Urteil des BVerwG vom 15.07.2010, 4 BN 14.10
Ablauf der Frist, Verfahrensmangel, Rüge, Befangenheit
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 14.10 (4 BN 22.09)
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 15. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen alle Mitglieder des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts wird verworfen.
Der Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Fortsetzung des Verfahrens ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
11. Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen alle Mitglieder des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts ist offensichtlich missbräuchlich. Es ist
deswegen unter Mitwirkung der abgelehnten, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts aber zuständigen Richter zu verwerfen
(vgl. Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36
<37>; stRspr).
2Offensichtlich missbräuchlich ist ein Ablehnungsgesuch jedenfalls dann, wenn
es sich nicht gegen einen einzelnen Richter, sondern gegen ein ganzes Kollegium richtet und nur mit solchen Umständen begründet wird, die die Besorgnis
der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können
(Beschluss vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 614.90 - Buchholz 310 § 138
Ziff. 1 VwGO Nr. 28). Das ist hier der Fall.
3a) Soweit sich das Ablehnungsgesuch gegen die nach dem Geschäftsverteilungsplan im vorliegenden Fall zur Entscheidung berufenen Senatsmitglieder
(Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, Richter am
Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke) richtet, ergibt sich dies daraus, dass die Antragstellerin mit
ihrem Ablehnungsgesuch ausschließlich Gründe geltend macht, die eine angeblich unzutreffende Sachbehandlung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Februar
2009 im Beschluss vom 9. September 2009 (BVerwG 4 BN 22.09) betreffen
und die bereits Gegenstand des Beschlusses vom 1. Dezember 2009 (BVerwG
4 BN 58.09) gewesen sind, mit dem das Gericht im Rahmen des gegen den Beschluss vom 9. September 2009 gerichteten Anhörungsrügeverfahrens das
erste Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen die genannten Richter zurückgewiesen hat. Ihr das jetzige nochmalige Ablehnungsgesuch begründendes
Vorbringen (Schriftsatz vom 15. März 2010, S. 26 - 30) bezieht sich ausdrücklich auf solche Umstände, die bereits in ihren Schriftsätzen vom 23. November 2009 (S. 26, 2. Absatz), vom 12. Oktober 2009 (S. 26 f.) und vom
19. Mai 2009 (S. 28 - 30) enthalten waren oder die Ausführungen des ihre
Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses vom 9. September
2009 betreffen und die somit zeitlich dem Beschluss vom 1. Dezember 2009
über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs vorausgehen. Der nachfolgende Zeitraum und mithin auch der die Anhörungsrüge zurückweisende Beschluss vom 16. Februar 2010 (BVerwG 4 BN 58.09) wird von der Antragstellerin nur insoweit erwähnt, als sie sich hierdurch „im Wiederholungsfall“ (S. 30)
und „in gleicher Weise wie im vorangegangenen Verfahren verletzt“ (S. 28)
sieht und die Besorgnis der Befangenheit „auch weiterhin“ für begründet hält.
Wenigstens ansatzweise substantiierte Umstände, die über bloße Wertungen
ohne Tatsachensubstanz hinausgingen (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss
vom 7. August 1997 - BVerwG 11 B 18.97 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 57
= NJW 1997, 3327) und aus denen sich allein neue, noch nicht beschiedene
Ablehnungsgründe ergeben könnten, lässt dieses Vorbringen nicht erkennen.
Die bloße Vorbefassung der zur Entscheidung berufenen Richter mit der Sache
vermag die Besorgnis der Befangenheit jedenfalls von vornherein nicht zu begründen (Beschluss vom 4. Mai 2009 - BVerwG 8 B 20.09 - juris Rn. 11).
4b) Soweit das Ablehnungsgesuch die übrigen Mitglieder des Senats (Richter am
Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Richterin am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Philipp und Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz) betrifft, die am Beschluss vom 1. Dezember 2009 (BVerwG 4 BN 58.09) beteiligt waren, mit dem
das Gericht das erste Ablehnungsgesuch der Antragstellerin zurückgewiesen
hat, fehlt es offensichtlich am Rechtsschutzbedürfnis, weil diese Richter nach
dem Geschäftsverteilungsplan und mangels Vertretungsfall (siehe oben a) nicht
zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren berufen sind.
52. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, mit dem die Antragstellerin eine Fortsetzung des durch Beschluss vom 9. September 2009 abgeschlossenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (BVerwG 4 BN 22.09) begehrt, bleibt ohne Erfolg.
6Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages macht die Antragstellerin
geltend, sie habe von bestimmten Tatsachen, aus denen sich weitere Revisionszulassungsgründe im Verfahren BVerwG 4 BN 22.09 ergäben, erst nach
Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Kenntnis erlangt. Es kann offen bleiben, ob eine Wiedereinsetzung - zumal nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens - für einzelne Rechtsbehelfsgründe überhaupt in Betracht kommt (vgl. Beschluss vom 4. Februar 2002 - BVerwG 4 B
51.01 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 33 m.w.N.). Denn das Vorbringen der
Antragstellerin lässt keine Gründe erkennen, die die Zulassung der Revision
rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
7a) Die Verfahrensrügen der Antragstellerin (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen
nicht durch.
8aa) Wohl als Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO macht
die Antragstellerin geltend, der erkennende vorinstanzliche Senat sei falsch
besetzt gewesen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Zwar sei die Zuständigkeit für
das seinerzeit beim Oberverwaltungsgericht bereits anhängige Verfahren durch
den Geschäftsverteilungsplan 2009 vom 1. auf den 8. Senat des Oberverwal-
tungsgerichts übergegangen. Dies beruhe aber auf einer gezielten Zuständigkeitsmanipulation. Diese Rüge geht fehl.
9Eine Besetzungsrüge erfüllt nur dann die Anforderungen an die Darlegungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, wenn die den Mangel begründenden
Tatsachen in einer Weise vorgebracht werden, die dem Revisionsgericht deren
Beurteilung ermöglichen (Beschluss vom 27. Juni 1995 - BVerwG 5 B 53.95 -
Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 9 m.w.N.). Das ist hier nicht der
Fall. Wenn die Antragstellerin geltend macht, es hätten sich „ganz offenbar parteipolitisch einflussreiche Kreise dazu entschlossen, im Rahmen des Erlasses
des Geschäftsverteilungsplans 2009 eine Zuständigkeitsveränderung herbeizuführen, durch die auch bereits anhängige Streitsachen … nicht mehr der Zuständigkeit des 1. sondern des 8. Senats unterfallen sollten“ (Schriftsatz vom
15. März 2010, S. 20), und als „Ziel der gezielt manipulativen Veränderung der
geschäftsplanmäßigen Zuständigkeitsveränderung im Geschäftsverteilungsplan“ die „absichtliche Vereitelung“ der Zulassung der Revision in ihrem Fall
nennt (a.a.O. S. 23), beschränkt sie sich lediglich auf eine - unbeachtliche -
Rüge „auf Verdacht“ (vgl. Beschluss vom 27. Juni 1995 a.a.O.), für die keinerlei
ernsthaften Anhaltspunkte genannt werden oder ersichtlich sind. Aus der der
Geschäftsumverteilung zeitlich nachfolgenden, nach Meinung der Antragstellerin unsachgemäßen Sachbehandlung ihres Verfahrens durch den 8. Senat lassen sich solche Anhaltspunkte jedenfalls nicht herleiten.
10bb) Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO) auch in der angeblich fehlerhaften Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht sieht, greift
diese Rüge schon deswegen nicht durch, weil die unzutreffende Beurteilung der
Revisionszulassung durch die Vorinstanz im - hier stattgefundenen - Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anhand der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe zu überprüfen ist, jedoch nicht ihrerseits einen selbständigen
Revisionszulassungsgrund eröffnet. Der von der Antragstellerin in Bezug genommene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Januar 2004
(- 1 BvR 31/01 - BVerfGK 2, 202 = VIZ 2004, 355) betrifft einen Fall der Nichtzulassung einer Revision nach § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der bis zum In-Kraft-
Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I
S. 1887) gültig gewesenen Fassung und ist daher mit dem vorliegenden Fall, in
dem Nichtzulassung der Revision auf die Beschwerde der Antragstellerin gemäß § 133 i.V.m. § 132 Abs. 2 VwGO überprüft worden ist, nicht vergleichbar.
11cc) Als weiteren Verfahrensmangel rügt die Antragstellerin, der Vorsitzende des
erkennenden vorinstanzlichen Senats habe seine Hinweispflicht nach § 86
Abs. 3 VwGO und den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt, weil er nicht
über die Rechtsprechung des 1. Senats des Oberverwaltungsgerichts zur auch
im vorliegenden Fall einschlägigen Straßenböschungsproblematik (OVG Koblenz, Urteile vom 18. Oktober 2007 - 1 C 11173/06 - und vom 29. Oktober 2008
- 1 C 10225/08 -) informiert habe, deren Beachtung zur Zulassung der Revision
hätte führen müssen. Das ist schon deswegen nicht schlüssig und erfüllt daher
nicht die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil die
Antragstellerin selbst geltend macht, die Antragsgegnerin habe die im angegriffenen Bebauungsplan enthaltenen Straßenböschungen durch eine wenige Tage
vor der mündlichen Verhandlung bekanntgemachten Änderung des Bebauungsplans als Verkehrsflächen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB und nicht
mehr - wie in der Rechtsprechung des 1. Senats beanstandet - als Beschränkung des Privateigentums nach § 9 Abs. 1 Nr. 26 BauGB festgesetzt.
Demnach bestand für die Vorinstanz - abgesehen von der Frage, ob es überhaupt geboten war, die von der Antragstellerin nicht thematisierte Straßenböschungsproblematik ungefragt in die Prüfung einzubeziehen (vgl. Urteil vom
17. April 2002 - BVerwG 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 Rn. 43), - insoweit
ersichtlich kein Anlass zur Revisionszulassung. Dass die Entscheidung der Vorinstanz in anderer Hinsicht auf dem von der Antragstellerin geltend gemachten
Verfahrensmangel beruht, legt sie nicht in einer den Darlegungsanforderungen
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar (vgl. zu diesen Anforderungen Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
12b) Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
13aa) Die Antragstellerin will geklärt wissen,
ob es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und insbesondere dem Grundsatz weitestgehender, nach Möglichkeit der Beeinflussung durch staatliche oder parteipolitisch motivierte Willkürakte entzogener Verwirklichung grundrechtlicher und grundrechtsgleicher Freiheiten und Gewährleistungen vereinbar ist, dass geschäftsplanmäßig bereits festgelegte und durch Antragseingang im Einzelfall konkretisierte richterliche Zuständigkeiten - sei es im Rahmen nachfolgender außerordentlicher Veränderungen während des laufenden Geschäftsjahres, sei es im Rahmen der Festlegung der Zuständigkeit des nachfolgend beginnenden Geschäftsjahres - auch in Ansehung von durch Eingang bei Gericht bereits anhängig/rechtshängig gewordenen Streitsachen einer nachträglichen, d.h. rückwirkenden Veränderung der Entscheidungszuständigkeit unterworfen werden können.
14Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Soweit sie sich auf
Änderungen der Geschäftsverteilung während des laufenden Geschäftsjahrs
bezieht, würde sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil die von
der Antragstellerin beanstandete Zuständigkeitsänderung - wie sie selbst geltend macht - im Geschäftsverteilungsplan für das (gesamte) Geschäftsjahr
2009 geregelt wurde. Im verbleibenden Umfang ist die Frage durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend geklärt, dass gegen
eine Regelung des jährlichen Geschäftsverteilungsplans, nach der alle noch
anhängigen Sachen eines Sachgebiets auf einen anderen Senat übergehen,
nichts einzuwenden ist (Urteil vom 18. Oktober 1990 - BVerwG 3 C 19.88 -
Buchholz 300 § 21e GVG Nr. 19 S. 3 f.). Einen darüber hinaus gehenden Klärungsbedarf zeigt die Antragstellerin nicht auf.
15bb) Auch die weitere Frage,
ob der fehlende, aber gebotene Hinweis des erkennenden Gerichts, auf eine neuere, nicht oder noch nicht lange zurückliegend veröffentlichte Rechtsprechung des Gerichts, die bei Waltung der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt als entscheidungserheblich erkannt werden musste und die erkanntermaßen nicht allen Prozessbeteiligten bekannt gewesen war, aufgrund der richterlichen Verpflichtung zu Distanz und Neutralität und wegen des Rechtstaatsgrundsatzes, insbesondere wegen des Fair-
Trial-Grundsatzes ohne Weiteres zur generellen Eröffnung der Verfahrensrevision führt,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn sie setzt, wenn sie
vom „gebotenen Hinweis“, „der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt“ und
der gerichtlichen Erkenntnis der Entscheidungserheblichkeit und der Kenntnis
der Prozessbeteiligten ausgeht, Tatsachen voraus, die vom Oberverwaltungsgericht - ohne dass die Antragstellerin hiergegen eine erfolgreiche Verfahrensrüge erhoben hätte - nicht festgestellt worden sind (näher zu diesen Anforderungen Beschluss vom 10. Januar 1997 - BVerwG 8 B 204.96 - NVwZ 1997,
801).
163. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten sind nicht entstanden.
Prof. Dr. Rubel Dr. Jannasch Dr. Bumke
Letze Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
BVerwG: wohnsitz in der schweiz, wohnsitz im ausland, ausbildung, liechtenstein, aeuv, ohne erwerbstätigkeit, subjektives recht, besuch, unzumutbarkeit, anwendungsbereich
5 C 19.11 vom 10.01.2013
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