Urteil des BVerwG vom 25.03.2003

Normenkontrolle, Überzeugung, Rüge, Urteilsbegründung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 11.03
OVG 10a D 86/00.NE
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Le m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen
die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober
2002 wird zurückgewiesen.
- 2 –
Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das
Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festge-
setzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragstellerin muss erfolglos bleiben.
Das Normenkontrollgericht hat den Antrag der Antragstellerin
mit doppelter Begründung abgelehnt: Zum einen sei er mangels
eines Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin unzulässig,
zum andern sei er auch unbegründet. In einem solchen Fall
setzt die Zulassung der Revision voraus, dass die Beschwerde
hinsichtlich beider Begründungsteile einen durchgreifenden
Zulassungsgrund geltend macht. Daran fehlt es hier jedoch
schon im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Normenkontroll-
gerichts, für den Normenkontrollantrag fehle das
Rechtsschutzbedürfnis.
Im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
23. April 2002 - BVerwG 4 CN 3.01 - (ZfBR 2002, 687) geht das
Normenkontrollgericht davon aus, dass das
Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag dann
fehlt, wenn der Antragsteller unabhängig vom Ausgang des
Normenkontrollverfahrens keine reale Chance hat, sein
eigentliches Ziel zu erreichen. Das Normenkontrollgericht
nimmt dies hier an. Dabei führt es zur Begründung der
Nutzlosigkeit des Normenkontrollverfahrens unter anderem aus,
auf die Wirksamkeit der hier streitigen 2. Änderung des
Bauungsplans Nr. 110 "Großer Markt" der Antragsgegnerin komme
es nicht an, weil bei unterstellter Nichtigkeit der
2. Änderung die 1. Änderung gelten würde; jedenfalls in der
Fassung der 1. Änderung sei der Bebauungsplan wirksam.
- 3 –
Die Beschwerde meint, dass mit dieser Begründung das Rechts-
schutzinteresse für ein Normenkontrollverfahren nicht verneint
werden könne. Insbesondere dürfe zur Prüfung (und Verneinung)
des Rechtsschutzbedürfnisses für das Verfahren der Kontrolle
einer Norm nicht in die Prüfung einer anderen Norm eingetreten
werden. Inwieweit mit diesem Vorbringen überhaupt ein Verfah-
rensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend
gemacht wird, kann offen bleiben. Jedenfalls ist dieser
Rechtsauffassung nicht zu folgen. Zwar mag es im Grundsatz
bedenklich sein, wenn ein Gericht - statt die beantragte
Normenkontrolle vorzunehmen - zur Verneinung des
Rechtsschutzbedürfnisses für die Normenkontrolle lange
Ausführungen macht und dabei sogar eine andere Norm inzident
prüft. Unzulässig ist dies aber nicht. Die Beschwerde beruft
sich für ihre gegenteilige Rechtsauffassung auf das Urteil des
Senats vom 23. April 2002 (a.a.O.). Dort wird jedoch nur
ausgeführt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für ein Normenkon-
trollverfahren im Regelfall vorliegen wird, wenn die
Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Aus-
nahmsweise, nämlich wenn auch eine erfolgreiche
Normenkontrolle dem Antragsteller nichts nützen würde, kann
die Zulässigkeit der Normenkontrolle jedoch auch allein am
fehlenden Rechtsschutzbedürfnis scheitern. Aus welchem Grund
eine Inzidentkontrolle bei der Prüfung der Nützlichkeit oder
Nutzlosigkeit des Normenkontrollverfahrens verboten sein
sollte, führt die Beschwerde nicht weiter aus; ein solcher
Grund ist nicht ersichtlich. Im Einzelfall kann es sogar
zweckmäßig sein, bei der Prüfung der prozessualen
Voraussetzungen für das Normenkontrollverfahren eine andere
Norm inzident zu prüfen, wenn nämlich die Inzidentprüfung
erheblich einfacher ist als die Prüfung der Norm, die
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist.
Die Beschwerde macht ferner geltend, das Normenkontrollgericht
habe sein Urteil, die 1. Änderung des Bebauungsplans sei wirk-
sam, verfahrensfehlerhaft gewonnen. Die Entscheidung beruhe
auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1
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GG) und der Pflicht, die richterliche Überzeugung aus dem
Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnen (§ 108 Abs. 1 Satz 1
VwGO). Auch diese Rügen sind zumindest unbegründet. Der Sache
nach macht die Beschwerde nämlich nur geltend, dass das
Normenkontrollgericht auf die Rüge der Antragstellerin, die
Festsetzung einer zwingend viergeschossigen Bebauung ohne
Höhenbegrenzung sei gegenüber der vorhandenen nur
dreigeschossigen Bebauung rücksichtslos, im Urteil nicht aus-
drücklich eingegangen sei. Dabei verkennt die Beschwerde
jedoch, dass ein Gericht in der Urteilsbegründung nur auf die
wesentlichen Fragen eingehen muss; es muss sich nicht mit
jedem einzelnen vorgetragenen Gesichtspunkt auseinander setzen
(vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 117 Rn. 14,
m.w.N.). Hier hat sich das Normenkontrollgericht mit der
Kritik an der Festsetzung zwingend viergeschossiger Bebauung
ausdrücklich beschäftigt; es kommt zu dem Ergebnis, dass keine
Abwägungsmängel vorlägen und die Nachbarbebauung nicht
unzumutbar beeinträchtigt werde (Urteilsabdruck S. 26 f). In
verfahrensrechtlicher Hinsicht ist dies korrekt und ausrei-
chend.
Der übrige Vortrag der Beschwerde bezieht sich auf den zweiten
Begründungsteil, also auf die Frage der Wirksamkeit des strei-
tigen Bebauungsplans. Auf ihn braucht nicht eingegangen zu
werden, weil die Ablehnung des Antrags bereits mit dem Fehlen
des Rechtsschutzbedürfnisses hinreichend begründet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert
des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1
Paetow Lemmel Jan-
nasch