sachen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Sachverhalt hinsichtlich der
Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Entwässerung der umliegen-
den Grundstücke einschließlich des Grundstücks der Antragstellerin zum Ge-
genstand neuer Ermittlungen gemacht, die das Normenkontrollgericht in seinem
Urteil eingehend darstellt (Urteilsabdruck S. 19 ff.). An einer neuen Ermittlung
und Bewertung der für die Abwägung maßgeblichen Tatsachen wird der
Plangeber nicht dadurch gehindert, dass das Normenkontrollgericht im ersten
Verfahren zugunsten der Antragstellerin von bestimmten Tatsachen ausgegan-
gen ist und die hierauf gestützte Prognose der Antragsgegnerin nicht bean-
standet hat (Urteilsabdruck S. 18). Auch die Entscheidung des Revisionsge-
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richts, das keine eigene Tatsachenfeststellung trifft, den Plan für unwirksam zu
erklären, ändert hieran nichts. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin tritt
insoweit keine Rechtskraft ein, die die Antragsgegnerin daran hindern würde,
die abwägungserheblichen Tatsachen ohne Bindung an frühere Feststellungen
neu zu ermitteln. Eine bloße Unterstellung von Tatsachen, wie sie hier den Ur-
teilen des Oberverwaltungsgerichts vom 28. März 2000 und des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 21. März 2002 (Urteilsabdruck S. 12) zugrunde lag, könnte
eine derartige Wirkung ohnehin nicht auslösen.
2. Die Beschwerde meint ferner, das Verfahren gebe Gelegenheit, grundsätz-
lich zu klären, ein „wievieljähriges Überschwemmungsereignis“ die Grenze der
Verletzung des Eigentumsgrundrechts unterschreite. Sie nimmt dabei auf eine
Aussage des Normenkontrollgerichts Bezug, wonach das Entwässerungssys-
tem des Vorhabens so ausgelegt sei, dass das vorgesehene Regenrückhalte-
becken bei einem zehnjährigen Ereignis überlaufen könne. Damit wird eine Fra-
ge, die rechtsgrundsätzlicher Klärung zugänglich wäre, nicht dargelegt. Denn
das Oberverwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass für den Fall einer
gleichwohl eintretenden Überlastung des Speichers das Wasser zielgerichtet
auf die Straße fließe und Anlieger der Scheidter Straße, zu denen auch die An-
tragstellerin gehört, deshalb nicht beeinträchtigen könne (Urteilsabdruck
S. 25 f.). Somit hat das Normenkontrollgericht keineswegs angenommen, dass
es bei einem zehnjährigen Ereignis zu einer Beeinträchtigung der Grundstücke
komme und erst recht nicht eine Verletzung des Eigentumsrechts der Antrag-
stellerin angenommen. Daher kann dahingestellt bleiben, ob es sich vor dem
Hintergrund des Abwägungsgebots überhaupt um eine verallgemeinerungsfä-
hige Rechtsfrage handelt.
3. Auch die Frage,
ob die Schutzpflicht des Satzungsgebers, das Nieder-
schlagswasser insgesamt zu beseitigen, damit die Be-
wohner des schutzbedürftigen Baugebiets und ihr Eigen-
tum keinen Schaden erleidet, durch eine Abwägung er-
füllbar ist, die diese Eigentümer darauf verweist, sich
durch eine Rückstauklappe selbst zu schützen,
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rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Der Senat hat die Maßstäbe, an-
hand derer die Abwägung des Plangebers zu überprüfen ist, in seinem Urteil
vom 21. März 2002 - BVerwG 4 CN 14.00 - (a.a.O.) bereits eingehend um-
schrieben. Dabei hat er unter anderem ausgeführt, dass die Gemeinde bei der
planerischen Konfliktbewältigung auch berücksichtigen darf, dass die Grund-
stücksnachbarn aus der Situation ihres Grundeigentums die Obliegenheit trifft,
in einer ihnen wirtschaftlich zumutbaren Weise durch eigene technische Vor-
kehrungen in rückstaugefährdeten Untergeschossen (Rückstausicherungen)
Kellerüberflutungen bei Starkregenereignissen vorzubeugen. Ob die Gemeinde
vor diesem Hintergrund ausreichend Vorkehrungen zur Beseitigung des im
Baugebiet anfallenden Niederschlagswassers getroffen hat, bestimmt sich nach
den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall und entzieht sich daher einer
rechtsgrundsätzlichen Klärung.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Dr. Jannasch Dr. Philipp
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