Urteil des BVerwG vom 29.03.2007

Gemeinde, Bebauungsplan, Erlass, Bekanntmachung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 12.07
VGH 2 N 05.1695
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 2. Februar 2007 wird zurückgewie-
sen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdever-
fahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg. Ein Grund, die Revision zuzulassen, ergibt sich
aus dem Vorbringen der Beschwerde nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die
Beschwerde beimisst. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wis-
sen, inwieweit die Verhängung einer neuen Veränderungssperre einen zeitli-
chen Abstand zu einer vorausgegangenen Veränderungssperre erfordert. Diese
Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nur für den hier
gegebenen Fall stellen, dass die durch eine frühere Veränderungssperre gesi-
cherte Planung durch Bekanntmachung eines Bebauungsplans abgeschlossen,
der Bebauungsplan aber rechtskräftig für unwirksam erklärt wird und die Ge-
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meinde für einen Teil des Plangebiets erneut die Aufstellung eines Bebauungs-
plans und zur Sicherung dieser Planung eine neue Veränderungssperre be-
schließt. Die Frage, ob in einem solchen Fall die neue Veränderungssperre nur
erlassen werden darf, wenn ein gewisser, die Durchführung eines Baugeneh-
migungsverfahrens ermöglichender (vgl. Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl.
2006, § 17 Rn. 12) zeitlicher Abstand zur früheren Veränderungssperre gewahrt
ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Dass sie mit dem
Verwaltungsgerichtshof zu verneinen ist, ergibt sich ohne weiteres aus dem
Gesetz und der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichts.
Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die
Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Ver-
änderungssperre beschließen (§ 14 Abs. 1 BauGB). Die Veränderungssperre
tritt nach zwei Jahren außer Kraft (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Gemeinde
kann die Frist um ein Jahr, wenn besondere Umstände es erfordern, bis zu ei-
nem weiteren Jahr nochmals verlängern (§ 17 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BauGB).
Eine außer Kraft getretene Veränderungssperre kann die Gemeinde ganz oder
teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fort-
bestehen (§ 17 Abs. 3 BauGB). In jedem Fall tritt die Veränderungssperre
außer Kraft, sobald und soweit die Bauleitplanung rechtsverbindlich abge-
schlossen ist (§ 17 Abs. 5 BauGB). Durch den Abschluss der zu sichernden
Planung erledigt sich die Sicherungsfunktion der Veränderungssperre. Maßge-
bend für den Zeitpunkt des Abschlusses der Bauleitplanung ist die Bekanntma-
chung des Bebauungsplans (Beschluss vom 28. Februar 1990 - BVerwG 4 B
174.89 - Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 3 = BRS 50 Nr. 99). Eine erledigte
Veränderungssperre lebt auch dann nicht wieder auf, wenn der Bebauungsplan
im Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt wird (Beschluss vom
28. Februar 1990 a.a.O.); sie kann nicht mehr Gegenstand einer Verlängerung
gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 oder § 17 Abs. 2 BauGB sein. Durch die Erledigung
des Sicherungszwecks entfallen zugleich die Voraussetzungen für ihren Erlass;
sie kann deshalb auch nicht gemäß § 17 Abs. 3 BauGB erneut beschlossen
werden.
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Beschließt eine Gemeinde, nachdem das Oberverwaltungsgericht ihren Be-
bauungsplan für unwirksam erklärt hat, für denselben Planbereich erneut die
Aufstellung eines Bebauungsplans, kann sie jedoch gemäß § 14 Abs. 1 BauGB
zur Sicherung der neuen Planung auch eine neue Veränderungssperre be-
schließen. Einen zeitlichen Abstand zur ursprünglichen Veränderungssperre
verlangt das Gesetz hierfür nicht. Die Gefahr, dass die Gemeinde den neuen
Aufstellungsbeschluss nur fasst, um die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2
und 3 BauGB für die Verlängerung bzw. den erneuten Erlass der ursprüngli-
chen Veränderungssperre zu umgehen, besteht in einem solchen Fall auch
ohne den von der Beschwerde geforderten zeitlichen Abstand nicht; den Be-
bauungsplan kann nur das zuständige Oberverwaltungsgericht für unwirksam
erklären. Kann die Gemeinde eine neue Veränderungssperre beschließen, wird
sie dadurch nicht - wie die Beschwerde meint - gegenüber einer rechtmäßig
planenden Gemeinde bevorzugt. Wenn ihr Bebauungsplan wirksam ist, braucht
die Gemeinde keine Veränderungssperre, um planwidrige Vorhaben zu verhin-
dern. Nur eine Gemeinde, deren Bebauungsplan für unwirksam erklärt wurde,
muss neu planen. Darin liegt kein Vorteil. Die Bebaubarkeit der Grundstücke
wird durch die Möglichkeit, in einem solchen Fall eine neue Veränderungssper-
re zu erlassen, nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Unverhältnismäßig wäre
es, dieselbe Planung wiederholt durch jeweils neue Veränderungssperren zu
sichern; eine andere als die bisherige Planung darf hingegen durch eine neue
Veränderungssperre gesichert werden (Lemmel, in: Berliner Kommentar zum
BauGB, § 17 Rn. 13 - Stand: Juli 2005; Bielenberg/Stock, in: Ernst/Zinkahn/
Bielenberg, BauGB, § 17 Rn. 58 - Stand: Januar 2005; Rieger, a.a.O. § 17
Rn. 12).
Die Planung ist auch dann insgesamt eine andere, wenn die Gemeinde für das
Gebiet eines - wie hier - wegen der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen
insgesamt für unwirksam erklärten Bebauungsplans einen neuen Aufstellungs-
beschluss fasst mit dem Ziel, nur die im Normenkontrollverfahren beanstande-
ten Festsetzungen zu ändern und es im Übrigen bei den bisherigen Festset-
zungen zu belassen. Die geänderten und die übernommenen Festsetzungen
stehen, wenn die Gemeinde insoweit an ihrem bisherigen Planungskonzept
festhält, in einem untrennbaren Zusammenhang; nur deshalb führte die Un-
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wirksamkeit der beanstandeten Festsetzungen zur Gesamtunwirksamkeit des
Plans (vgl. Beschlüsse vom 18. Juli 1989 - BVerwG 4 N 3.87 - BVerwGE 82,
225 und vom 25. Februar 1997 - BVerwG 4 NB 30.96 - Buchholz 310 § 47
VwGO Nr. 116 = BRS 59 Nr. 51). Nichts anderes kann gelten, wenn die Ge-
meinde das Gebiet des für unwirksam erklärten Bebauungsplans aufteilt und
beschließt, mehrere Bebauungspläne neu aufzustellen. In einem solchen Fall
wird die Planung schon durch den neuen Zuschnitt der Planbereiche und die
Auflösung des bisher plangebietsübergreifenden Zusammenhangs zwischen
den Festsetzungen eine andere, auch wenn die bisherigen, im Normenkontroll-
verfahren nicht beanstandeten Festsetzungen in den neuen Bebauungsplan
nahezu unverändert übernommen werden.
2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz hat
die Beschwerde nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu müsste sie einen inhaltlich
bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz
benennen, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bun-
desverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Mit welchem tragenden Rechtssatz
der Verwaltungsgerichtshof einem in den Entscheidungen des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 11. November 1970 (BVerwG 4 C 79.68 - Buchholz 406.11
§ 17 BauGB Nr. 1 = BRS 23 Nr. 88), vom 10. September 1976 (BVerwG 4 C
39.74 - BVerwGE 51, 121) und vom 6. August 1992 (BVerwG 4 N 1.92 - BRS
54 Nr. 77) aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widersprochen haben sollte,
zeigt die Beschwerde nicht auf. Eine Divergenz im Hinblick auf die Anrechnung
berücksichtigungsfähiger Zeiten (Zurückstellung eines Baugesuchs) kann im
Übrigen schon deshalb nicht vorliegen, weil diese Anrechnung nicht die
Rechtsgültigkeit einer satzungsrechtlich angeordneten Veränderungssperre,
sondern die Berechnung der zulässigen Dauer einer Veränderungssperre im
Einzelfall betrifft (Beschlüsse vom 27. April 1992 - BVerwG 4 NB 11.92 -
Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 5 = BRS 54 Nr. 76 und vom 20. November
2006 - BVerwG 4 B 50.06 - juris Rn. 14). Die Frage, welche Zeiten bei dieser
Anrechnung berücksichtigungsfähig sind, ist nicht Gegenstand der abstrakten
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Normenkontrolle (Beschluss vom 27. April 1992 a.a.O.). Die von der Be-
schwerde geltend gemachte Abweichung von Entscheidungen des Bundesge-
richtshofs und verschiedener Oberverwaltungsgerichte ist gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO kein Grund, die Revision zuzulassen.
3. Ein Verfahrensmangel ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Die Be-
schwerde legt nicht - wie dies erforderlich wäre - dar, welche entscheidungser-
heblichen Tatsachen der Verwaltungsgerichtshof durch die Beiziehung der von
ihr genannten Akten und die Vernehmung des Leiters des Bauamtes der An-
tragsgegnerin als Zeugen hätte ermitteln sollen. Dass der durch die neue Ver-
änderungssperre gesicherte Planentwurf für die Bereiche, in denen die
Grundstücke der Antragsteller liegen, im Wesentlichen die gleichen Festset-
zungen wie der für unwirksam erklärte Bebauungsplan enthält, hat der Verwal-
tungsgerichtshof nicht in Abrede gestellt (UA S. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die
Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Prof. Dr. Rojahn Dr. Philipp
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