Urteil des BVerwG vom 30.03.2004

Ausschluss, Bebauungsplan, Rechtfertigung, Gemeinde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 12.04
OVG 7a D 118/02.NE
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und
Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
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Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 2003 wird
zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 40 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde meint, das Verfahren sei geeignet, zur weiteren Klärung der
Rechtsfrage beizutragen, unter welchen Voraussetzungen der Ausschluss von Ein-
zelhandel in einem Gewerbegebiet nach § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO zulässig ist und in
welchem Umfang die für diesen Ausschluss von der Gemeinde vorgetragenen
Gründe gerichtlich nachprüfbar sind. Damit wird indes keine Frage aufgeworfen, die
eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen könnte.
Denn das Normenkontrollgericht stützt sein Ergebnis, wonach bestimmten textlichen
Festsetzungen die städtebauliche Rechtfertigung fehle, auf eine umfangreiche Aus-
einandersetzung mit dem vorgenommenen Ausschluss bestimmter Arten von Ein-
zelhandelsbetrieben und der hierzu abgegebenen Begründung. Beispielsweise ver-
misst es konkrete Angaben dazu, weshalb jegliche Form von Einzelhandel die ge-
wachsenen Einzelhandelsstrukturen in den Zentren der Gemeinde unabhängig von
der Art und dem Umfang des jeweiligen Warenangebots schädigen bzw. wieso ein
fehlender Ausschluss die Nahversorgung gefährden würde. Unter Bezugnahme auf
die Begründung zum Bebauungsplan führt es ferner aus, das Ziel, die neu entste-
henden gewerblichen Bauflächen Handwerksbetrieben vorzubehalten, könne zwar
unter Umständen einen vollständigen Einzelhandelsausschluss für Gewerbegebiete
rechtfertigen, nicht aber einen Ausschluss für bestimmte Warengruppen (Urteilsab-
druck S. 24). Diese Ausführungen des Normenkontrollgerichts machen deutlich, dass
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es seine Schlussfolgerungen auf der Grundlage einer auf die Besonderheiten des
Einzelfalls abstellenden Divergenz zwischen der Festsetzung im Bebauungsplan und
seiner Begründung gewinnt. Seine Ergebnisse stützt es nicht in erster Linie auf die in
§ 1 Abs. 9 BauNVO geregelte Befugnis zu Festsetzungen für bestimmte Arten von
Anlagen. Den von ihm in diesem Zusammenhang mehrfach verwendeten Begriff der
städtebaulichen Rechtfertigung leitet es ersichtlich aus einer Gesamtschau von § 1
Abs. 3 BauGB sowie dem Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB ab, denn es gelangt
sodann zu der Schlussfolgerung, hinsichtlich der übrigen Regelungen weise der
Bebauungsplan keine beachtlichen Abwägungsfehler auf (Urteilsabdruck S. 25).
2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abwei-
chung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Beru-
fungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung
tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre.
Die Beschwerde verweist auf die Rechtsprechung des Senats zur Erforderlichkeit der
Bauleitplanung, wie sie im Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - (BRS
62 Nr. 19) nochmals dargelegt worden ist. Sie stellt dem jedoch keinen Rechtssatz
gegenüber, mit dem das Normenkontrollgericht der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts die Gefolgschaft verweigert hätte. Das Normenkontroll-
gericht gelangt zu seinen Schlussfolgerungen nicht durch Aufstellung eines der ge-
nannten Rechtsprechung entgegengesetzten Rechtssatzes, sondern in einer umfas-
senden Würdigung der Ziele und der Begründung des von ihm zu überprüfenden
Bebauungsplans. Dabei hat es als Prüfungsmaßstab, wie ausgeführt, auch nicht le-
diglich § 1 Abs. 3 BauGB herangezogen.
3. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang einen Aufklärungsmangel gel-
tend macht, legt sie nicht dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklä-
rungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklä-
rungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen
Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraus-
sichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass
bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen
Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unter-
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bleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die
bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten
aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäum-
nisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen
der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (stRspr).
4. Die Beschwerde verweist hinsichtlich der Ausführungen des Normenkontrollge-
richts zum Ausschluss von Vergnügungsstätten und Anlagen für sportliche Zwecke
auf den Teil der Beschwerdebegründung, der unter 1. bis 3. abgehandelt wurde. Dar-
auf wird Bezug genommen.
5. Die Beschwerde rügt ferner als Verfahrensmangel, dass das Normenkontrollge-
richt nicht der Anregung der Antragsgegnerin gefolgt ist, den Bebauungsplan nur teil-
weise für unwirksam zu erklären. Die insoweit geltend gemachte Verletzung des
rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor, denn das
Gericht hat die Anregung zur Kenntnis genommen und sich ausdrücklich damit aus-
einandergesetzt (Urteilsabdruck S. 34/35). Damit, dass das Gericht der Rechts-
auffassung der Antragsgegnerin insoweit nicht gefolgt ist, hat es das rechtliche Ge-
hör nicht verletzt. Denn dieser Grundsatz schützt nicht davor, dass ein Gericht aus
prozessualen oder materiellrechtlichen Erwägungen in der Sache zu einem anderen
Ergebnis gelangt.
6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halb-
satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Paetow
Halama
Dr. Jannasch