Urteil des BVerwG vom 04.06.2008

Bebauungsplan, Grundeigentum, Erlass, Kritik

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 13.08
OVG 1 C 10759/07
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts Rheinland-Pfalz vom 28. Februar 2008 wird zurück-
gewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nicht-
zulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der An-
tragsteller beimisst.
1.1 Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob ein von den Einwirkungen
eines Bebauungsplans betroffener „Plannachbar“ im Rahmen eines Normen-
kontrollverfahrens antragsbefugt ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts geklärt. In der planerischen Abwägung sind - neben dem
Grundeigentum im Plangebiet - auch die Rechtspositionen und privaten Belan-
ge Dritter zu berücksichtigen, deren Grundeigentum zwar außerhalb der Plan-
grenzen, jedoch in der Nachbarschaft des Plangebiets liegt und mehr als ge-
ringfügigen belastenden Einwirkungen der durch den Plan ermöglichten Nut-
zungen ausgesetzt sein wird (Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 CN 14.00 -
BVerwGE 116, 144 <149> m.w.N.). Das in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene Ab-
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wägungsgebot hat nachbarschützenden Charakter auch hinsichtlich planexter-
ner privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind (Urteil vom
24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <217 ff.>). Auch
dem „Plannachbarn“ steht unter den genannten Voraussetzungen gegenüber
der planenden Gemeinde ein Anspruch auf gerechte Abwägung seiner privaten
Belange zu.
1.2 Die Beschwerde greift die Auffassung des Normenkontrollgerichts an, die
Befürchtung des Antragstellers, durch die zugelassene Bebauung auf der Flä-
che WA 2 werde sein Wohngrundstück in nicht hinnehmbarer Weise verschat-
tet, begründe seine Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht,
weil sich seine Situation durch den angegriffenen Bebauungsplan offensichtlich
nicht verschlechtere; denn der Bebauungsplan lasse eine Bebauung auf der
Fläche WA 2 nur in dem schon vor Inkrafttreten des Bebauungsplans nach § 34
BauGB erlaubten Umfang zu. Die Beschwerde wirft hierzu sinngemäß die
Frage auf, ob ein „Plannachbar“ auch dann durch die Ausweisungen eines Be-
bauungsplans in eigenen Rechten betroffen und antragsbefugt sei, wenn der
Bebauungsplan sich auf sein Grundstück nachteilig auswirken könne und durch
seine Festsetzungen diese nachteiligen Wirkungen gegenüber dem Zustand
ohne Plan zumindest rechtlich verfestige.
Die aufgeworfene Frage zeigt keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit des
Normenkontrollantrags ist geklärt, dass dem Antragsteller das Rechtsschutzbe-
dürfnis für seinen Antrag fehlt, wenn er durch die von ihm angestrebte Unwirk-
samkeitserklärung (Nichtigerklärung) des Bebauungsplans seine Rechtsstellung
nicht verbessern kann (Beschlüsse vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 -
BVerwGE 78, 85 <91> und vom 18. Juli 1989 - BVerwG 4 N 3.87 - BVerwGE
82, 225 <231 f.>; Urteil vom 23. April 2002 - BVerwG 4 CN 3.01 - BRS 65
Nr. 50 S. 259). Ein Antragsteller steht z.B. dann nicht besser, wenn er ein von
ihm befürchtetes konkretes Bauvorhaben, das der angegriffene Bebauungsplan
zuließe, auch bei Anwendung des § 34 BauGB nicht abwenden könnte (Be-
schluss vom 8. Februar 1999 - BVerwG 4 BN 55.98 - NVwZ 2000, 194 <195>).
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In der Sache - wenn auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Antragsbe-
fugnis - folgt das Normenkontrollgericht diesen Grundsätzen. Es ordnet die
Grundstücksfläche WA 2 als Innenbereich (§ 34 BauGB) ein und stellt hinsicht-
lich der im Bebauungsplan auf dieser Fläche ausgewiesenen Wohnnutzung
fest: Nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der über-
baubaren Grundstücksfläche füge sich ein Gebäude, wie es nach dem ange-
griffenen Bebauungsplan zulässigerweise errichtet werden könne, ersichtlich in
die Eigenart der näheren Umgebung mit ihren freistehenden Wohnhäusern ein.
Der Antragsteller habe sich vernünftigerweise schon vor Erlass des Bebau-
ungsplanes auf eine derartige Bebauung einstellen müssen, ohne dass ihm
eine Berufung auf die Verletzung des Rücksichtnahmegebots möglich gewesen
wäre (UA S. 8 f.). Die Beschwerde legt nicht dar, dass diese Ausführungen in
einem Revisionsverfahren Anlass geben könnten, die Voraussetzungen, unter
denen einem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkon-
trollantrag fehlt, über die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts hinaus zu konkretisieren oder zu modifizieren.
2. Die erhobenen Divergenzrügen bleiben erfolglos.
Eine Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur dann hinreichend be-
zeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich
bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz
benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden
Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat
(stRspr). Daran fehlt es hier.
Der im Normenkontrollurteil (UA S. 9) aufgestellte Rechtssatz, das Normenkon-
trollgericht müsse positiv feststellen, dass ein eigener abwägungserheblicher
Belang des Antragstellers bestehe, der von der zur gerichtlichen Prüfung ge-
stellten Norm - möglicherweise - betroffen sei, steht nicht in Widerspruch zu
einem der in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Rechtssätze aus
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Antragsbefugnis nach
§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Vielmehr hat das Normenkontrollgericht auf S. 9 ff.
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unter (2) seines Urteils in Einklang mit der angeführten Rechtsprechung geprüft,
ob dem Antragsteller die Antragsbefugnis deshalb fehlt, weil - abgesehen von
der befürchteten Verschattung - weitere abwägungserhebliche eigene Belange
nicht konkret feststellbar sind. Es hat die Antragsbefugnis auch insoweit
verneint. Die Vorinstanz hat sich dabei von der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts leiten lassen, nicht abwägungsbeachtlich seien insbeson-
dere geringwertige oder solche Interessen, auf deren Fortbestand kein schutz-
würdiges Vertrauen bestehe (UA S. 11, vgl. dazu Urteil vom 24. September
1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - a.a.O. S. 219). Hinsichtlich der vom Antragsteller
befürchteten Verschattung seines Grundstücks hat das Normenkontrollgericht
die Antragsbefugnis mit der Begründung verneint, die Situation des Antragstel-
lers werde in Hinblick darauf, dass sich die Zulässigkeit einer Bebauung auf
dem Nachbargrundstück (WA 2) sonst nach § 34 BauGB richte, durch den an-
gegriffenen Bebauungsplan offensichtlich nicht verschlechtert.
Die Entscheidungen, welche die Beschwerde im Rahmen ihrer Divergenzrüge
anführt, befassen sich nicht mit der Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags
unter dem Gesichtspunkt einer nach § 34 BauGB in der Nachbarschaft ohnehin
zulässigen Bebauung.
Im Übrigen erschöpft sich die Beschwerdebegründung (unter III., S. 6 bis 10) in
einer Kritik der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung.
Dies genügt nicht den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge.
3. Die Verfahrensrüge einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht
(§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bleibt ebenfalls erfolglos.
Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, dass sich dem Normenkontrollge-
richt bei der Prüfung der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags die Einnahme
des Augenscheins im Wege einer Ortsbesichtigung hätte aufdrängen müssen.
Mit der Beschwerde hätte insbesondere dargelegt werden müssen, aus wel-
chen Gründen die Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin und die Darstel-
lung der bestehenden Bebauung in der näheren Umgebung des als WA 2 aus-
gewiesenen Wohngebiets in der Planzeichnung nicht ausreichten, um die Zu-
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lässigkeit einer Bebauung auf der Fläche WA 2 nach § 34 BauGB beurteilen zu
können. Dieser Begründungslast kommt die Beschwerde nicht nach. Sie ver-
weist darauf, dass die Darstellung der Antragsgegnerin über die topografischen
Voraussetzungen bzw. die Höhen- und Erschließungssituation östlich der bei-
den Flurstücke 140/2 und 146/8, d.h. östlich des Unkeler Weges, nicht mit den
tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort übereinstimmten. Die Beschwerde legt
jedoch nicht dar, aus welchen Gründen die topografischen Verhältnisse bzw.
die Höhen- und Erschließungssituation östlich des Unkeler Weges für die bau-
planungsrechtliche Einordnung der Umgebung der Fläche WA 2 als Innenbe-
reich entscheidungserheblich sein könnten. Ebenso wenig zeigt die Beschwer-
de auf, dass die tatsächlichen Höhenverhältnisse östlich (unterhalb) des Unke-
ler Weges zu der vom Antragsteller befürchteten Verschattung seines Wohn-
grundstücks durch die Wohnbebauung auf der Fläche WA 2, die westlich bzw.
nördlich des Unkeler Weges liegt, beitragen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Dr. Bumke
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