Urteil des BVerwG vom 12.07.2006

Verzicht, Augenschein, Beratung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 15.06
VGH 26 N 01.593
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 3. März 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen
nicht vor.
1. Dass der Senat des Verwaltungsgerichtshofs unter Mitwirkung der Richterin
G. durch das angefochtene Urteil über die Klage entschieden hat, obwohl diese
weder an der Einnahme des Augenscheins am 25. September 2002 noch an
der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2003 mitgewirkt hat, verstößt entge-
gen der Auffassung der Beschwerde nicht gegen § 112 VwGO. Nach dieser
Vorschrift darf das Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden, die an der
dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben. Die Anwen-
dung dieser Vorschrift setzt voraus, dass dem Urteil eine mündliche Verhand-
lung zugrunde liegt. Ergeht das Urteil, weil die Beteiligten - wie hier - auf weitere
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mündliche Verhandlung verzichtet haben, nicht aufgrund der mündlichen
Verhandlung, ist § 112 VwGO jedenfalls im Grundsatz nicht anwendbar (vgl.
BVerwG, Urteil vom 2. August 1984 - BVerwG 3 C 31.83 - Buchholz 310 § 112
VwGO Nr. 6 m.w.N.). Eine andere rechtliche Beurteilung kann nur ausnahms-
weise in Fällen Platz greifen, in denen mit der Verfahrensrüge nach § 112
VwGO im Einzelnen substantiiert dargelegt wird, dass in dem Urteil nicht ledig-
lich der Inhalt der Akten verwertet, sondern auch ein aus den Akten nicht er-
sichtlicher Umstand berücksichtigt worden ist, der in der mündlichen Verhand-
lung vorgebracht wurde. Nur in einem solchen Fall liegt insoweit dem ergange-
nen Urteil die mündliche Verhandlung mit der Folge zugrunde, dass ein Rich-
terwechsel zwischen der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Urteils
jedenfalls nicht frei von Bedenken ist (BVerwG, Urteil vom 2. August 1984
a.a.O.). Einen solchen Sachverhalt hat die Beschwerde nicht dargelegt.
2. Das Urteil stellt auch nicht - wie die Beschwerde weiter geltend macht - eine
Überraschungsentscheidung dar. Der Antragsteller durfte nicht in Folge des
Zeitablaufs und der richterlichen Mitteilung vom 20. Februar 2004 darauf ver-
trauen, dass sowohl die mündliche Verhandlung wiedereröffnet würde als auch
ein erneuter Termin zu einem Augenschein anberaumt werden würde. Er hat
aufgrund des Hinweises des Berichterstatters vom 20. Februar 2004 seinen
Verzicht auf mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 11. März 2004 und
vom 30. Juni 2004 ausdrücklich bestätigt und selbst gebeten, dem Verfahren
Fortgang zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertent-
scheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Dr. Paetow Gatz Dr. Philipp
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