Urteil des BVerwG vom 13.05.2004

Gewerbe, Bebauungsplan, Gemeinde, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 15.04
VGH 5 S 840/02
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Mai 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und
Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
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Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 19. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 25 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für
die Zulassung der Revision.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsteller
beimessen.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, "ob die Gemeinde
befugt ist, von den Stellungnahmen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes, die sich
wegen der zu erwartenden Konfliktlage zu dem beabsichtigten Bebauungsplan und
dem Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen sehr ablehnend geäußert hat,
einfach abweichen kann, ohne die von der Gewerbeaufsicht dargestellte Konfliktlage
zu beseitigen oder, wenn dies nicht möglich ist, ob die Gemeinde nicht von der Be-
schlussfassung über einen solchen Bebauungsplan Abstand zu nehmen hat". Diese
Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise
für eine Vielzahl von Streitigkeiten klärungsfähig. Sie ist auf die besonderen tatsäch-
lichen Verhältnisse im vorliegenden Normenkontrollverfahren zugeschnitten und kri-
tisiert der Sache nach die Auffassung des Normenkontrollgerichts, die Antragsgeg-
nerin habe das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB nicht verletzt. Die rechtli-
chen Anforderungen, die das Abwägungsgebot an die Zusammenstellung des Ab-
wägungsmaterials, d.h. an die Ermittlung und Bewertung der abwägungserheblichen
öffentlichen und privaten Belange, stellt, beurteilen sich nach den tatsächlichen Ge-
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gebenheiten im Einzelfall. Einen darüber hinausreichenden grundsätzlichen Klä-
rungsbedarf zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.
Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage, "ob bei einer Neuausweisung
eines Bebauungsplanes im Hinblick auf eine sich ergebende Konfliktlage zwischen
Gewerbe und Wohnen darauf abgestellt werden kann, dass bereits teilweise eine
vorhandene Wohnbebauung gegeben sei und es daher auf eine Verstärkung der
Konfliktlage nicht mehr ankommt", besitzt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung
im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Frage zielt auf die Rechtsauffassung des
Normenkontrollgerichts, dass der Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG an-
gesichts der in dem hier betroffenen Bereich bestehenden Gemengelage von Ge-
werbe und Wohnen an Durchsetzungskraft verliere und die hier bestehende Konflikt-
lage einer - jedenfalls vertretbaren - Lösung zugeführt worden sei. Revisionsgericht-
lich klärungsbedürftige Rechtsfragen zur Auslegung von § 50 BImSchG legt die Be-
schwerde jedoch nicht dar. In der Rechtsprechung des beschließenden Senats ist
bereits geklärt, dass das Trennungsgebot für die Überplanung einer bereits beste-
henden Gemengelage (hier: zwischen Gewerbe und Wohnen) keine strikte Geltung
beansprucht. Der Grundsatz lässt insbesondere dann Ausnahmen zu, wenn das Ne-
beneinander von Gewerbe und Wohnen schon seit längerer Zeit und offenbar ohne
größere Probleme bestanden hat (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. Januar
1992 - BVerwG 4 B 71.90 - Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 5 = NVwZ 1992, 663,
m.w.N.). Von einem solchen Sachverhalt ist das Normenkontrollgericht hier ausge-
gangen. Wie sich eine vorhandene Gemengelage auf das Trennungsgebot in § 50
BImSchG auswirkt, beurteilt sich im Übrigen nach den tatsächlichen Umständen des
Einzelfalls.
2. Die Rüge, das angefochtene Urteil weiche von den Entscheidungen des Bundes-
verwaltungsgerichts vom 23. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 3.02 - (Buchholz 406.11
§ 1 BauGB Nr. 109), vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - (BVerwGE 116, 155)
und vom 2. Februar 2000 - BVerwG 4 B 87.99 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz
Nr. 162 = NVwZ 2000, 679) ab, ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderun-
gen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Der Revisionszulassungsgrund der
Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvor-
schrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem
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ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in
Widerspruch tritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B
35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass die
in Widerspruch zueinander stehenden Rechtssätze unzweifelhaft bezeichnet und
einander gegenübergestellt werden. Daran lässt es die Beschwerde fehlen. Einen
entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz des Normenkontrollurteils, der einem
ebensolchen Rechtssatz widersprechen könnte, den das Bundesverwaltungsgericht
in Auslegung und Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat, zeigt die
Beschwerde nicht auf. Die Beschwerde wendet einzelne Aussagen der zitierten
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts auf den hier umstrittenen
Sachverhalt an und gelangt zu einem Ergebnis, das von der Entscheidung des Nor-
menkontrollgerichts abweicht. Die darin liegende Entscheidungskritik stellt keine Di-
vergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100
Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1
Satz 1 GKG.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Dr. Jannasch